Herodes und Mariamne
by
Friedrich Hebbel

Part 3 out of 3



Der spricht mich los von jeder Pflicht, dem muß
Ich zeigen, daß es zwischen Königen
Und Sklaven eine Mittelstufe gibt,
Und daß der Mann auf dieser steht!

Alexandra.
Mir gilt
Es gleich, aus welchem Grund: genug, du tratst
Zu mir herüber!

Soemus.
Fürchte keinen Kampf mehr,
Er ist so gut, als tot! Octavian
Ist kein Antonius, der sich das Fleisch
Vom Leibe hacken läßt und es verzeiht,
Weil er die Hand bewundert, die das tut!
Er sieht nur auf die Streiche.

Alexandra.
Was sagt Titus?

Soemus.
Der denkt, wie ich! Ich ließ den Sameas
Nur darum frei, weil ich zur Rechenschaft
Gezogen werden wollte. Konnt' ich doch
Nicht anders an die Königin gelangen!
Jetzt weiß sie, was sie wissen muß, und ist
Der Todesbotschaft, wenn sie kommt, gewachsen.
Das war mein Zweck! Welch edles Weib! Die schlachten!
Es wär' um ihre Tränen schad gewesen!

Alexandra.
Gewiß, ein zärtlicher Gemahl!--Such sie
Nur zu bereden, daß sie sich dem Schutz
Der Römer übergibt und komm aufs Fest,
Durch das sie mit Herodes bricht, er mag
Nun tot sein oder leben! (Ab.)

Soemus (ihr folgend).
Er ist tot!




Vierte Szene

Diener treten auf und ordnen das Fest an.

Moses.
Nun, Artaxerxes? Wieder in Gedanken?
Flink! Flink! Du stellst bei uns die Uhr nicht vor!

Artaxerxes.
Hättst du das jahrelang getan, wie ich,
So würd' es dir auch ganz so gehn, wie mir!
Besonders, wenn du alle Nächte träumtest,
Du hättst das alte Amt noch zu versehn!
Ich greif ganz unwillkürlich mit der Rechten
Mir an den Puls der Linken, zähl und zähle
Und zähle oft bis sechzig, eh' ich mich
Besinne, daß ich keine Uhr mehr bin!

Moses.
Merk dir es endlich denn, daß du bei uns
Die Zeit nicht messen sollst! Wir haben dazu
Den Sonnenweiser und den Sand! Du selbst
Sollst, wie wir andern, in der Zeit was tun!
Faulenzerei, nichts weiter!

Artaxerxes.
Laß dir schwören!

Moses.
Schweig! Schweig! Beim Essen zähltest du noch nie!
Im übrigen: man schwört auch nicht bei uns,
Und (für sich) wär' der König nicht ein halber Heide,
So hätten wir auch den fremden Diener nicht!
Da kommen schon die Musikanten! Flink!
(Geht zu den übrigen.)

Jehu.
Du, ist das wirklich wahr, was man von dir
Erzählt?

Artaxerxes.
Wie sollt' es denn nicht wahr sein?
Soll ich's vielleicht noch hundertmal beteuern?
Am Hofe des Satrapen war ich Uhr
Und hatt' es gut, viel besser, wie bei euch!
Nachts ward ich abgelöst, dann war's mein Bruder,
Und auch bei Tage, wenn's zum Essen ging.
Ich dank es wahrlich eurem König nicht,
Daß er mich mit den andern Kriegsgefangnen
Hiehergeschleppt! Zwar ward mein Dienst zuletzt
Ein wenig schwer! Ich mußte mit ins Feld,
Und wenn man links und rechts die Pfeile fliegen,
Die Menschen fallen sieht, verzählt man sich
Natürlich leichter als in einem Saal,
Wo sie zusammenkommen, um zu tanzen.
Ich schloß die Augen, denn ich bin kein Held,
Wie es mein Vater war. Den traf ein Pfeil
Auf seinem Posten--er war Uhr, wie wir,
Ich und mein Bruder, alle waren Uhren--
Er rief die Zahl noch ab und starb! Was sagst du?
Das war ein Mann! Dazu gehörte mehr,
Als nötig war, den Pfeil ihm zuzuschicken!

Jehu.
Habt ihr denn keinen Sand bei euch zu Hause,
Daß ihr das tun müßt?

Artaxerxes.
Wir? Wir keinen Sand?
Genug, um ganz Judäa zu bedecken!
Es ist ja nur, weil der Satrap bei uns
Es besser haben soll, wie's andre haben!
Der Puls des Menschen geht doch wohl genauer,
Wenn er gesund ist und kein Fieber hat,
Wie euer Sand durch seine Röhre läuft?
Und nützen euch die Sonnenweiser was,
Wenn es der Sonne nicht gefällt zu scheinen?
(Zählt.) Eins--Zwei--

Moses (kommt zurück).
Fort! Fort! Die Gäste kommen schon!

Artaxerxes.
Das ist das Fest? Da sah ich andre Feste!
Wo keine Frucht gegessen ward, die nicht
Aus einem fremden Weltteil kam! Wo Strafe,
Oft Todesstrafe, darauf stand, wenn einer
Nur einen Tropfen Wasser trank. Wo Menschen,
Die man mit Hanf umwickelt und mit Pech
Beträufelt hatte, in den Gärten nachts
Als Fackeln brannten--

Moses.
Höre auf! Was hatten
Die Menschen dem Satrapen denn getan?

Artaxerxes.
Getan? Gar nichts! Bei uns ist ein Begräbnis
Viel prächtiger, wie eine Hochzeit hier!

Moses.
Vermutlich freßt ihr eure Toten auf!
Es paßte gut zum übrigen!

Artaxerxes.
Dann ist's
Auch wohl nicht wahr, daß eure Königin
Im Wein einst eine Perle aufgelöst,
Kostbarer, als das ganze Königreich,
Und daß sie diesen Wein an einen Bettler
Gegeben hat, der ihn, wie andern, soff?

Moses.
Das ist es nicht! Gott Lob!

Artaxerxes (zu Jehu).
Du sagtest's aber!

Jehu.
Weil es mir eine Ehre für sie schien,
Und weil man's von der ägypterin erzählt!

Moses.
Hinweg!

Artaxerxes (deutet auf die Rosen, die Jehu trägt).
Wirkliche Rosen! Die sind billig,
Bei uns sind's silberne und goldene!
Die soll man dahin schicken, wo die Blumen
So kostbar sind, wie Gold und Silber hier!

(Diener zerstreuen sich. Die Gäste, unter ihnen Soemus, haben sich während der letzten
Hälfte dieser Szene versammelt. Musik. Tanz. Silo und Judas sondern sich von den übrigen
und erscheinen im Vordergrund.)

Silo.
Was soll das heißen?

Judas.
Was das heißen soll?
Der König kehrt zurück! Und das noch heut!

Silo.
Meinst du?

Judas.
Wie kannst du fragen! Gibt's denn wohl
Noch einen andern Grund für solch ein Fest?
üb dich auf einen neuen Bückling ein!

Silo.
Es hieß ja aber--

Judas.
Lug und Trug, wie immer,
Wenn's hieß, ihm sei was Schlimmes widerfahren,
Und ganz natürlich, da's so viele gibt,
Die ihm das Schlimme wünschen! Wird getanzt
In einem Haus, wo man um Tote klagt?

Silo.
Da wird denn bald viel Blut vergossen werden,
Die Kerker stecken seit dem Aufruhr voll!

Judas.
Das weiß ich besser, als du's wissen kannst,
Ich habe manchen selbst hineingeschleppt.
Denn dieser Aufruhr war so unvernünftig,
Daß jeder, der nicht eben darauf sann,
Sich selbst zu hängen, ihn bekämpfen mußte.
Du weißt, ich liebe den Herodes nicht,
Wie tief ich mich auch immer vor ihm bücke,
Doch darin hat er recht: die Römer sind
Zu mächtig gegen uns, wir sind nicht mehr,
Als ein Insekt ist in des Löwen Rachen,
Das soll nicht stechen, denn es wird verschluckt!

Silo.
Mir tut's nur leid um meines Gärtners Sohn,
Der einen Stein nach einem röm'schen Adler
Geworfen und ihn auch getroffen hat!

Judas.
Wie alt ist der?

Silo.
Wie lange ist es doch,
Daß ich den Fuß brach?--Da ward er geboren,
Denn seine Mutter konnte mich nicht pflegen,
Ja, richtig--zwanzig!

Judas.
Da geschieht ihm nichts!
(Mariamne und Alexandra erscheinen.)
Die Königin! (Will gehen.)

Silo.
Wie meinst du das? Ein Wort noch!

Judas.
Wohl! Im Vertraun denn! Weil er zwanzig ist,
Geschieht ihm nichts! Doch wenn er neunzehn wär'
Und einundzwanzig, ginge es ihm schlecht!
Im künft'gen Jahr steht's anders!

Silo.
Spaße nicht!

Judas.
Ich sage dir, so ist's! Und willst du wissen
Warum? Der König selbst hat einen Sohn
Von zwanzig Jahren, doch er kennt ihn nicht!
Die Mutter hat ihm, als er sie verließ,
Das Kind entführt und feierlich geschworen,
Es zu verderben--

Silo.
Greuelhaftes Weib!
Heidin?

Judas.
Vermutlich! Zwar, ich weiß es nicht!--
So zu verderben, daß er's töten müsse,
Verstehst du mich? Ich halt's für Raserei,
Die sich gelegt hat nach der ersten Wut,
Doch ihn macht's ängstlich, und kein Todesurteil
Ward je an einem Menschen noch vollzogen,
Der in dem Alter seines Sohnes stand.
Tröst deinen Gärtner! Doch behalt's für dich!

(Verlieren sich wieder unter die übrigen.)




Fünfte Szene

Alexandra und Mariamne erscheinen im Vordergrund.

Alexandra.
So willst du dich nicht zu den Römern flüchten?

Mariamne.
Wozu nur?

Alexandra.
Um das Leben dir zu sichern!

Mariamne.
Das Leben! Freilich! Das muß man sich sichern!
Der Schmerz hat keinen Stachel ohne das!

Alexandra.
So gib der Stunde wenigstens ihr Recht!
Du gibst ein Fest, so zeig auch deinen Gästen
Ein festliches Gesicht, wie sich's gebührt!

Mariamne.
Ich bin kein Instrument und keine Kerze,
Ich soll nicht klingen, und ich soll nicht leuchten,
Drum nehmt mich, wie ich bin! Nein! Tut es nicht!
Treibt mich, das Beil für meinen Hals zu wetzen,
Was red ich, treibt mich, daß ich mit euch juble--
Soemus, auf!
(Zu Salome, die eben eintritt und ihr entgegenschreitet.)


Du, Salome? Willkommen
Vor allem mir, trotz deiner Trauerkleider!
Das hätt' ich kaum gehofft!




Sechste Szene

Salome.
Ich muß ja wohl,
Wenn ich erfahren will, wie's steht! Ich werde
Zu einem Fest geladen, doch man sagt
Mir nicht, warum das Fest gegeben wird!
Zwar kann ich's ahnen, doch ich muß es wissen!
Nicht wahr: Herodes kehrt zurück? Wir werden
Ihn heut noch sehn? Die Kerzen sagen ja,
Die lustige Musik! Tu du es auch!
Ich frag nicht meinetwegen! Doch du weißt--
Nein, nein, du weißt es nicht, du hast's vergessen,
Du hast vielleicht geträumt, sie sei begraben,
Sonst hättst du ihr die Kunde nicht verhehlt,
Allein dein Traum hat dich getäuscht, sie sitzt
Noch immer in der Ecke, wo sie saß,
Als sie dich segnete--

Mariamne.
Was redest du?

Salome.
Genug! