Goetz von Berlichingen mit der eisernen Hand Ein Schauspiel
by
Johann Wolfgang Goethe

Part 3 out of 3




Adelheid. Und mein Betragen?

Weislingen. Du bist ein Weib. Ihr haßt keinen, der euch hofiert.

Adelheid. Aber ihr?

Weislingen. Er frißt mir am Herzen, der fürchterliche Gedanke!
Adelheid!

Adelheid. Kann ich deine Torheit kurieren?

Weislingen. Wenn du wolltest! Du könntest dich vom Hof entfernen.

Adelheid. Sage Mittel und Art. Bist du nicht bei Hofe? Soll ich
dich lassen und meine Freunde, um auf meinem Schloß mich mit den Uhus
zu unterhalten? Nein, Weislingen, daraus wird nichts. Beruhige dich,
du weißt, wie ich dich liebe.

Weislingen. Der heilige Anker in diesem Sturm, solang der Strick
nicht reißt. (Ab.)

Adelheid. Fängst du's so an! Das fehlte noch. Die Unternehmungen
meines Busens sind zu groß, als daß du ihnen im Wege stehen solltest.
Karl! Großer trefflicher Mann, und Kaiser dereinst! Und sollte er
der einzige sein unter den Männern, dem der Besitz meiner Gunst nicht
schmeichelte? Weislingen, denke nicht mich zu hindern, sonst mußt du
in den Boden, mein Weg geht über dich hin.

(Franz kommt mit einem Brief.)

Franz. Hier, gnädige Frau.

Adelheid. Gab dir Karl ihn selbst?

Franz. Ja.

Adelheid. Was hast du? Du siehst so kummervoll.

Franz. Es ist Euer Wille, daß ich mich totschmachten soll; in den
Jahren der Hoffnung macht Ihr mich verzweifeln.

Adelheid. Er dauert mich--und wie wenig kostet's mich, ihn glücklich
zu machen! Sei gutes Muts, Junge. Ich fühle deine Lieb und Treu, und
werde nie unerkenntlich sein.

Franz (beklemmt). Wenn Ihr das fähig wärt, ich müßte vergehn. Mein
Gott, ich habe keinen Blutstropfen in mir, der nicht Euer wäre, keinen
Sinn, als Euch zu lieben und zu tun, was Euch gefällt!

Adelheid. Lieber Junge!

Franz. Ihr schmeichelt mir. (In Tränen ausbrechend.) Wenn diese
Ergebenheit nichts mehr verdient, als andere sich vorgezogen zu sehn,
als Eure Gedanken alle nach dem Karl gerichtet zu sehn-Adelheid. Du
weißt nicht, was du willst, noch weniger, was du redst.

Franz (vor Verdruß und Zorn mit dem Fuß stampfend). Ich will auch
nicht mehr. Will nicht mehr den Unterhändler abgeben.

Adelheid. Franz! Du vergißt dich.

Franz. Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn!

Adelheid. Geh mir aus dem Gesicht.

Franz. Gnädige Frau!

Adelheid. Geh, entdecke deinem lieben Herrn mein Geheimnis. Ich war
die Närrin, dich für was zu halten, das du nicht bist.

Franz. Liebe gnädige Frau, Ihr wißt, daß ich Euch liebe.

Adelheid. Und du warst mein Freund, meinem Herzen so nahe. Geh,
verrat mich.

Franz. Eher wollt ich mir das Herz aus dem Leibe reißen! Verzeiht
mir, gnädige Frau. Mein Herz ist zu voll, meine Sinnen halten's nicht
aus.

Adelheid. Lieber warmer Junge! (Faßt ihn bei den Händen, zieht ihn
zu sich, und ihre Küsse begegnen einander; er fällt ihr weinend um den
Hals.)

Adelheid. Laß mich!

Franz (erstickend in Tränen an ihrem Hals). Gott! Gott!

Adelheid. Laß mich, die Mauern sind Verräter. Laß mich. (Macht sich
los.) Wanke nicht von deiner Lieb und Treu, und der schönste Lohn soll
dir werden. (Ab.)

Franz. Der schönste Lohn! Nur bis dahin laß mich leben! Ich wollte
meinen Vater ermorden, der mir diesen Platz streitig machte.

Jagsthausen

Götz an einem Tisch. Elisabeth bei ihm mit der Arbeit; es steht ein
Licht auf dem Tisch und Schreibzeug.

Götz. Der Müßiggang will mir gar nicht schmecken, und meine
Beschränkung wird mir von Tag zu Tag enger; ich wollt, ich könnt
schlafen, oder mir nur einbilden, die Ruhe sei was Angenehmes.

Elisabeth. So schreib doch deine Geschichte aus, die du angefangen
hast. Gib deinen Freunden ein Zeugnis in die Hand, deine Feinde zu
beschämen; verschaff einer edlen Nachkommenschaft die Freude, dich
nicht zu verkennen.

Götz. Ach! Schreiben ist geschäftiger Müßiggang, es kommt mir sauer
an. Indem ich schreibe, was ich getan, ärger ich mich über den
Verlust der Zeit, in der ich etwas tun könnte.

Elisabeth (nimmt die Schrift). Sei nicht wunderlich. Du bist eben an
deiner ersten Gefangenschaft in Heilbronn.

Götz. Das war mir von jeher ein fataler Ort.

Elisabeth (liest). "Da waren selbst einige von den Bündischen, die zu
mir sagten: ich habe törig getan, mich meinen ärgsten Feinden zu
stellen, da ich doch vermuten konnte, sie würden nicht glimpflich mit
mir umgehn; da antwortet ich:" Nun, was antwortetest du? Schreibe
weiter.

Götz. Ich sagte: "Setz ich so oft meine Haut an anderer Gut und Geld,
sollt ich sie nicht an mein Wort setzen?"

Elisabeth. Diesen Ruf hast, du.

Götz. Den sollen sie mir nicht nehmen! Sie haben mir alles genommen,
Gut, Freiheit-Elisabeth. Es fällt in die Zeiten, wie ich die von
Miltenberg und Singlingen in der Wirtsstube fand, die mich nicht
kannten. Da hatt' ich eine Freude, als wenn ich einen Sohn geboren
hätte. Sie rühmten dich untereinander und sagten: "Er ist das Muster
eines Ritters, tapfer und edel in seiner Freiheit" und gelassen und
treu im Unglück."

