Gyges und sein Ring
by
Friedrich Hebbel

Part 2 out of 2



Rhodope. So scheint's!--
Und doch vernahm
Ich mancherlei Geräusch, das nicht von dir
Und auch von mir nicht kam.

Kandaules.
Die Nacht ist reich
An Schällen und an seltsam fremden Klängen,
Und wer nicht schläft, hört viel.

Rhodope.
Es rasselte.

Kandaules.
Ein Mauerwurm!

Rhodope. Es klang, als
ob ein Schwert
An etwas streifte.

Kandaules. Mag's! Wo wär' der
Ton,
Den die Natur in wunderlicher Laune
Nicht irgendeinem possenhaften Tier
Als Stimme einverleibte? Reiß einmal
Dein Kleid entzwei und merke dir den Laut,
Ich schaff dir ein Insekt, das ganz so schnarrt.

Rhodope.
Auch seufzen hörte ich.

Kandaules.
Und seufzen Mörder?

Rhodope.
Nein, nein! Das ist's!

Kandaules.
Der kühle Nachtwind war's,
Er wollte dir um Mund und Wangen spielen
Und seufzte, als er nur auf Mauern stieß.
Ei, gibt's doch Bäume, die, wie jener Stein
Das Licht des Tages trinkt, um es im Dunkeln
Zurückzugeben, Klang und Schall verschlucken,
Die singen, plappern, ächzen dann bei Nacht!

Rhodope.
So nimmst du es? Noch mehr! Mir fehlt ein Schmuck

Kandaules.
Ein Edelstein vielleicht? Ein Diamant?
Der da?

Rhodope. Du hast ihn? Du?


Wer sonst? Du siehst!

Rhodope.
Dank, ew'gen Dank, Ihr Götter, und vergebt
Den Zweifel eines Herzens, das sich schuldlos
Zertreten wähnte! Oh, Ihr seid uns nah,
Wie Licht und Luft!

Kandaules. Erinnyen,
hinab!--
Da!

Rhodope. In den Tempelschatz mit ihm! Ich bin
Den Gnädigen ein reiches Opfer schuldig,
Vor allem ihr, der Allverknüpferin!
Aus gold'nen Körben sollen ihre Tauben
Von heute an die weichsten Körner picken,
Aus Marmorbecken löschen ihren Durst!
Und du, Kandaules, du--

Kandaules.
Der Jüngling küßt,
Wenn er des Mädchens denkt, die eigne Hand,
Die sie ihm drückte, als sie von ihm schied,
Der Mann braucht etwas mehr.

Rhodope.
O Tag des Glücks!
Ist dir dein Weib so teuer? Nun, da bitt ich
Dir stilles Unrecht ab. Ich sorgte immer,
Es sei mehr Stolz auf den Besitz, als Liebe,
In der Empfindung, die dich an mich fesselt,
Und deine Neigung brauche schon den Neid
Der andern, um nicht völlig zu erlöschen!
Nun fürcht ich das nicht mehr.

Kandaules.
Und niemals sollst
Du's wieder fürchten! Weiß ich doch, was dir
Das Herz vergiftet hat. Du glaubtest dich
Verkürzt durch Gyges! Und es ist gewiß,
Daß ich gar manchen Tag mit ihm verbrachte,
Und fast ein Jäger ward, weil er es ist.
Zwar griff das nicht in deine Rechte ein,
Denn, was den Mann mit einem Mann verbindet,
Ist für das Weib nicht da, er braucht's bei ihr
Sowenig, wie den Schlachtmut, wenn er küßt.
Doch, muß ich deine Furcht auch töricht nennen:
Ich spar kein Mittel, um dich rasch zu heilen,
So höre denn: mein Günstling Gyges geht!

Rhodope.
Wie?

Kandaules. Heute noch!

Rhodope.
Unmöglich

Kandaules.
Wär' dir das
Jetzt nicht mehr recht? Du schienst es sonst zu wünschen!

Rhodope.
Oh, daß ich dies in meinem Freudenrausch
Vergessen konnte!

Kandaules. Was denn?

Rhodope.
Deine Hand!--
Der war's, der stand auf einmal mir vor Augen,
Als wär' sein feur'ger Umriß in der Luft
Zurückgeblieben! Oh, wie fürchterlich
Bestätigt sich's.--Gib her!--Er hat den Ring!

Kandaules,
Der ist mein Eigentum!

Rhodope.
Sprich, hast du ihn
Nicht wieder abgelegt, seit du ihn trägst?
Auch nicht verloren, oder sonst vermißt?

Kandaules.
Unglückliche, was quälst du dich mit Schatten!

Rhodope.
Er weicht mir aus!--Du schickst den Gyges fort?
Auf einmal fort, wie einen Missetäter?
Warum?

Kandaules. Das sagt' ich nicht. Er geht von selbst.

Rhodope.
Er geht von selbst? Was treibt ihn denn von hinnen?

Kandaules.
Ich weiß es nicht und hab ihn nicht gefragt.

Rhodope.
Du weißt es nicht? So will ich dir es sagen:
Er hat an dir gefrevelt, wie noch keiner,
Und du mußt strafen, wie du nie gestraft!

Kandaules.
Rhodope, welch ein Wort! Er ist gewiß
Der Edelste der Edlen.

Rhodope.
Ist er das,
Wie kannst du ihn so ruhig ziehen lassen?

Kandaules.
Weil auch der Beste wider seinen Willen
Statt Segens stillen Fluch verbreiten kann.

Rhodope.
Ist das sein Fall? Und hat er's selbst gefühlt?

Kandaules.
Und wenn auch nicht--Sein Sinn ist stolz, er strebt
Nach großen Dingen, und er darf es wagen.

Rhodope.
Meinst Du?

Kandaules. Kein Königsthron steht ihm zu hoch.
Und wenn er geht und mir den Grund verbirgt:
Gib acht, mit einer Krone kehrt er wieder
Und spricht dann lächelnd: diese trieb mich fort!

Rhodope.
Ja?

Kandaules. Teures Weib, dich hat die Nacht verstört,
Der Schreck--

Rhodope. Kann sein!

Kandaules.
Du hörtest allerlei--

Rhodope.
Was nicht zu hören war! Fast glaub ich's selbst,
Denn--nun besinn ich mich--ich sah auch falsch!
Du hast den Ring nicht wieder abgelegt,
Du hast ihn nicht verloren, noch vermißt,
Und mir kam's dennoch vor--ich spähte scharf,
Und Morgen war's, und alles andre sah ich--
Als fehlte er an deiner Hand. So zeugt
Denn Sinn hier gegen Sinn, das blinde Auge
Verbürgt das taube Ohr. Vergib mir nur,
Daß ich dich quälte, und vergönne mir
Ein wenig Einsamkeit, um mich zu fassen.

Kandaules (will reden).

Rhodope.
Jawohl! Jawohl! Vergib nur, Herr, und geh!

Kandaules (ab).

Rhodope.
Kein andrer ist's, als Gyges--das ist klar!
Er hat den Ring gehabt--das ist noch klarer!
Kandaules ahnt's, er muß--das ist am klarsten!
Und statt das Ungeheure ungeheuer
An ihm zu ahnden, läßt er ihn entfliehn.
So wird ein Rätsel durch ein andres Rätsel
Gelöst ' das mich von Sinnen bringen kann,
Wenn es mir dunkel bleibt! Ein Gatte sieht
Sein Weib entehrt--entehrt? Sprich gleich: getötet--
Getötet?--Mehr, verdammt, sich selbst zu töten,
Wenn nicht des Frevlers Blut zur Sühne fließt!
Der Gatte ist ein König, trägt das Schwert
Der Dike, braucht von der Erinnys nicht
Den Dolch zu borgen, hat die heil'ge Pflicht,
Den Greul zu strafen, wenn die Liebe ihn
Nicht antreibt, ihn zu rächen, muß den Göttern
Das Opfer bringen, wenn er's mir versagt!
Und dieser Gatte, dieser König zückt
Nicht Schwert, noch Dolch, er läßt den Frevler fliehn!
Doch das soll nicht gelingen! Mir auch fehlt's
Nicht an erprobten Dienern. Nicht als Sklavin,
Als Königstochter trat ich in dies Haus,
Und mein Geleite war ein königliches.
Die alten Vielgetreuen ruf ich auf,
Daß sie dem Fliehenden den Weg vertreten,
Dann sprech ich zu Kandaules: hier bin ich,
Dort ist der Günstling, wähle, dieser Dolch
Ist für mich selbst, wenn nicht dein Schwert für ihn!

Lesbia (tritt herein).
Vergibst du, Königin?

Rhodope.
Was denn, mein Kind?
Daß du zu mir zurückkehrst? Oh, vergib
Nur du, daß ich dich von mir lassen konnte,
Mir war--ich wußte selbst nicht, was ich tat.
Doch mein ich, daß der König zu mir sagte,
Du gingest gern, und ach, ich hatte ihm
In jener Nacht so viel schon weigern müssen,
Daß mir der Mut zum neuen Nein gebrach.

Lesbia.
So bin ich nicht mehr frei? So darf ich mich
Zu deinen Dienerinnen wieder zählen?

Rhodope.
O nein! Als Schwester komm an meine Brust.

Lesbia.
Was ist geschehn? Du bist bewegt, wie nie.

Rhodope.
Entsetzliches, das keinen Namen hat!
Denn, eh' ich's nennen kann, hat sich's verändert
Und ist noch grauenvoller, als es war.
Ja, Nachtgeburt, die mir entgegengrinst,
Mir deucht, dein erstes Antlitz könnt' ich küssen,
Nun dämmernd mir das zweite sich enthüllt.

Lesbia.
Kann ich was für dich tun?--Die Frage ist
Wohl töricht, nicht?

Rhodope.
Du kannst nicht töten, Mädchen,
Und wer nicht töten kann, der kann für mich
Auch nichts mehr tun.

Lesbia.
Gebieterin!

Rhodope.
So ist's!
Du starrst mich an, du kannst es gar nicht fassen,
Daß solch ein Wort aus meinem Munde kommt.
Ja, Lesbia, ich bin's! Rhodope ist's,
Die euch so oft gewarnt und abgehalten,
Dem Tode in sein traurig Amt zu greifen,
Und wenn es auch nur eine Spinne galt!
Ich hab es nicht vergessen, doch das war,
Als ich im frischen Morgentau mich wusch
Und in dem Strahl der Sonne trocknete:
Jetzt rufe ich nach Blut, jetzt ist von mir
Nur so viel übrig, als die Götter brauchen,
Um das zu rächen, was ich einmal war!

Lesbia.
Weiß dein Gemahl denn nichts? Am Rächer kann's
Der Königin von Lydien nicht fehlen.

Rhodope.
So scheint's! Und doch--Nun, wissen will ich's bald!
Geh, Lesbia, und ruf mir Karna her!

Lesbia.
Du meinst, ich soll ihm etwas von dir sagen.

Rhodope.
Das ist vorbei!--

Lesbia. Doch
deinen Schleier willst du!

Rhodope.
Nein! Nein!

Lesbia. Mich graust! Es ist das erste
Mal! (Ab.)

Rhodope.
Er kann den Freund nicht opfern, darum wird
Sein Weib verschont. Denn sonst ertrüg' er's nicht!

Lesbia (tritt mit Karna ein).

Rhodope.
Karna, du weißt, was du geschworen hast,
Als dir dein Herr, mein königlicher Vater,
Am goldnen Tor die Tochter übergab.
Saß ich auch hoch auf meinem Elefanten,
War ich auch tief verhüllt in meinen Schleier,
Doch hab ich wohl beachtet, was geschah,
Und nicht ein Wort vergessen, das du sprachst.

Karna.
Auch ich nicht, und ich hoff's dir darzutun!

Rhodope.
So such den Griechen Gyges auf und künd ihm,
Daß ich ihn sehen will.

Karna.
Du?

Rhodope.
Eile dich,
Damit er nicht entkommt, verfolge ihn,
Wenn er entfloh, und bringe ihn zurück,
Noch eh' es Nacht wird, muß er vor mir stehn.

Karna.
Ich liefre ihn, lebendig oder tot. (Ab.)

Lesbia.
Was hör ich? Gyges wär' es?

Rhodope.
Gyges ist's!

Lesbia.
Er hätte dich gekränkt?

Rhodope.
Er hat gefrevelt
Am Heiligsten, er hat den schwersten Fluch
Auf mich herabgezogen, jenen Fluch,
Den alle Götter wider Willen schleudern,
Weil er nur Menschen ohne Sünde trifft,
Er ist es, der mich töten lehrt!

Lesbia.
Er nicht
Ich schwöre dir's!

Rhodope. Wie
kannst du?

Lesbia.

Königin,
Auch ich erlebte etwas, und ich weiß,
Daß er die Seele eher lassen würde,
Als dich verletzen.

Rhodope. So.

Lesbia.
Ich habe dir
Ein Wort von ihm zu sagen! Oh, wie bitter
Hat mich dies Wort geschmerzt, als ich's vernahm,
Jetzt freut's mich fast. Ich soll dir von ihm melden
Er hätt' mich gar nicht angesehn!--Er liebt dich!
Nun frag dich, ob es möglich ist!

Rhodope.
Er liebt mich!
So ist's gewiß!

Lesbia. Wie?

Rhodope.
Törin, sage mir,
Kann man das lieben, was man niemals sah?
Und wenn mich Gyges sah: wann sah er mich?

Lesbia (legt sich die Hand vor die Augen).

Rhodope.
Nun sprich als Mädchen, ob er sterben muß!





Vierter Akt



Gemach der Königin.

Rhodope.
Oh, einen Augenblick Vergessenheit!
Wozu das Rätsel ewig wiederholen?
Es wird ja bald gelöst.--Ich sollt' es machen,
Wie meine Mädchen, die zum Zeitvertreib
Auf alle Töne horchen und sich streiten,
Von welchem Vogel jeder kommt, und ob
Der rot ist oder grün.--Welch ein Geräusch!
Ist Karna da mit ihm? Still, alles still.
Es war wohl nichts.--Wie hab ich mich verändert!
Wann fragt' ich sonst den Schall nach dem Woher,
Mich schreckte nichts, mich schreckte nicht einmal
Des Feuers Glut, und wenn sie noch so rot
Am Himmel aufstieg und sich noch so drohend
Verbreitete: ich wußte, daß ein Kreis
Von treuen Wächtern, unsichtbar um mich
Herum gereiht, des Königs Lieblingstochter
Mit Blut und Leben schirmte. Jetzt--ein Schritt!
Sie sind's! Ja, Karna ist so klug, als tapfer;
Das hört' ich stets, und heute soll ich's sehn.
Noch nicht! Vielleicht auch gar nicht! Nein, Ihr Götter,
So grausam werdet Ihr nicht sein. Ich will
Ja nicht, daß Ihr die Hand mir reichen sollt,
Um mich am Rand des Abgrunds festzuhalten,
Ich will nur sehn, wer mich hinunterstößt.
Je mehr ich sinne, um so weniger
Begreif ich meinen Gatten. Hört' ich's doch
In frühster Jugend schon, daß die Befleckte
Nicht leben darf, und wenn mich das als Kind
Durchschauert hat, jetzt habe ich den Grund
Für dies Gesetz in meiner Brust gefunden:
Sie kann nicht leben, und sie will's auch nicht!
Gilt das für ihn allein nicht? Oder will er
Den Frevler heimlich opfern, weil er hofft,
Mir seine Missetat noch zu verbergen?
Habt Dank, Ihr Ewigen, auch das kann sein!
Und findet Karna den Entflohnen tot,
Den kalten Dolch in seiner heißen Brust,
So weiß ich, wessen Hand ihn niederstreckte,
Und frage niemals mehr, wo Gyges blieb!

Lesbia (tritt ein).
Oh, Königin, er kommt!

Rhodope.
Ich harre schon!

Lesbia.
Und hinter ihm schiebt, wie ein Eisen-Riegel,
Sich eine Schar Bewaffneter zusammen.

Rhodope.
Ich glaub's, daß Karna sein Geschäft versteht.

Lesbia.
Muß es denn sein?

Rhodope. Er oder
ich! Vielleicht
Wir alle beide!

Lesbia. Oh, du machst
mich stumm!

Rhodope.
Sag Karna, daß er jetzt zum König sende,
Ich laß ihn bitten auf ein einzig Wort.

Lesbia (ab).

Rhodope.
Nun, Ihr dort unten, die Ihr keinen Frevel
Verhindert, aber einen jeden rächt,
Herauf, herauf, und hütet diese Schwelle,
Ein blutig Opfer ist Euch hier gewiß.

Gyges (der währenddem eingetreten ist).
Du hast mich rufen lassen, Königin!

Rhodope.
Du weißt warum!--Du weißt es, denn du zitterst,
Kannst du es leugnen? Deine Farbe wechselt,
Und hörbar klopft das Herz in deiner Brust.

Gyges.
Hat nicht dein Gatte auch vor dir gezittert,
Hat er die Farbe nicht, wie ich, gewechselt,
Und hat sein Herz nicht ganz, wie meins, geklopft?
Erinnre dich der Stunde, wo er dir
Zum ersten Mal ins Antlitz schauen durfte,
Und frag dich, ob er mir nicht völlig glich.

Rhodope.
Dir?!

Gyges. Königin, gewiß. Ihm schwindelte,
Er stand geblendet da, und als ihm die
Besinnung wiederkehrte, riß er stumm
Die Krone sich vom Haupt, wie einen Kranz,
Der plötzlich welk geworden ist im Haar,
Und warf sie mit Verachtung hinter sich.

Rhodope.
Er! ha!

Gyges. Du lächeltest ihn freundlich an,
Als du es sahst, da kam ihm so viel Mut,
Sich dir um einen halben Schritt zu nähern.
Doch seine Kniee wankten unter ihm,
Sie wollten einen edlern Dienst verrichten,
Und eh' du's ahntest, lag er so vor dir!

(Er kniet währenddem nieder.),

Rhodope.
Du wagst?

Gyges. Was denn? Es war ja so. Du
strecktest
Ihm unwillkürlich, halb um ihm zu wehren,
Halb auch vielleicht, um ihn emporzuziehn,
Die Hand entgegen, die er scheu und schüchtern
Ergriff, und die sich doch zur Fingerspitze
Verkürzte, ehe er sie noch berührt.
Tatst du das nicht? Oh, sprich!

Rhodope.
Auf! Auf mit dir!

Gyges (sich wieder erhebend).
Ihn aber traf es, wie ein Wetterschlag.
Ihm war zumut, als hätt' er sich bisher,
Wie ein ereb'scher Schatten, kalt und nüchtern,
Nur unter die Lebendigen verirrt
Und jetzt erst Blut bekommen, wie sie selbst;
Als hätte er ihr Lachen und ihr Weinen,
Ihr Jubeln, Seufzen, ja ihr Atemholen,
Nur nachgeäfft und nie geahnt, warum
Die Menschenbrust sich ewig hebt und senkt.
Da brannt' er vor, Verlangen, auch zu leben,
Und sog dein süßes Bild mit Augen ein,
Die, sonst gleichgültig alle Dinge spiegelnd
Und wieder wechselnd, wie ein stilles Wasser,
Der Wimper jetzt ihr Zucken kaum verziehn.
So glomm er, deine Schönheit in sich trinkend,
Allmählich vor dir auf in düstrem Feuer,
Wie deine weiße Hand, wenn du sie abends
Vor eine Flamme hältst, du aber fuhrst
Vor deinem roten Widerschein zurück.

Rhodope.
Nicht weiter!

Gyges. Oh, nicht weiter!
Weiß ich mehr?
Was er empfand, das kann ich nachempfinden
Und ganz so voll und glühend, wie er selbst.
Doch, wie er warb, und wie er dich gewann,
Ist sein Geheimnis; einer nur kann's haben,
Und dieser Einzige ist er, nicht ich.
Nun weißt du denn, warum ich zitterte:
Ein Wonneschauer war's, der mich ergriff,
Ein heil'ges Grausen, das mich schüttelte,
Als ich so plötzlich vor dir stand und sah,
Daß Aphrodite eine Schwester hat;
So sag mir jetzt, wozu beriefst du mich!

Rhodope.
Zum Tode!--

Gyges. Wie?

Rhodope.
Hast du ihn nicht verdient?

Gyges.
Wenn du ihn mir verhängst, so muß es sein!

Rhodope.
In dieser Stunde noch!

Gyges.
Ich bin bereit!

Rhodope.
Dich packt kein Schauder, wie er jeden Menschen,
Wie er den Jüngling doppelt packen muß?
Glaubst du vielleicht, es sei nicht bittrer Ernst,
Weil dir ein Weib den blut'gen Spruch verkündigt,
Und du das Weib nur noch als Mutter kennst?
O hoffe nicht, daß auch die Mildeste
Ihn ändern wird. Sie kann den Mord vergeben,
Sie kann sogar für ihren Mörder bitten,
Wenn er ihr so viel Odem übrigließ.
Doch eine Schande, die sie vor sich selbst
Vom Wirbel bis zum Zeh mit Abscheu füllte,
Solch eine Schande wäscht das Blut nur ab:
Je mehr sonst ganz nur Weib, nur scheues Weib,
Je mehr vom Manne wird sie da verletzt!

Gyges.
Entsetzlich!

Rhodope. Kommt der Schauder? Hör mich aus!
Wenn du nicht jetzt gerichtet vor mir ständest,
Von blanken Schwertern vor der Tür bewacht,
Und, willig oder nicht, das sichre Opfer
Der Unterird'schen, die ich schon beschwor:
Ich öffnete, wenn auch mit zager Hand,
Noch eh' die Sonne sinkt, mir selbst die Adern
Und wüsche mich in meinem eignen Blut!
Denn alle Götter stehn schon abgewandt,
Wenn auch voll Mitleid da, die goldnen Fäden
Zerreißen, die mich an die Sterne knüpfen
Und aufrecht halten, mächtig zieht der Staub,
Und zögre ich, so hüpft die neue Schwester,
Die Kröte, mir vertraulich ins Gemach!

Gyges.
O Königin, ich könnte manches sagen,
Und vielen Sand mir aus den Locken schütteln,
Der mir nur angeflogen ist im Sturm!
Ich will es nicht. Nur eines glaube mir:
Erst jetzt erkenn' ich, was ich tat, und doch
War's kaum geschehn, so hat's mich schon gedrängt,
Es abzubüßen. Wenn dein Gatte mir
Den Weg zum Orkus nicht vertreten hätte,
Ich wäre längst ein Schatten unter Schatten,
Und du gesühnt, wenn auch noch nicht versöhnt.

Rhodope.
Mein Gatte wehrte dir's und wußte doch--

Gyges.
Gleichviel! Die seltne Regung, die ihn faßte,
Hat mich um das Verdienst des freien Todes,
Dich aber um dein Opfer nicht gebracht.
Leb wohl!--Und deine Schwerter bleiben rein!

Rhodope.
Halt! Nicht durch eigne Hand und nicht durch Mord,
Durch deinen höchsten Richter sollst du fallen,
Gleich kommt der König und bestimmt dein Los.

Gyges.
Der Sterbende, er sei auch, wer er sei,
Hat eine letzte Bitte frei. Du wirst
Mir nicht mein armes Totenrecht verkürzen,
Ich weiß, du kannst es nicht! So laß mich gehn!

Rhodope (macht eine abwehrende Bewegung).

Gyges.
Ich tat, was ich vermochte. Komme nun,
Was kommen soll, ich trage keine Schuld.

Kandaules (tritt ein).

Rhodope (ihm entgegen).
Ich irrte nicht! Es war im Schlafgemach
Ein Mensch versteckt!

Gyges.
Ja, König, was ich dich
Nur ahnen ließ, weil mir der Mut gebrach,
Es zu bekennen: es ist aufgedeckt,
Und todeswürdig steh ich vor dir da!

Kandaules.
Gyges!

Gyges. Mit diesen meinen beiden Augen
Verübt' ich einen Frevel, den die Hände
Nicht überbieten, nicht erreichen würden,
Und zückt' ich auch auf dich und sie den Dolch.

Rhodope.
So ist's!

Gyges. Zwar wußt' ich's nicht, das kann ich
schwören,
Mir sind die Frauen fremd, doch wie der Knabe
Nach einem wunderbaren Vogel hascht
Und ihn erdrückt, weil er sein zartes Wesen
Nicht kennt, indes er ihn nur streicheln will,
So hab ich auch das Kleinod dieser Welt
Zerstört und ahnte nicht, daß ich es tat.

Rhodope.
Sein Wort ist edel. Wehe ihm und mir,
Daß es nicht frommt!

Gyges.
Wenn den kastal'schen Quell
Aus dem die Lieblinge der Götter trinken,
Und der in einem Farbenspiel erglänzt,
Als wär' er mit zerpflückten Regenbogen
Von Iris' eignen Händen überstreut;
Wenn diesen Quell, der dem Parnaß entspringt,
Ein Steinwurf trübt, so fängt er an, zu tosen
Und steigt in wilden Wirbeln himmelan.
Dann singt auf Erden keine Nachtigall
Und keine Lerche mehr, und in der Höhe
Verstummt sogar der Musen heil'ger Chor,
Und eher kehrt die Harmonie nicht wieder,
Bis ein ergrimmter Strom den frechen Schleudrer
Hinunter knirscht in seinen dunklen Schoß:
So ist's mit einer Frauenseele auch!

Kandaules.
Gyges, ich bin kein Schurke.

Gyges.
Herr, du bist
Rhodopens Gatte, bist ihr Schutz und Schirm
Und mußt ihr Rächer sein.

Kandaules.
Ich bin vor allem
Ein Mann, der für den Frevel, den er selbst
Beging, nicht einen andern sterben läßt.

Gyges.
König, was rettest du?

Kandaules.
Mich selbst!

Gyges.
Er
rast,
Hör nicht auf ihn!

Rhodope.
Mein Herr und mein Gemahl,
Was sprachst du da? Ich kann's dir selbst nicht glauben
Wenn du's nicht wiederholst!

Kandaules.
Sprich du für mich!
Du sollst mich nicht entschuldigen, du sollst
Nur sagen, wie es kam.

Rhodope.
So ist's? Ihr Götter,
Lacht über mich!--Ich habe schon geklagt!

Kandaules.
Sprich, Gyges! (Ab.)

Gyges. Königin, oh,
wenn du wüßtest,
Wie er dich immer pries, und wie ich stumpf
Auf alle seine Flammenworte hörte,
Weil jeder Vogel, der dem Busch entrauschte
Und meinem Pfeil entging, indem er sprach,
Mein Auge auf sich zog--wenn du dir sagtest,
Wie sehr dies unaufmerksam-kind'sche Wesen,
Das er für einen Ausdruck stillen Mißtrauns
Und halben Zweifels nahm, obgleich es nur
Aus' flücht'gem Sinn entsprang, ihn reizen mußte--
Wenn du uns beide nur ein einzig Mal
Auf einer unsrer Streiferein im Walde
Gesehen hättest, ihn in seiner Glut
Und mich in meiner Blödheit, unverständig
Nach bunten Steinen an der Erde spähend,
Indes er mir den Sonnen-Aufgang zeigte:
Ich bin gewiß, du blicktest wieder mild!
Er glich dem Priester, der dieselbe Flamme,
Die ihn durchlodert, zu des Gottes Ehre
Auch in der fremden Brust entzünden möchte;
Wenn dieser, leidenschaftlich-unvorsichtig,
Die heiligen Mysterien enthüllt,
Um dumpfe Sinne rascher zu erwecken
Und falsche Götzen sichrer zu entthronen:
Fehlt er so schwer, daß man ihm nicht verzeiht?

Rhodope (macht mit der Hand eine abwehrende Bewegung).
Er hat sein Gattenrecht dir abgetreten?

Gyges.
Nenn es nicht so.

Rhodope. Du brauchtest nicht
beim Wein
Nach seiner Hand zu greifen und dabei
Den Ring ihm abzuziehn, wie ich's mir dachte,
Er gab ihn dir von selbst zurück, du kamst
Vielleicht sogar mit ihm zugleich?

Gyges.
Wie
kannst
Du's glauben, Königin?

Rhodope.
Du bist ein Jüngling--
Du denkst so edel--

Gyges.
War ich denn sein Knecht?
Und hat er je verlangt, daß ich es sei?
Nein, Königin, entschuldige mich nicht,
Es bleibt bei deinem Spruch! Und halt ihn nicht
Für grausam, er ist mild. Ich ging den Weg,
Den ich wohl nimmer hätte gehen sollen,
Doch nahm ich gleich auch meinen Fluch dahin.
Ich wurde reif zum Tode, denn ich sah,
Daß alles, was das Leben bieten kann,
Vergeben war, und wenn ich in der Nacht
Ihn nicht schon fand und die entweihte Schwelle
Mit meinem rasch vergoßnen Blut dir wusch,
So ist die Schuld nicht mein: ich warb um ihn.
Oh, hätt' ich ihn ertrotzt, wie ich's versuchte,
Dann zitterte in deiner Seele jetzt
Nur noch ein Schauder vor dem Mörder nach,
Der dir das Atmen um so süßer machte,
Dein Gatte aber würde, als dein Retter,
Noch feuriger, wie je, von dir geküßt.

Rhodope.
Und Dinge kämen, die's uns fürchterlich
Enthüllen würden, daß die Götter nicht
Des Menschenarms bedürfen, sich zu rächen,
Wenn eine Schuld, die keine Sühne findet,
Weil sie im Dunkeln blieb, die Welt befleckt.
Doch, sie sind gnädig, dieser Frevel hat
Umsonst in Finsternis sich eingewickelt,
Er leuchtet doch hindurch. Das Wasser wird
Sich nicht in Feuer wandeln, wenn der Mund
Des Durst'gen es berührt, das Feuer nicht
Erlöschen, wenn der Hauch des Hungrigen
Es auf dem Herde anbläst, nein, o nein,
Die Elemente brauchen's nicht zu künden,
Daß die Natur vor Zorn im Tiefsten fiebert,
Weil sie verletzt in einem Weibe ist:
Wir wissen, was geschah!

Gyges.
Wir wissen auch,
Was noch geschehen muß! Vergib mir nur!

(Er will gehen.)

Rhodope.
Halt! Das nicht mehr!

Gyges.
Was kann ich andres tun?

Rhodope.
Du mußt ihn töten!

Gyges.
Ha!

Rhodope.
Du mußt! Und ich--
Ich muß mich dir vermählen.

Gyges.
Königin!

Rhodope.
So geh.

Gyges. Ihn töten!

Rhodope. Wenn
du zu mir sagst:
Jetzt bist du Witwe! so erwidre ich:
Jetzt bist du mein Gemahl!

Gyges.
Du hast gesehn,
Wie er von hinnen ging. Er sprach für sich
Kein einzig Wort, er überließ es mir,
Und ich, ich sollte--Nein!

Rhodope.
Du mußt es tun,
Wie ich es fordern muß. Wir dürfen beide
Nicht fragen, ob's uns schwer wird oder leicht.

Gyges.
Wenn er kein Gatte war: er ist ein Freund,
Wie's keinen zweiten gibt! Kann ich ihn töten,
Weil er zu sehr mein Freund gewesen ist?

Rhodope.
Du wehrst dich, doch es ist umsonst.

Gyges.

Was soll
Mich zwingen, wenn dein Reiz mich nicht bezwang?
Ich liebe dich, mir ist, als wäre ich
Mit einem Starrkrampf auf die Welt gekommen,
Und dieser löste sich vor deinem Blick!
Die Sinne, welche, wie verschlafne Wächter,
Bisher nicht sahn, noch hörten, wecken sich
In sel'gem Staunen gegenseitig auf
Und klammern sich an dich, rund um dich her
Zerschmelzen alle Formen, sonst so scharf
Und trotzig, daß sie fast das Auge ritzten,
Wie Wolkenbilder vor dem Sonnenstrahl;
Und wie ein Schwindelnder, der in den Abgrund
Zu stürzen fürchtet, könnt' ich nach der Hand
Dir greifen, ja, an deinen Hals mich hängen,
Eh' mich das bodenlose Nichts verschlingt!
Doch nicht mit einem Tropfen seines Blutes
Möcht' ich mir diesen höchsten Platz erkaufen,
Denn selbst im Rausch vergäße ich ihn nicht!

Rhodope.
Du kannst es mir versagen, das ist wahr!
Verlaß mich denn!

Gyges.
Was sinnst du, Königin?

Rhodope.
Ein Werk, das still beschlossen und noch stiller
Vollbracht wird.--Geh!

Gyges.
Versteh ich dich?

Rhodope.

Vielleicht.

Gyges.
Du könntest?

Rhodope. Zweifle nicht! Ich kann und will.

Gyges.
Nun, bei den Göttern, welche droben thronen,
Und den Erinnyen, die drunten horchen,
Das darf nicht sein, und nimmer wird's geschehn!

Rhodope.
So sagst du ja?

Gyges. Du weckst mich
aus dem Schlummer,
Nicht wahr, wenn er in Träumen mir erscheint,
Und trotz der Todeswunde immer lächelt,
Bis mir das Haar sich sträubt.

Rhodope.
Nicht mehr! Nicht mehr!

Gyges.
Auch drückst du einen Kuß mir auf die Lippen,
Damit ich in der Angst mich gleich besinne,
Warum ich es getan--Du wendest dich,
Als ob's dich schauderte bei dem Gedanken?
Das schwör' mir erst!

Rhodope.
Ich werde dein Gemahl.

Gyges.
Was frag ich auch! Ich siegte ja noch nicht.

Rhodope.
Gilt's hier denn einen Kampf?

Gyges.
Ja, Königin,
Du denkst doch nicht von mir, daß ich ihn morde?
Ich fordre ihn auf Leben oder Tod.

Rhodope.
Und wenn du fällst?

Gyges.
So fluche mir nicht nach,
Ich kann nicht anders.

Rhodope.
Fall ich nicht mit dir?

Gyges.
Doch wenn ich wiederkehre?

Rhodope.
Am Altar
Wirst du mich finden, ebenso bereit,
In deine Hand die meinige zu legen,
Als nach dem Dolch zu greifen und das Band
Zu lösen, das mich an den Sieger knüpft,
Wenn er es ist!

Gyges. Noch eh' die
Sonne sinkt,
Entscheidet sich's! So leb denn wohl.

Rhodope.
Leb wohl!
-
Und wenn's dich freuen kann, vernimm noch eins:
Du hättest mich der Heimat nicht entführt,
Um so an mir zu tun!

Gyges.
Meinst du, Rhodope?
Das heißt: ich wäre eifersüchtiger
Und neidischer gewesen, hätte mehr
Gefürchtet, weil ich wen'ger bin, als er,
Und doch beglückt es mich, daß du dies meinst,
Und ist genug für mich, mehr als genug! (Ab.)

Rhodope.
Nun Brautgewand und Totenhemd herbei!

Lesbia (stürzt herein und wirft sich Rhodopen zu Füßen).
Du Gnädige!--Vergib!--Ich danke dir!

Rhodope (sie aufhebend).
Du wirst mir wohl nicht danken, armes Kind!
Und doch! Zuletzt! Ja, Lesbia, zuletzt!





Fünfter Akt



Freier Platz.

Der König tritt auf. Ihm folgt Thoas.

Kandaules.
Du schleichst mir nach auf Schritt und Tritt. Was willst du?
Fehlt dir der Mut, mich anzureden, Alter,
Weil ich ein wenig barsch war gegen dich?
Sprich! Setze deine Rede fort! Ich will
Geduldig sein und hören, brauchtest du
Auch so viel Zeit, daß eine grüne Traube
Sich purpurn färbt, bis du zu Ende bist.

Thoas.
Herr, hab ich jemals einen Mann verklagt?

Kandaules.
Nein, Thoas.

Thoas. Oder einen Mann
verdächtigt?

Kandaules.
Gewiß nicht.

Thoas. Las ich heiße Worte
auf,
Wie sie im Zorn wohl auf die Erde fallen,
Und warf sie dir ins Ohr und blies sie an?

Kandaules.
Nie!

Thoas. Nun, so werd ich doch mit siebzig Jahren
Nicht tun, was ich mit zwanzig nicht getan,
Denn über funfzig dien ich deinem Hause.

Kandaules.
Ich weiß es, treuer Knecht.

Thoas.
Die Erde zeugt
Ja immer fort, ob man die Könige
Ermordet oder krönt, sie läßt die Bäume
Nicht ausgehn und die Beeren nicht vertrocknen,
Auch hält sie ihre Quellen nicht zurück,
Wenn man ihr einmal Blut zu trinken gibt.

Kandaules.
Das glaub ich auch!

Thoas.
Nicht wahr? Es bliebe alles,
Wie jetzt, ich meine, was mich selbst betrifft,
Denn das ist unser Sklaven-Glück, daß uns
Ein roter Mond am Himmel wenig kümmert,
Und daß wir ruhiger, wie gier'ge Hunde,
Die einen Bissen zu erschnappen hoffen,
Dem Opfer zusehn und nicht ängstlich fragen,
Ob's Gutes oder Böses prophezeit.

Kandaules.
Was willst du sagen, Greis?

Thoas.
Dein Vater hatte
Mich immer um sich, einerlei, ob er
Zum Schmausen ging, ob er zu Felde zog,
Ich durfte ihm nicht fehlen, heute reicht' ich
Den Becher ihm und morgen Schild und Speer.
Auch ordnete ich ihm den Scheiterhaufen
Und sammelte mit meinen steifen Fingern
Die weiße Asche in den braunen Krug.
Er hatt' es so bestellt. Warum denn wohl?

Kandaules.
Die Traube wird schon rot.

Thoas.
Du bist ihm ähnlich,
Vielleicht--ich sah dich nie das Schwert noch ziehn,
Er zog es oft und gern, zuweilen auch
Ganz ohne Grund, ich geb es zu, jawohl,
Und doch war's gut,--vielleicht gar völlig gleich.
Drum wünscht' ich dir sein Los.

Kandaules.
Ist das nicht mein?

Thoas.
Wer weiß! Das Ende rechn' ich mit dazu.
Vergib mir, Herr! Ich bin kein hurt'ger Kopf,
Begreife schwer, hab niemals was erdacht,
Und wer mich dumm nennt, schimpft mich darum nicht.
Doch wackre Männer kamen schon zu mir
Und fragten mich um Rat, und als ich stutzte,
Da sagten sie: der schlichtste alte Mann,
Der siebzig Jahre zählt und seine Sinne
Behielt, versteht von manchen Dingen mehr,
Als selbst der Klügste, der noch Jüngling ist.
Nun, meine Sinne, denk ich, hab ich noch:
So hör auf mich.

Kandaules. Ich tu es ja.

Thoas.
Und quäle
Mich nicht um Gründe, glaube nicht, daß ich
Gleich Unrecht habe, wenn ich auch verstumme,
Weil ein Warum von soundso viel Drachmen
Mir fehlt, wenn du mein Wort zu wägen denkst.
Du kannst ja auch die Vögel, die nicht fliegen,
Wie dir's gefällt, wenn sie dein Seher fragt,
Durch einen einz'gen Schuß von deinem Bogen
Zerstreun, und mancher hat's im Zorn getan.
Doch kommt das Unglück darum weniger,
Das sie verkündeten? So sprich denn nicht:
Was willst du? Er ist tapfer, brav und treu!
Ich weiß es selbst und will's sogar beschwören,
Allein ich warne dich nur um so mehr:
Nimm dich in acht vor Gyges!

Kandaules (lacht).

Thoas.
Dacht' ich's doch!
Ich sag's dir noch einmal: nimm dich in acht!
Versteh mich aber recht. Ich sage auch:
Er wird dir nimmer nach der Krone greifen,
Er wird dich mit dem letzten Tropfen Bluts
Verteidigen, und dennoch ist er dir
Gefährlicher, als alle, die sich gestern
Mit Blicken oder Worten gegen dich
Verschworen haben! Ei, die tun dir nichts,
Wenn er nur nicht mehr da ist! Darum schaffe
Ihn fort, sobald du kannst. Denn, wenn er bleibt
Und mit den Kränzen, die er sich errang,
Noch länger so herumgeht unter ihnen,
Kann viel geschehn.

Kandaules. Du
meinst?

Thoas.
Ich seh es
ja!
Das flüstert und vergleicht! Das zuckt die Achseln,
Das ballt die Faust und nickt sich heimlich zu!
Du hast sie gar zu schwer gekränkt. Und wird
Der Grieche, wenn er morgens beim Erwachen
Auf einmal über deine Krone stolpert,
Weil man sie ihm des Nachts zu Füßen legte,
Sie noch verschmähn? Da wär' er ja ein Tor.
Es ist genug, daß er dich nicht beraubt,
Beerben darf er dich, und wird er dich.
Ei, seine Zeichen stehn, du glaubst nicht, wie!
Sonst schimpften sie ihn einen Zitherspieler
Und meinten, wie denn ich es selber meine,
Daß nur die Vögel süße Kehlen hätten,
Die arg verkürzt um ihre Klauen sind.
Jetzt ist er ihnen, weil er singen kann,
Wenn noch nicht Phöbus selbst, so doch sein Sohn!

Kandaules.
Das wundert dich? Er hat sie ja besiegt!
Wie könnte denn ein Mensch ihr Sieger sein.

Thoas.
Gleichviel! Doch er ist wirklich brav und treu,
Drum folge mir. Dann geht's vielleicht noch gut,
Wenn nicht die Götter eine Strafe senden,
Und über's Jahr versöhnst du die und uns!

Gyges (tritt auf).

Thoas.
Er kommt. Sprach ich umsonst? Herr, lächle nicht!
Selbst an der Mauer schießt Salpeter an,
Warum denn nicht das Salz der Zeit an mir?
(Er zieht sich in den Hintergrund zurück.)

Kandaules.
Du hast mich mehr getroffen, als du denkst!--
Nun, Gyges?

Gyges. Herr, ich habe dich gesucht.

Kandaules.
Ich dich nicht weniger. So sag mir an:
Was bringst du mir?--Du kehrst dich schweigend ab?
Was es auch sei: ich bin auf viel gefaßt!

Gyges.
Oh, hättest du mein Opfer angenommen!

Kandaules.
Ich werde nie bereun, daß ich's nicht tat.
Doch, wär' es auch geschehn, was hätt's gefrommt?
Ihr Argwohn hatte unauslöschlich schon
Des Nachts an deinem Seufzer sich entzündet,
Doch hadre darum nicht mit dir, wer wäre
Ein Mensch und hätte nicht geseufzt, wie du!

Gyges.
Es war kein guter Tag, an dem der König
Von Lydien den Griechen Gyges traf.

Kandaules.
Ich fluch ihm nicht.

Gyges.
Du hättest dich des Tigers
Wohl selbst erwehrt, der auf dich lauerte,
Und ich, mit meinem überflüss'gen Pfeil,
Beraubte, statt vom Tode dich zu retten,
Dich nur des Meisterschusses.

Kandaules.
Das ist wahr,
Ich hatt' ihn wohl bemerkt und war bereit.
Doch, als ich sah, wie dir die Augen blitzten,
Die Wangen glühten, und die Brust sich hob,
Da unterdrückte ich ein stilles Lächeln
Und dankte dir.

Gyges. So edel war er
stets!
Auch da, wo ich's nicht ahnte! Kann ich denn?

Kandaules.
Ich sah es auf den ersten Blick ja auch,
Daß du in einer größeren Gefahr
Die Tat noch kühner wiederholen würdest;
Wenn die nicht kam, so war's nicht deine Schuld!

Gyges.
Herr, sprich nicht mehr. Es ist so, wie du sagst,
Ich hätte an ein Haar von deinem Haupte
Mein Blut gesetzt, und dennoch muß ich jetzt,
So will's der Fluch, dein Leben fordern--

Kandaules.
Mein Leben!

Gyges. Ja, wenn sie nicht sterben
soll!
Die Sonne neigt sich schon zum Untergang,
Und sieht dein Auge noch den Abendstern,
So sieht das ihrige ihn nimmermehr.

Kandaules.
Sie will sich töten, wenn du mich nicht tötest?

Gyges.
Sie will es! Ständ' ich sonst wohl so vor dir?

Kandaules.
Kein andres Opfer kann ihr mehr genügen?

Gyges.
Ich bot das höchste, doch es war umsonst.

Kandaules.
Da wird sie mir den Abschied auch versagen!

Gyges.
Ich fürchte, sie entflieht vor dir ins Grab!

Kandaules.
Dann nimm mein Leben hin!--Du fährst zurück?

Gyges.
So willig gibst du's her?

Kandaules.
Wer frevelte,
Muß Buße tun, und wer nicht lächelnd opfert,
Der opfert nicht!--Kennst du mich denn so schlecht
Und hältst mich so gering, daß du darob
Erstaunen, ja erschrecken kannst? Ich werde
Doch sie nicht zwingen, mit den Rosenfingern,
Die noch zu zart fürs Blumenpflücken sind,
Nach einem Dolch zu greifen und zu prüfen,
Ob sie das Herz zu finden weiß?

Gyges.
Du schlägst
Sogar das schirmende Gewand zurück
Und beutst mir selbst die Brust?

Kandaules.
Ich zeige dir
Den nächsten Weg zum Ziel und ebne ihn,

Damit du, wenn du wieder vor sie trittst,
Doch irgend etwas an mir loben kannst.
Hier rauscht der Quell des Lebens, den du suchst:
Den Schlüssel hast du selbst. So sperre auf!

Gyges.
Nicht um die Welt!

Kandaules. Um sie, mein
Freund, um sie!

Gyges (macht eine abwehrende Bewegung).

Kandaules.
Doch, ich besinne mich, du wolltest heut
Mit eigner Hand dein junges Blut vergießen!
Den Mut erschwing ich auch wohl noch, drum geh
Und bringe ihr mein letztes Lebewohl,
Es ist so gut, als läge ich schon da.

Gyges.
Nein! Nein! Ich kam, zu kämpfen!

Kandaules.
Ei wie stolz!
Du kannst im Kampf mit mir nicht unterliegen,
Nicht wahr?

Gyges. Du kennst mich besser!

Kandaules.
Nun, auch
das!
Selbst, wenn ich siegen sollte, bleibt mir noch
Das andre übrig!--Ist das nicht der Duft
Der Aloe? Jawohl, schon führt der Wind
Ihn uns vom Garten zu. Die öffnet sich,
Nur wenn die Nacht sich naht. Da wird es Zeit.

Gyges.
Oh, dieser Ring!

Kandaules. Du meinst, er wäre
besser
In seiner Gruft geblieben! Das ist wahr!
Rhodopens Ahnung hat sie nicht betrogen,
Und dich dein Schauder nicht umsonst gewarnt.
Denn nicht zum Spiel und nicht zu eitlen Possen
Ist er geschmiedet worden, und es hängt
Vielleicht an ihm das ganze Weltgeschick.
Mir ist, als dürft' ich in die tiefste Ferne
Der Zeit hinunter schaun, ich seh den Kampf
Der jungen Götter mit den greisen alten:
Zeus, oft zurückgeworfen, klimmt empor
Zum goldnen Stuhl des Vaters, in der Hand
Die grause Sichel, und von hinten schleicht
Sich ein Titan heran mit schweren Ketten.
Warum erblickt ihn Kronos nicht? Er wird
Gefesselt, wird verstümmelt, wird gestürzt.
Trägt der den Ring?--Gyges, er trug den Ring,
Und Gäa selbst hat ihm den Ring gereicht!

Gyges.
So sei der Mensch verflucht, der dir ihn brachte.

Kandaules.
Warum? Du tatest recht, und wäre ich
Dir gleich, so hätte er mich nicht verlockt,
Ich hätt' ihn still der Nacht zurückgegeben,
Und alles würde stehen, wie zuvor.
Drum dinge mir des Werkzeugs wegen nichts
Vom Frevel ab, die ganze Schuld ist mein!

Gyges.
Doch, welche Schuld!

Kandaules.
Das Wägen ist an ihr!--
Auch fühl ich's wohl, ich habe schwer gefehlt,
Und was mich trifft, das trifft mich nur mit Recht.
Das schlichte Wort des alt-ehrwürd'gen Dieners
Hat mich belehrt. Man soll nicht immer fragen:
Was ist ein Ding? Zuweilen auch: was gilt's?
Ich weiß gewiß, die Zeit wird einmal kommen,
Wo alles denkt, wie ich; was steckt denn auch
In Schleiern, Kronen oder rost'gen Schwertern,
Das ewig wäre? Doch die müde Welt
Ist über diesen Dingen eingeschlafen,
Die sie in ihrem letzten Kampf errang,
Und hält sie fest. Wer sie ihr nehmen will,
Der weckt sie auf. Drum prüf er sich vorher,
Ob er auch stark genug ist, sie zu binden,
Wenn sie, halb wachgerüttelt, um sich schlägt,
Und reich genug, ihr Höheres zu bieten,
Wenn sie den Tand unwillig fahren läßt.
Herakles war der Mann, ich bin es nicht;
Zu stolz, um ihn in Demut zu beerben,
Und viel zu schwach, um ihm es gleich zu tun,
Hab ich den Grund gelockert, der mich trug,
Und dieser knirscht nun rächend mich hinab.

Gyges.
Nein! Nein!

Kandaules. So ist's. Auch darf's nicht anders sein!
Die Welt braucht ihren Schlaf, wie du und ich
Den unsrigen, sie wächst, wie wir, und stärkt sich,
Wenn sie dem Tod verfallen scheint und Toren
Zum Spotte reizt. Ei, wenn der Mensch da liegt,
Die sonst so fleiß'gen Arme schlaff und laß,
Das Auge fest versiegelt und den Mund
Verschlossen, mit den zugekrampften Lippen
Vielleicht ein welkes Rosenblatt noch haltend,
Als wär's der größte Schatz: das ist wohl auch
Ein wunderliches Bild für den, der wacht
Und zusieht. Doch, wenn er nun kommen wollte,
Weil er, auf einem fremden Stern geboren,
Nichts von dem menschlichen Bedürfnis wüßte,
Und riefe: hier sind Früchte, hier ist Wein,
Steh auf und iß und trink! Was tätst du wohl?
Nicht wahr, wenn du nicht unbewußt ihn würgtest,
Weil du ihn packtest und zusammendrücktest,
So sprächst du: dies ist mehr, als Speis und Trank!
Und schliefest ruhig fort bis an den Morgen,
Der nicht den einen oder auch den andern,
Nein, der sie alle neu ins Dasein ruft!
Solch ein vorwitz'ger Störer war ich selbst,
Nun bin ich denn in des Briareus Händen,
Und er zerreibt das stechende Insekt.
Drum, Gyges, wie dich auch die Lebenswoge
Noch heben mag, sie tut es ganz gewiß
Und höher, als du denkst: vertraue ihr
Und schaudre selbst vor Kronen nicht zurück,
Nur rühre nimmer an den Schlaf der Welt!
Und nun--

Gyges. Die Sonne sinkt! Es muß so sein.

Kandaules.
Thoas! (Er nimmt sich die Krone ab.)

Thoas. Was sinnst du, Herr?

Kandaules.
Du wolltest mich
Ja fechten sehn, die Freude mach ich dir,
Doch dafür hebst du diese Krone auf
Und reichst sie dem, der übrigbleibt von uns!

(Zu Gyges.)

Wenn du das bist, so gönn ich's dir, und gern
Wird man auf deinem Haupt sie sehn!--Ei was,
Du wolltest sie nicht nehmen? Schäme dich!
Da käm' sie nur an einen schlechtern Mann!

Gyges.
Herr, schwör mir, daß du redlich kämpfen willst.

Kandaules.
Ich muß ihr zeigen, daß ich so viel Schönheit
Nicht leicht verliere. Darum schwör ich's dir.
Und du?

Gyges. Sie lebt und stirbt mit mir! Ich muß!
Und wenn ich auch bei jedem Streiche denke:
Viel lieber einen Kuß! so werde ich
Darum doch keinen mäßigen.

Kandaules.
So gib
Mir noch einmal die Hand!--Nun sei für mich
Ein Tiger, ich für dich ein Leu und dies
Der wilde Wald, in dem wir oft gejagt.

(Sie ziehen.)

Gyges.
Noch eins! Aus Scham hielt ich's zurück. Sie will
Sich mir vermählen, wenn du unterliegst.

Kandaules.
Ha! Nun versteh ich sie!

Gyges.
So wehre dich!

(Gefecht, während dessen sie sich links verlieren.)

Thoas.
Er fällt!--Der letzte Heraklide fiel!

(Ab, ihnen nach.)





Fünfter Akt--2



Der Tempel der Hestia.

Man erblickt in der Mitte die Bildsäule der Göttin. Rhodope kommt
rechts in feierlichem Zug, mit ihr Lesbia, Hero und Karna. Es ist
Abend. Fackeln.

Rhodope.
Karna, der Scheiterhaufen wird errichtet?

Karna.
Er ist es schon!

Rhodope (schreitet in den Tempel und kniet vor der Bildsäule der
Göttin nieder).

Hero.
Sie spricht
vom Scheiterhaufen,
Anstatt vom Brautgemach?

Lesbia.
Das wundert dich?
Es muß hier erst doch einen Toten geben,
Bevor es eine Braut hier geben kann.

Hero.
Ich zittre, Lesbia. Sie fragte mich,
Als ich sie schmückte, ob in unserm Garten
Wohl gift'ge Beeren wüchsen--

Lesbia.
Wie?

Hero.

Und ob
Ich ihr davon nicht ein'ge bringen könnte;
Für jede schenke sie mir eine Perle,
Und wenn es hundert wären, aber schnell
Müßt' es geschehn!

Lesbia.
Und du?

Hero.
Ich sagte nein!
Da lächelte sie zwar und sprach: das konnt' ich
Mir denken, morgen zeige ich sie dir,
Doch kam's mir seltsam vor.

Lesbia.
Das ist es auch!

Hero.
Nun schickte sie mich fort, ich aber lauschte
Und sah, daß sie mit einem spitzen Dolch,
Wie zum Versuch, ich kann's nicht anders nennen,
Den Arm sich ritzte.

Lesbia.
Hero!

Hero.
Ja, es kam
Auch rotes Blut.

Lesbia.
Entsetzlich!

Hero.
Freilich ehrt
Sie neben unsern Göttern auch noch fremde,
Die wir nicht kennen, und so ist's vielleicht
Ein dunkler Brauch!

Lesbia.
Nein, nein! Wo tönt die Flöte
Und wo das Rohr? Wer singt den Hymenäus?
Wo sind die Tänzerchöre? Ich war blind!
Sie zog hinaus, um nicht mehr heimzukehren!
Oh, Königin, ich bitt dir ab!--Wird denn
Ein Mahl gerüstet?

Hero.
Nein! Daß ich nicht weiß!

Lesbia.
So sei der Trotz verflucht, der mich bewog,
Mich eben heut so fern von ihr zu halten,
Nun--Göttin, sie ist dein zu dieser Stunde,
So wende du ihr Herz! Ich kann's nicht mehr.

Hero.
Ja, reine, keusche, heilige, das tu!--
Und ist es nicht auch seltsam, daß sie sich,
Anstatt der ewig heitern Aphrodite,
Die strenge Hestia, vor deren Blicken
Der grünste Kranz verdorrt, zur Zeugin wählt?

Lesbia.
Ach, alles deutet aufs Entsetzlichste.

Gyges (tritt auf).

Hero.
Gyges!

Lesbia. Oh, nimm ihn hin! Nur tu es nicht,

Gyges.
Mir ist, als hätt' ich selbst das Blut verloren,
Das ihm entströmte!--Ich bin totenkalt.

Hero.
Wie bleich er aussieht!

Gyges.
Da ist der Altar--
An einem andern hab ich sie gesucht--
Da stehen ihre Mädchen--da ist sie--
Was nun?

Thoas (tritt auf).
Ich bringe dir die Krone dar!

Gyges.
Den Lydiern gehört sie und nicht mir.

Thoas.
Den Lydiern hab ich sie erst gebracht,
Und als ihr Bote steh ich jetzt vor dir!

Volk (von draußen)
Heil, Gyges, Heil!

Rhodope (erhebt sich und wendet sich).

Volk (hereindringend).
Dem König Gyges Heil!

Thoas.
Doch sei nicht stolz auf diesen Ruf, die Nachbarn
Sind in das Land gefallen, nun sollst du
Sie führen!

Gyges.
Wie?

Thoas.
Es kam, wie ich gedacht,
Er war zu mild, es fürchtete ihn keiner,
Jetzt sind sie da!

Gyges (setzt die Krone auf). Ich zahle seine Schuld.

Rhodope (die sich dem Gyges langsam genähert hat).
Erst deine eigne, Gyges!

Gyges.
Königin,
Sei du der Preis, der mir entgegenwinkt,
Wenn ich die Feinde rings zerschmettert habe--

Rhodope.
Nein, nein! Von mir erlangst du keine Frist!--
Wir können nicht vor meinen Vater treten,
So tritt mit mir vor Hestias Altar
Und reiche mir vor ihrem Angesichte
Die Hand zum ew'gen Bunde, wie ich dir!

Gyges.
Wenn du gesehen hättest, wie er schied,
So würdest du den Schauder heilig halten,
Der mir verbeut, auch nur dein Kleid zu streifen,
Bevor ich das für ihn getan! Wem bot
Die reiche Welt so viel, wie ihm, und doch
Ging er hinaus, wie andere hinein!

Rhodope.
Wenn er so edel in das düstre Reich
Hinunterstieg, wo keiner sich aufs neue
Mit Schuld befleckt, so werde ich ihm gern,
Und wär's auch auf der Schwelle schon, begegnen,
Ja, ihm mit eigner Hand vom Lethe schöpfen
Und selbst verzichten auf den sel'gen Trunk.
Dich aber mahn ich: ende jetzt!

Gyges.
Es sei!--
Doch dies gelob ich dir, du teurer Schatten,
Ich zieh hinaus, so wie's geschehen ist!

Rhodope.
Auch ich gelobte etwas!

Gyges.
Königin,
Wer einen solchen Kelch voll Seligkeit
Beiseite stellt, wie ich, und wär's auch nur
Für eine Stunde, der verdient sich ihn.

Rhodope.
Still, still, du bist an einem heil'gen Ort.

(Sie schreiten zum Altar.)

Rhodope.
O Hestia, du Hüterin der Flamme,
Die das verzehrt, was sie nicht läutern kann:
Ich dank es diesem Jüngling, daß ich wieder
Vor deinem Angesicht erscheinen darf,
Und, wie das Volk zum König, so erhebe
Ich ihn, sei du mir Zeugin, zum Gemahl.

(Sie reicht Gyges die Hand.)

Als Morgengabe sieh die Krone an,
Die schon gebietend dir vom Haupte funkelt,
Mir aber gib den Totenring zum Pfand.

Gyges.
Den trägt der König noch an seinem Finger.

Rhodope.
Dann hat er schon den Platz, der ihm gebührt.

(Sie läßt Gyges' Hand los.)

Nun tritt zurück, und halte dein Gelübde,
Wie ich das meinige! Ich bin entsühnt,
Denn keiner sah mich mehr, als dem es ziemte,
Jetzt aber scheide ich mich (Sie durchsticht sich.) so von dir!





 


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