Götz. Sie sollen mir einen stellen, dem ich mein Wort gebrochen! Und
Gott weiß, daß ich mehr geschwitzt hab, meinem Nächsten zu dienen, als
mir, daß ich um den Namen eines tapfern und treuen Ritters gearbeitet
habe, nicht um hohe Reichtümer und Rang zu gewinnen. Und Gott sei
Dank, worum ich warb, ist mir worden.

(Lerse. Georg mit Wildbret.)

Götz. Glück zu, brave Jäger!

Georg. Das sind wir aus braven Reitern geworden. Aus Stiefeln machen
sich leicht Pantoffeln.

Lerse. Die Jagd ist doch immer was, und eine Art von Krieg.

Georg. Wenn man nur hierzulande nicht immer mit Reichsknechten zu tun
hätte. Wißt Ihr, gnädiger Herr, wie Ihr uns prophezeitet: wenn sich
die Welt umkehrte, würden wir Jäger werden. Da sind wir's ohne das.

Götz. Es kommt auf eins hinaus, wir sind aus unserm Kreise gerückt.

Georg. Es sind bedenkliche Zeiten. Schon seit acht Tagen läßt sich
ein fürchterlicher Komet sehen, und ganz Deutschland ist in Angst, es
bedeute den Tod des Kaisers, der sehr krank ist.

Götz. Sehr krank! Unsere Bahn geht zu Ende.

Lerse. Und hier in der Nähe gibt's noch schrecklichere Veränderungen.
Die Bauern haben einen entsetzlichen Aufstand erregt.

Götz. Wo?

Lerse. Im Herzen von Schwaben. Sie sengen, brennen und morden. Ich
fürchte, sie verheeren das ganze Land.

Georg. Einen fürchterlichen Krieg gibt's. Es sind schon an die
hundert Ortschaften aufgestanden, und täglich mehr. Der Sturmwind
neulich hat ganze Wälder ausgerissen, und kurz darauf hat man in der
Gegend, wo der Aufstand begonnen, zwei feurige Schwerter kreuzweis in
der Luft gesehn.

Götz. Da leiden von meinen guten Herrn und Freunden gewiß unschuldig
mit!

Georg. Schade, daß wir nicht reiten dürfen!




Fünfter Akt




V. Akt, Szene 1



Bauernkrieg. Tumult in einem Dorf und Plünderung

Weiber und Alte mit Kindern und Gepäcke. Flucht.

Alter. Fort! Fort! daß wir den Mordhunden entgehen.

Weib. Heiliger Gott, wie blutrot der Himmel ist, die untergehende
Sonne blutrot!

Mutter. Das bedeut Feuer.

Weib. Mein Mann! Mein Mann!

Alter. Fort! Fort! In Wald!

(Ziehen vorbei.--Link.)

Link. Was sich widersetzt, niedergestochen! Das Dorf ist unser. Daß
von Früchten nichts umkommt, nichts zurückbleibt. Plündert rein aus
und schnell! Wir zünden gleich an.

(Metzler vom Hügel heruntergelaufen.)

Metzler. Wie geht's Euch, Link?

Link. Drunter und drüber, siehst du, du kommst zum Kehraus. Woher?

Metzler. Von Weinsberg. Da war ein Fest.

Link. Wie?

Metzler. Wir haben sie zusammengestochen, daß eine Lust war.

Link. Wen alles?

Metzler. Dietrich von Weiler tanzte vor. Der Fratz! Wir waren mit
hellem wütigem Hauf herum, und er oben auf'm Kirchturn wollt gütlich
mit uns handeln. Paff! Schoß ihn einer vorn Kopf. Wir hinauf wie
Wetter, und zum Fenster herunter mit dem Kerl.

Link. Ah!

Metzler (zu den Bauern). Ihr Hund', soll ich euch Bein' machen! Wie
sie zaudern und trenteln, die Esel.

Link. Brennt an! sie mögen drin braten! Fort! Fahrt zu, ihr
Schlingel!

Metzler. Darnach führten wir heraus den Helfenstein, den Eltershofen,
an die dreizehn von Adel, zusammen auf achtzig. Herausgeführt auf die
Ebne gegen Heilbronn. Das war ein Jubilieren und ein Tumultuieren von
den Unsrigen, wie die lange Reih arme reiche Sünder daherzog, einander
anstarrten, und Erd und Himmel! Umringt waren sie, ehe sie sich's
versahen, und alle mit Spießen niedergestochen.

Link. Daß ich nicht dabei war!

Metzler. Hab mein Tag so kein Gaudium gehabt.

Link. Fahrt zu! Heraus!

Bauer. Alles ist leer.

Link. So brennt an allen Ecken.

Metzler. Wird ein hübsch Feuerchen geben. Siehst du, wie die Kerls
übereinanderpurzelten und quiekten wie die Frösche! Es lief mir so
warm übers Herz wie ein Glas Branntwein! Da war ein Rixinger, wenn
der Kerl sonst auf die Jagd ritt, mit dem Federbusch und weiten
Naslöchern, und uns vor sich hertrieb mit den Hunden und wie die Hunde.
Ich hatt' ihn die Zeit nicht gesehen, sein Fratzengesicht fiel mir
recht auf. Hasch! den Spieß ihm zwischen die Rippen, da lag er,
streckt' alle vier über seine Gesellen. Wie die Hasen beim Treibjagen
zuckten die Kerls übereinander.

Link. Raucht schon brav.

Metzler. Dort hinten brennt's. Laß uns mit der Beute gelassen zu dem
großen Haufen ziehen.

Link. Wo hält er?

Metzler. Von Heilbronn hieher zu. Sie sind um einen Hauptmann
verlegen, vor dem alles Volk Respekt hätt'. Denn wir sind doch nur
ihresgleichen, das fühlen sie und werden schwürig.

Link. Wen meinen sie?

Metzler. Max Stumpf oder Götz von Berlichingen.

Link. Das wär gut, gäb auch der Sache einen Schein, wenn's der Götz
tät; er hat immer für einen rechtschaffnen Ritter gegolten. Auf! Auf!
wir ziehen nach Heilbronn zu! Ruft's herum.

Metzler. Das Feuer leucht uns noch eine gute Strecke. Hast du den
großen Kometen gesehen?

Link. Ja. Das ist ein grausam erschrecklich Zeichen! Wenn wir die
Nacht durch ziehen, können wir ihn recht sehen. Er geht gegen eins
auf.

Metzler. Und bleibt nur fünf Viertelstunden. Wie ein gebogner Arm
mit einem Schwert sieht er aus, so blutgelbrot.

Link. Hast du die drei Stern gesehen an des Schwerts Spitze und
Seite?

Metzler. Und der breite wolkenfärbige Streif, mit tausend und tausend
Striemen wie Spieß', und dazwischen wie kleine Schwerter.

Link. Mir hat's gegraust. Wie das alles so bleichrot, und darunter
viel feurige helle Flamme, und dazwischen die grausamen Gesichter mit
rauchen Häuptern und Bärten!

Metzler. Hast du die auch gesehen? Und das zwitzert alles so
durcheinander, als läg's in einem blutigen Meere, und arbeitet
durcheinander, daß einem die Sinne vergehn!

Link. Auf! Auf! (Ab.)

Feld

Man sieht in der Ferne zwei Dörfer brennen und ein Kloster.

Kohl. Wild. Max Stumpf. Haufen.

Max Stumpf. Ihr könnt nicht verlangen, daß ich euer Hauptmann sein
soll. Für mich und euch wär's nichts nütze. Ich bin Pfalzgräfischer
Diener; wie sollt ich gegen meinen Herrn führen? Ihr würdet immer
wähnen, ich rät nicht von Herzen.

Kohl. Wußten wohl, du würdest Entschuldigung finden.

(Götz, Lerse, Georg kommen.)

Götz. Was wollt ihr mit mir?

Kohl. Ihr sollt unser Hauptmann sein.

Götz. Soll ich mein ritterlich Wort dem Kaiser brechen und aus meinem
Bann gehen?

Wild. Das ist keine Entschuldigung.

Götz. Und wenn ich ganz frei wäre, und ihr wollt handeln wie bei
Weinsberg an den Edeln und Herrn, und so forthausen, wie rings herum
das Land brennt und blutet, und ich sollt euch behülflich sein zu
euerm schändlichen rasenden Wesen--eher sollt ihr mich totschlagen wie
einen wütigen Hund, als daß ich euer Haupt würde!

Kohl. Wäre das nicht geschehen, es geschähe vielleicht nimmermehr.

Stumpf. Das war eben das Unglück, daß sie keinen Führer hatten, den
sie geehrt, und der ihrer Wut Einhalt tun können. Nimm die
Hauptmannschaft an, ich bitte dich, Götz. Die Fürsten werden dir Dank
wissen, ganz Deutschland. Es wird zum Besten und Frommen aller sein.
Menschen und Länder werden geschont werden.

Götz. Warum übernimmst du's nicht?

Stumpf. Ich hab mich von ihnen losgesagt.

Kohl. Wir haben nicht Sattelhenkens Zeit, und langer unnötiger
Diskurse. Kurz und gut. Götz, sei unser Hauptmann, oder sieh zu
deinem Schloß und deiner Haut. Und hiermit zwei Stunden Bedenkzeit.
Bewacht ihn.

Götz. Was braucht's das! Ich bin so gut entschlossen--jetzt als
darnach. Warum seid ihr ausgezogen? Eure Rechte und Freiheiten
wiederzuerlangen? Was wütet ihr und verderbt das Land! Wollt ihr
abstehen von allen übeltaten und handeln als wackre Leute, die wissen,
was sie wollen, so will ich euch behülflich sein zu euern Forderungen
und auf acht Tag euer Hauptmann sein.

Wild. Was geschehen ist, ist in der ersten Hitz geschehen, und
braucht's deiner nicht, uns künftig zu hindern.

Kohl. Auf ein Vierteljahr wenigstens mußt du uns zusagen.

Stumpf. Macht vier Wochen, damit könnt ihr beide zufrieden sein.

Götz. Meinetwegen.

Kohl. Eure Hand!

Götz. Und gelobt mir, den Vertrag, den ihr mit mir gemacht,
schriftlich an alle Haufen zu senden, ihm bei Strafe streng
nachzukommen.

Wild. Nun ja! Soll geschehen.

Götz. So verbind ich mich euch auf vier Wochen.

Stumpf. Glück zu! Was du tust, schon unsern gnädigen Herrn den
Pfalzgrafen.

Kohl (leise). Bewacht ihn. Daß niemand mit ihm rede außer eurer
Gegenwart.

Götz. Lerse! Kehr zu meiner Frau. Steh ihr bei. Sie soll bald
Nachricht von mir haben.

(Götz, Stumpf, Georg, Lerse, einige Bauern ab.--Metzler, Link kommen.)

Metzler. Was hören wir von einem Vertrag? Was soll der Vertrag?

Link. Es ist schändlich, so einen Vertrag einzugehen.

Kohl. Wir wissen so gut, was wir wollen, als ihr, und haben zu tun
und zu lassen.

Wild. Das Rasen und Brennen und Morden mußte doch einmal aufhören,
heut oder morgen! so haben wir noch einen braven Hauptmann dazu
gewonnen.

Metzler. Was aufhören! Du Verräter! Warum sind wir da? Uns an
unsern Feinden zu rächen, uns emporzuhelfen!--Das hat euch ein
Fürstenknecht geraten.

Kohl. Komm, Wild, er ist wie ein Vieh. (Ab.)

Metzler. Geht nur! Wird euch kein Haufen zustehn. Die Schurken!
Link, wir wollen die andern aufhetzen, Miltenberg dort drüben anzünden,
und wenn's Händel setzt wegen des Vertrags, schlagen wir den
Verträgern zusammen die Köpf ab.

Link. Wir haben doch den großen Haufen auf unsrer Seite.

Berg und Tal. Eine Mühle in der Tiefe

Ein Trupp Reiter. Weislingen kommt aus der Mühle mit Franzen und
einem Boten.

Weislingen. Mein Pferd!--Ihr habt's den andern Herrn auch angesagt?

Bote. Wenigstens sieben Fähnlein werden mit Euch eintreffen, im Wald
hinter Miltenberg. Die Bauern ziehen unten herum. Überall sind Boten
ausgeschickt, der ganze Bund wird in kurzem zusammen sein. Fehlen
kann's nicht; man sagt, es sei Zwist unter ihnen.

Weislingen. Desto besser!--Franz!

Franz. Gnädiger Herr?

Weislingen. Richt es pünktlich aus. Ich bind es dir auf deine Seele.
Gib ihr den Brief. Sie soll vom Hof auf mein Schloß! Sogleich! Du
sollst sie abreisen sehn, und mir's dann melden.

Franz. Soll geschehen, wie Ihr befehlt.

Weislingen. Sag ihr, sie soll wollen. (Zum Boten.) Führt uns nun den
nächsten und besten Weg.

Bote. Wir müssen umziehen. Die Wasser sind von den entsetzlichen
Regen alle ausgetreten.

Jagsthausen

Elisabeth. Lerse.

Lerse. Tröstet Euch, gnädige Frau!

Elisabeth. Ach, Lerse, die Tränen stunden ihm in den Augen, wie er
Abschied von mir nahm. Es ist grausam, grausam!

Lerse. Er wird zurückkehren.

Elisabeth. Es ist nicht das. Wenn er auszog, rühmlichen Sieg zu
erwerben, da war mir's nicht weh ums Herz. Ich freute mich auf seine
Rückkunft, vor der mir jetzt bang ist.

Lerse. Ein so edler Mann-Elisabeth. Nenn ihn nicht so, das macht neu
Elend. Die Bösewichter! Sie drohten, ihn zu ermorden, und sein
Schloß anzuzünden.--Wenn er wiederkommen wird--ich seh ihn finster,
finster. Seine Feinde werden lügenhafte Klagartikel schmieden, und er
wird nicht sagen können: Nein!

Lerse. Er wird und kann.

Elisabeth. Er hat seinen Bann gebrochen. Sag Nein!

Lerse. Nein! Er ward gezwungen; wo ist der Grund, ihn zu verdammen?

Elisabeth. Die Bosheit sucht keine Gründe, nur Ursachen. Er hat sich
zu Rebellen, Missetätern, Mördern gesellt, ist an ihrer Spitze gezogen.
Sage Nein!

Lerse. Laßt ab, Euch zu quälen und mich. Haben sie ihm nicht
feierlich zugesagt, keine Tathandlungen mehr zu unternehmen, wie die
bei Weinsberg? Hört ich sie nicht selbst halbreuig sagen: Wenn's
nicht geschehen wär, geschäh's vielleicht nie? Müßten nicht Fürsten
und Herrn ihm Dank wissen, wenn er freiwillig Führer eines unbändigen
Volks geworden wäre, um ihrer Raserei Einhalt zu tun und so viel
Menschen und Besitztümer zu schonen?

Elisabeth. Du bist ein liebevoller Advokat.--Wenn sie ihn
gefangennähmen, als Rebell behandelten, und sein graues Haupt--Lerse,
ich möchte von Sinnen kommen.

Lerse. Sende ihrem Körper Schlaf, lieber Vater der Menschen, wenn du
ihrer Seele keinen Trost geben willst!

Elisabeth. Georg hat versprochen, Nachricht zu bringen. Er wird auch
nicht dürfen, wie er will. Sie sind ärger als gefangen. Ich weiß,
man bewacht sie wie Feinde. Der gute Georg! Er wollte nicht von
seinem Herrn weichen.

Lerse. Das Herz blutete mir, wie er mich von sich schickte. Wenn Ihr
nicht meiner Hülfe bedürftet, alle Gefahren des schmählichsten Todes
sollten mich nicht von ihm getrennt haben.

Elisabeth. Ich weiß nicht, wo Sickingen ist. Wenn ich nur Marien
einen Boten schicken könnte.

Lerse. Schreibt nur, ich will dafür sorgen. (Ab.)

Bei einem Dorf

Götz. Georg.

Götz. Geschwind zu Pferde, Georg! Ich sehe Miltenberg brennen.
Halten sie so den Vertrag? Reit hin, sag ihnen die Meinung. Die
Mordbrenner! Ich sage mich von ihnen los. Sie sollen einen Zigeuner
zum Hauptmann machen, nicht mich. Geschwind, Georg. (Georg ab.)
Wollt, ich wäre tausend Meilen davon, und läg im tiefsten Turn, der in
der Türkei steht. Könnt ich mit Ehren von ihnen kommen! Ich fahr
ihnen alle Tag durch den Sinn, sag ihnen die bittersten Wahrheiten,
daß sie mein müde werden und mich erlassen sollen.

(Ein Unbekannter.)

Unbekannter. Gott grüß Euch, sehr edler Herr.

Götz. Gott dank Euch. Was bringt Ihr? Euern Namen?

Unbekannter. Der tut nichts zur Sache. Ich komme, Euch zu sagen, daß
Euer Kopf in Gefahr ist. Die Anführer sind müde, sich von Euch so
harte Worte geben zu lassen, haben beschlossen, Euch aus dem Weg zu
räumen. Mäßigt Euch oder seht zu entwischen, und Gott geleit Euch.
(Ab.)

Götz. Auf diese Art dein Leben zu lassen, Götz, und so zu enden! Es
sei drum! So ist mein Tod der Welt das sicherste Zeichen, daß ich
nichts Gemeines mit den Hunden gehabt habe.

(Einige Bauern.)

Erster Bauer. Herr, Herr! Sie sind geschlagen, sie sind gefangen.

Götz. Wer?

Zweiter Bauer. Die Miltenberg verbrannt haben. Es zog sich ein
Bündischer Trupp hinter dem Berg hervor und überfiel sie auf einmal.

Götz. Sie erwartet ihr Lohn.--O Georg! Georg!--Sie haben ihn mit den
Bösewichtern gefangen--Mein Georg! Mein Georg!-(Anführer kommen.)

Link. Auf, Herr Hauptmann, auf! Es ist nicht Säumens Zeit. Der
Feind ist in der Nähe und mächtig.

Götz. Wer verbrannte Miltenberg?

Metzler. Wenn Ihr Umstände machen wollt, so wird man Euch weisen, wie
man keine macht.

Kohl. Sorgt für unsere Haut und Eure. Auf! Auf!

Götz (zu Metzler). Drohst du mir! Du Nichtswürdiger! Glaubst du,
daß du mir fürchterlicher bist, weil des Grafen von Helfenstein Blut
an deinen Kleidern klebt?

Metzler. Berlichingen!

Götz. Du darfst meinen Namen nennen, und meine Kinder werden sich
dessen nicht schämen.

Metzler. Mit dir feigem Kerl! Fürstendiener!

Götz (haut ihn über den Kopf, daß er stürzt. Die andern treten
dazwischen).

Kohl. Ihr seid rasend. Der Feind bricht auf allen Seiten 'rein, und
ihr hadert!

Link. Auf! Auf!

(Tumult und Schlacht.--Weislingen. Reiter.)

Weislingen. Nach! Nach! Sie fliehen. Laßt euch Regen und Nacht
nicht abhalten. Götz ist unter ihnen, hör ich. Wendet Fleiß an, daß
ihr ihn erwischt. Er ist schwer verwundet, sagen die Unsrigen. (Die
Reiter ab.) Und wenn ich dich habe!--Es ist noch Gnade, wenn wir
heimlich im Gefängnis dein Todesurteil vollstrecken.--So verlischt er
vor dem Andenken der Menschen, und du kannst freier atmen, törichtes
Herz. (Ab.)

Nacht, im wilden Wald. Zigeunerlager

Zigeunermutter am Feuer.

Mutter. Flick das Strohdach über der Grube, Tochter, gibt hint nacht
noch Regen genug.

(Knab kommt.)

Knab. Ein Hamster, Mutter. Da! Zwei Feldmäus.

Mutter. Will sie dir abziehen und braten, und sollst eine Kapp haben
von den Fellchen.--Du blutst?

Knab. Hamster hat mich bissen.

Mutter. Hol mir dürr Holz, daß das Feuer loh brennt wenn dein Vater
kommt, wird naß sein durch und durch.

(Andre Zigeunerin, ein Kind auf dem Rücken.)

Erste Zigeunerin. Hast du brav geheischen?

Zweite Zigeunerin. Wenig genug. Das Land ist voll Tumult herum, daß
man seins Lebens nicht sicher ist. Brennen zwei Dörfer lichterloh.

Erste Zigeunerin. Ist das dort drunten Brand, der Schein? Seh ihm
schon lang zu. Man ist die Feuerzeichen am Himmel zeither so gewohnt
worden.

(Zigeunerhauptmann, drei Gesellen kommen.)

Hauptmann. Hört ihr den wilden Jäger?

Erster Zigeuner. Er zieht grad über uns hin.

Hauptmann. Wie die Hunde bellen! Wau! Wau!

Zweiter Zigeuner. Die Peitschen knallen.

Dritter Zigeuner. Die Jäger jauchzen holla ho!

Mutter. Bringt ja des Teufels sein Gepäck!

Hauptmann. Haben im Trüben gefischt. Die Bauern rauben selbst, ist's
uns wohl vergönnt.

Zweite Zigeunerin. Was hast du, Wolf?

Wolf. Einen Hasen, da, und einen Hahn; ein Bratspieß; ein Bündel
Leinwand; drei Kochlöffel und ein Pferdzaum.

Sticks. Ein wullen Deck hab ich, ein Paar Stiefeln, und Zunder und
Schwefel.

Mutter. Ist alles pudelnaß, wollen's trocknen, gebt her.

Hauptmann. Horch, ein Pferd! Geht! Seht, was ist. (Götz zu Pferd.)

Götz. Gott sei Dank! Dort seh ich Feuer, sind Zigeuner. Meine
Wunden verbluten, die Feinde hinterher. Heiliger Gott, du endigst
gräßlich mit mir!

Hauptmann. Ist's Friede daß du kommst?

Götz. Ich flehe Hülfe von euch. Meine Wunden ermatten mich. Helft
mir vom Pferd!

Hauptmann. Helf ihm! Ein edler Mann, an Gestalt und Wort.

Wolf (leise). Es ist Götz von Berlichingen.

Hauptmann. Seid willkommen! Alles ist Euer, was wir haben.

Götz. Dank Euch.

Hauptmann. Kommt in mein Zelt.




V. Akt, Szene 2



Hauptmanns Zelt

Hauptmann. Götz.

Hauptmann. Ruft der Mutter, sie soll Blutwurzel bringen und Pflaster.

Götz (legt den Harnisch ab).

Hauptmann. Hier ist mein Feiertagswams.

Götz. Gott lohn's.

(Mutter verbindt ihn.)

Hauptmann. Ist mir herzlich lieb, Euch zu haben.

Götz. Kennt Ihr mich?

Hauptmann. Wer sollte Euch nicht kennen! Götz, unser Leben und Blut
lassen wir für Euch.

(Schricks.)

Schricks. Kommen durch den Wald Reiter. Sind Bündische.

Hauptmann. Eure Verfolger! Sie sollen nit bis zu Euch kommen! Auf,
Schricks! Biete den andern! Wir kennen die Schliche besser als sie,
wir schießen sie nieder, eh sie uns gewahr werden.

Götz (allein). O Kaiser! Kaiser! Räuber beschützen deine Kinder.
(Man hört scharf schießen.) Die wilden Kerls, starr und treu!

(Zigeunerin.)

Zigeunerin. Rettet Euch! Die Feinde überwältigen.

Götz. Wo ist mein Pferd?

Zigeunerin. Hierbei.

Götz (gürtet sich und sitzt auf ohne Harnisch). Zum letztenmal sollen
sie meinen Arm fühlen. Ich bin so schwach noch nicht. (Ab.)

Zigeunerin. Er sprengt zu den Unsrigen.

(Flucht.)

Wolf. Fort, fort! Alles verloren. Unser Hauptmann erschossen. Götz
gefangen.

(Geheul der Weiber und Flucht.)

Adelheidens Schlafzimmer

Adelheid mit einem Brief.

Adelheid. Er, oder ich! Der übermütige! Mir drohen!--Wir wollen dir
zuvorkommen. Was schleicht durch den Saal? (Es klopft.) Wer ist
draußen?

(Franz leise.)

Franz. Macht mir auf, gnädige Frau.

Adelheid. Franz! Er verdient wohl, daß ich ihm aufmache. (Läßt ihn
ein.)

Franz (fällt ihr um den Hals). Liebe gnädige Frau.

Adelheid. Unverschämter! Wenn dich jemand gehört hätte.

Franz. O es schläft alles, alles!

Adelheid. Was willst du?

Franz. Mich läßt's nicht ruhen. Die Drohungen meines Herrn, Euer
Schicksal, mein Herz.

Adelheid. Er war sehr zornig, als du Abschied nahmst?

Franz. Als ich ihn nie gesehen. Auf ihre Güter soll sie, sagt' er,
sie soll wollen.

Adelheid. Und wir folgen?

Franz. Ich weiß nichts, gnädige Frau.

Adelheid. Betrogener törichter Junge, du siehst nicht, wo das hinaus
will. Hier weiß er mich in Sicherheit. Denn lange steht's ihm schon
nach meiner Freiheit. Er will mich auf seine Güter. Dort hat er
Gewalt, mich zu behandeln, wie sein Haß ihm eingibt.

Franz. Er soll nicht!

Adelheid. Wirst du ihn hindern?

Franz. Er soll nicht!

Adelheid. Ich seh mein ganzes Elend voraus. Von seinem Schloß wird
er mich mit Gewalt reißen, wird mich in ein Kloster sperren.

Franz. Hölle und Tod!

Adelheid. Wirst du mich retten?

Franz. Eh alles! alles!

Adelheid (die weinend ihn umhalst). Franz, ach uns zu retten!

Franz. Er soll nieder, ich will ihm den Fuß auf den Nacken setzen.

Adelheid. Keine Wut! Du sollst einen Brief an ihn haben, voll Demut,
daß ich gehorche. Und dieses Fläschchen gieß ihm unter das Getränk.

Franz. Gebt. Ihr sollt frei sein!

Adelheid. Frei! Wenn du nicht mehr zitternd auf deinen Zehen zu mir
schleichen wirst--nicht mehr ich ängstlich zu dir sage: "Brich auf,
Franz, der Morgen kommt."

Heilbronn, vorm Turn

Elisabeth. Lerse.

Lerse. Gott nehm das Elend von Euch, gnädige Frau. Marie ist hier.

Elisabeth. Gott sei Dank! Lerse, wir sind in entsetzliches Elend
versunken. Da ist's nun, wie mir alles ahnete! Gefangen, als Meuter,
Missetäter in den tiefsten Turn geworfen

Lerse. Ich weiß alles.

Elisabeth. Nichts, nichts weißt du, der Jammer ist zu groß! Sein
Alter, seine Wunden, ein schleichend Fieber und, mehr als alles das,
die Finsternis seiner Seele, daß es so mit ihm enden soll.

Lerse. Auch, und daß der Weislingen Kommissar ist.

Elisabeth. Weislingen?

Lerse. Man hat mit unerhörten Exekutionen verfahren. Metzler ist
lebendig verbrannt, zu Hunderten gerädert, gespießt, geköpft,
geviertelt. Das Land umher gleicht einer Metzge, wo Menschenfleisch
wohlfeil ist.

Elisabeth. Weislingen Kommissar! O Gott! Ein Strahl von Hoffnung.
Marie soll mir zu ihm, er kann ihr nichts abschlagen. Er hatte immer
ein weiches Herz, und wenn er sie sehen wird, die er so liebte, die so
elend durch ihn ist--Wo ist sie?

Lerse. Noch im Wirtshaus.

Elisabeth. Führe mich zu ihr. Sie muß gleich fort. Ich fürchte
alles.

Weislingens Schloß

Weislingen.

Weislingen. Ich bin so krank, so schwach. Alle meine Gebeine sind
hohl. Ein elendes Fieber hat das Mark ausgefressen. Keine Ruh und
Rast, weder Tag noch Nacht. Im halben Schlummer giftige Träume. Die
vorige Nacht begegnete ich Götzen im Wald. Er zog sein Schwert und
forderte mich heraus. Ich faßte nach meinem, die Hand versagte mir.
Da stieß er's in die Scheide, sah mich verächtlich an und ging hinter
mich.--Er ist gefangen, und ich zittre vor ihm. Elender Mensch! Dein
Wort hat ihn zum Tode verurteilt, und du bebst vor seiner Traumgestalt
wie ein Missetäter!--Und soll er sterben?--Götz! Götz!--Wir Menschen
führen uns nicht selbst; bösen Geistern ist Macht über uns gelassen,
daß sie ihren höllischen Mutwillen an unserm Verderben üben. (Setzt
sich.)--Matt! Matt! Wie sind meine Nägel so blau!--Ein kalter,
kalter, verzehrender Schweiß lähmt mir jedes Glied. Es dreht mir
alles vorm Gesicht. Könnt ich schlafen. Ach-(Maria tritt auf.)

Weislingen. Jesus Marie!--Laß mir Ruh! Laß mir Ruh!--Die Gestalt
fehlte noch! Sie stirbt, Marie stirbt, und zeigt sich mir an.--Verlaß
mich, seliger Geist, ich bin elend genug.

Maria. Weislingen, ich bin kein Geist. Ich bin Marie.

Weislingen. Das ist ihre Stimme.

Maria. Ich komme, meines Bruders Leben von dir zu erflehen. Er ist
unschuldig, so strafbar er scheint.

Weisling. Still, Marie! Du Engel des Himmels bringst die Qualen der
Hölle mit dir. Rede nicht fort.

Maria. Und mein Bruder soll sterben? Weislingen, es ist entsetzlich,
daß ich dir zu sagen brauche: er ist unschuldig; daß ich jammern muß,
dich von dem abscheulichsten Morde zurückzuhalten. Deine Seele ist
bis in ihre innersten Tiefen von feindseligen Mächten besessen. Das
ist Adelbert!

Weislingen. Du siehst, der verzehrende Atem des Todes hat mich
angehaucht, meine Kraft sinkt nach dem Grabe. Ich stürbe als ein
Elender, und du kommst, mich in Verzweiflung zu stürzen. Wenn ich
reden könnte, dein höchster Haß würde in Mitleid und Jammer
zerschmelzen. O Marie! Marie!

Maria. Weislingen, mein Bruder verkranket im Gefängnis. Seine
schweren Wunden, sein Alter. Und wenn du fähig wärst, sein graues
Haupt--Weislingen, wir würden verzweifeln.

Weislingen. Genug. (Zieht die Schelle.)

(Franz in äußerster Bewegung.)

Franz. Gnädiger Herr.

Weislingen. Die Papiere dort, Franz!

Franz (bringt sie).

Weislingen (reißt ein Paket auf und zeigt Marien ein Papier). Hier
ist deines Bruders Todesurteil unterschrieben.

Maria. Gott im Himmel!

Weislingen. Und so zerreiß ich's! Er lebt. Aber kann ich wieder
schaffen, was ich zerstört habe? Weine nicht so, Franz! Guter Junge,
dir geht mein Elend tief zu Herzen.

Franz (wirft sich vor ihm nieder und faßt seine Knie).

Maria (vor sich). Er ist sehr krank. Sein Anblick zerreißt mir das
Herz. Wie liebt ich ihn! und nun ich ihm nahe, fühl ich, wie lebhaft.

Weislingen. Franz, steh auf und laß das Weinen! Ich kann wieder
aufkommen. Hoffnung ist bei den Lebenden.

Franz. Ihr werdet nicht. Ihr müßt sterben.

Weislingen. Ich muß?

Franz (außer sich). Gift! Gift! Von Euerm Weibe!--Ich! Ich!
(Rennt davon.)

Weislingen. Marie, geh ihm nach. Er verzweifelt. (Maria ab.) Gift
von meinem Weibe! Weh! Weh! Ich fühl's. Marter und Tod!

Maria (inwendig). Hülfe! Hülfe!

Weislingen (will aufstehn). Gott, vermag ich das nicht!

Maria (kommt). Er ist hin. Zum Saalfenster hinaus stürzt' er wütend
in den Main hinunter.

Weislingen. Ihm ist wohl.--Dein Bruder ist außer Gefahr. Die übrigen
Kommissarien, Seckendorf besonders, sind seine Freunde. Ritterlich
Gefängnis werden sie ihm auf sein Wort gleich gewähren. Leb wohl,
Maria, und geh.

Maria. Ich will bei dir bleiben, armer Verlaßner.

Weislingen. Wohl verlassen und arm! Du bist ein furchtbarer Rächer,
Gott!--Mein Weib-Maria. Entschlage dich dieser Gedanken. Kehre dein
Herz zu dem Barmherzigen.

Weislingen. Geh, liebe Seele, überlaß mich meinem Elend.--Entsetzlich!
Auch deine Gegenwart, Marie, der letzte Trost, ist Qual.

Maria (vor sich). Stärke mich, o Gott! Meine Seele erliegt mit der
seinigen.

Weislingen. Weh! Weh! Gift von meinem Weibe!--Mein Franz verführt
durch die Abscheuliche! Wie sie wartet, horcht auf den Boten, der ihr
die Nachricht bringe: er ist tot. Und du, Marie! Marie, warum bist
du gekommen, daß du jede schlafende Erinnerung meiner Sünden wecktest!
Verlaß mich! Verlaß mich, daß ich sterbe.

Maria. Laß mich bleiben. Du bist allein. Denk, ich sei deine
Wärterin. Vergiß alles. Vergesse dir Gott so alles, wie ich dir
alles vergesse.

Weislingen. Du Seele voll Liebe, bete für mich, bete für mich! Mein
Herz ist verschlossen.

Maria. Er wird sich deiner erbarmen.--Du bist matt.

Weislingen. Ich sterbe, sterbe und kann nicht ersterben. Und in dem
fürchterlichen Streit des Lebens und Todes sind die Qualen der Hölle.

Maria. Erbarmer, erbarme dich seiner! Nur einen Blick deiner Liebe
an sein Herz, daß es sich zum Trost öffne, und sein Geist Hoffnung,
Lebenshoffnung in den Tod hinüberbringe!

In einem finstern engen Gewölbe

Die Richter des heimlichen Gerichts. Alle vermummt.

ältester. Richter des heimlichen Gerichts, schwurt auf Strang und
Schwert, unsträflich zu sein, zu richten im Verborgnen, zu strafen im
Verborgnen Gott gleich! Sind eure Herzen rein und eure Hände, hebt
die Arme empor, ruft über die Missetäter: "Wehe! Wehe!"

Alle. Wehe! Wehe!

ältester. Rufer, beginne das Gericht!

Rufer. Ich, Rufer, rufe die Klag gegen den Missetäter. Des Herz rein
ist, dessen Händ rein sind zu schwören auf Strang und Schwert, der
klage bei Strang und Schwert! klage! klage!

Kläger (tritt vor). Mein Herz ist rein von Missetat, meine Hände von
unschuldigem Blut. Verzeih mir Gott böse Gedanken und hemme den Weg
zum Willen! Ich hebe meine Hand auf und klage! klage! klage!

ältester. Wen klagst du an?

Kläger. Klage an auf Strang und Schwert Adelheiden von Weislingen.
Sie hat Ehebruchs sich schuldig gemacht, ihren Mann vergiftet durch
ihren Knaben. Der Knab hat sich selbst gerichtet, der Mann ist tot.

ältester. Schwörst du zu dem Gott der Wahrheit, daß du Wahrheit
klagst?

Kläger. Ich schwöre.

ältester. Würd es falsch befunden, beutst du deinen Hals der Strafe
des Mords und des Ehebruchs?

Kläger. Ich biete.

ältester. Eure Stimmen.

(Sie reden heimlich zu ihm.)

Kläger. Richter des heimlichen Gerichts, was ist euer Urteil über
Adelheiden von Weislingen, bezüchtigt des Ehebruchs und Mords?

ältester. Sterben soll sie! sterben des bittern doppelten Todes; mit
Strang und Dolch büßen doppelt doppelte Missetat. Streckt eure Hände
empor, und rufet Weh über sie! Weh! Weh! In die Hände des Rächers.

Alle. Weh! Weh! Weh!

ältester. Rächer! Rächer, tritt auf.

Rächer (tritt vor).

ältester. Faß hier Strang und Schwert, sie zu tilgen von dem
Angesicht des Himmels, binnen acht Tage Zeit. Wo du sie findest,
nieder mit ihr in Staub!--Richter, die ihr richtet im Verborgenen und
strafet im Verborgenen Gott gleich, bewahrt euer Herz vor Missetat und
eure Hände vor unschuldigem Blut.

Hof einer Herberge

Maria. Lerse.

Maria. Die Pferde haben genug gerastet. Wir wollen fort, Lerse.

Lerse. Ruht doch bis an Morgen. Die Nacht ist gar zu unfreundlich.

Maria. Lerse, ich habe keine Ruhe, bis ich meinen Bruder gesehen habe.
Laß uns fort. Das Wetter hellt sich aus, wir haben einen schönen
Tag zu gewarten.

Lerse. Wie Ihr befehlt.

Heilbronn, im Turn

Götz. Elisabeth.

Elisabeth. Ich bitte dich, lieber Mann, rede mit mir. Dein
Stillschweigen ängstet mich. Du verglühst in dir selbst. Komm, laß
uns nach deinen Wunden sehen; sie bessern sich um vieles. In der
mutlosen Finsternis erkenn ich dich nicht mehr.

Götz. Suchtest du den Götz? Der ist lang hin. Sie haben mich nach
und nach verstümmelt, meine Hand, meine Freiheit, Güter und guten
Namen. Mein Kopf, was ist an dem?--Was hört Ihr von Georgen? Ist
Lerse nach Georgen?

Elisabeth. Ja, Lieber! Richtet Euch auf, es kann sich vieles wenden.

Götz. Wen Gott niederschlägt, der richtet sich selbst nicht auf. Ich
weiß am besten, was auf meinen Schultern liegt. Unglück bin ich
gewohnt zu dulden. Und jetzt ist's nicht Weislingen allein, nicht die
Bauern allein, nicht der Tod des Kaisers und meine Wunden--Es ist
alles zusammen. Meine Stunde ist kommen. Ich hoffte, sie sollte sein
wie mein Leben. Sein Wille geschehe.

Elisabeth. Willt du nicht was essen?

Götz. Nichts, meine Frau. Sieh, wie die Sonne draußen scheint.

Elisabeth. Ein schöner Frühlingstag.

Götz. Meine Liebe, wenn du den Wächter bereden könntest, mich in sein
klein Gärtchen zu lassen auf eine halbe Stunde, daß ich der lieben
Sonne genösse, des heitern Himmels und der reinen Luft.

Elisabeth. Gleich! und er wird's wohl tun.

Gärtchen am Turn

Maria. Lerse.

Maria. Geh hinein und sieh, wie's steht.

(Lerse ab.--Elisabeth. Wächter.)

Elisabeth. Gott vergelt Euch die Lieb und Treu an meinem Herrn.
(Wächter ab.) Maria, was bringst du?

Maria. Meines Bruders Sicherheit. Ach, aber mein Herz ist zerrissen.
Weislingen ist tot, vergiftet von seinem Weibe. Mein Mann ist in
Gefahr. Die Fürsten werden ihm zu mächtig, man sagt, er sei
eingeschlossen und belagert.

Elisabeth. Glaubt dem Gerüchte nicht. Und laßt Götzen nichts merken.

Maria. Wie steht's um ihn?

Elisabeth. Ich fürchtete, er würde deine Rückkunft nicht erleben.
Die Hand des Herrn liegt schwer auf ihm. Und Georg ist tot.

Maria. Georg! der goldne Junge!

Elisabeth. Als die Nichtswürdigen Miltenberg verbrannten, sandte ihn
sein Herr, ihnen Einhalt zu tun. Da fiel ein Trupp Bündischer auf sie
los.--Georg! hätten sie sich alle gehalten wie er, sie hätten alle das
gute Gewissen haben müssen. Viel wurden erstochen, und Georg mit: er
starb einen Reiterstod.

Maria. Weiß es Götz?

Elisabeth. Wir verbergen's vor ihm. Er fragt mich zehnmal des Tags,
und schickt mich zehnmal des Tags zu forschen, was Georg macht. Ich
fürchte seinem Herzen diesen letzten Stoß zu geben.

Maria. O Gott, was sind die Hoffnungen dieser Erden!

(Götz. Lerse. Wächter.)

Götz. Allmächtiger Gott! Wie wohl ist's einem unter deinem Himmel!
Wie frei!--Die Bäume treiben Knospen, und alle Welt hofft. Lebt wohl,
meine Lieben; meine Wurzeln sind abgehauen, meine Kraft sinkt nach dem
Grabe.

Elisabeth. Darf ich Lersen nach deinem Sohn ins Kloster schicken, daß
du ihn noch einmal siehst und segnest?

Götz. Laß ihn, er ist heiliger als ich, er braucht meinen Segen nicht.
--An unsrem Hochzeittag, Elisabeth, ahnte mir's nicht, daß ich so
sterben würde.--Mein alter Vater segnete uns, und eine
Nachkommenschaft von edeln tapfern Söhnen quoll aus seinem Gebet.--Du
hast ihn nicht erhört, und ich bin der Letzte.--Lerse, dein Angesicht
freut mich in der Stunde des Todes mehr als im mutigsten Gefecht.
Damals führte mein Geist den eurigen; jetzt hältst du mich aufrecht.
Ach daß ich Georgen noch einmal sähe, mich an seinem Blick wärmte!
--Ihr seht zur Erden und weint--Er ist tot--Georg ist tot.--Stirb,
Götz--Du hast dich selbst überlebt, die Edeln überlebt.--Wie starb
er?--Ach fingen sie ihn unter den Mordbrennern, und er ist
hingerichtet?

Elisabeth. Nein, er wurde bei Miltenberg erstochen. Er wehrte sich
wie ein Löw um seine Freiheit.

Götz. Gott sei Dank!--Er war der beste Junge unter der Sonne und
tapfer.--Löse meine Seele nun!--Arme Frau! Ich lasse dich in einer
verderbten Welt. Lerse, verlaß sie nicht.--Schließt eure Herzen
sorgfältiger als eure Tore. Es kommen die Zeiten des Betrugs, es ist
ihm Freiheit gegeben. Die Nichtswürdigen werden regieren mit List,
und der Edle wird in ihre Netze fallen. Maria, gebe dir Gott deinen
Mann wieder. Möge er nicht so tief fallen, als er hoch gestiegen ist!
Selbitz starb, und der gute Kaiser, und mein Georg.--Gebt mir einen
Trunk Wasser.--Himmlische Luft--Freiheit! Freiheit! (Er stirbt.)

Elisabeth. Nur droben, droben bei dir. Die Welt ist ein Gefängnis.

Maria. Edler Mann! Edler Mann! Wehe dem Jahrhundert, das dich von
sich stieß!

Lerse. Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt!







 


Back to Full Books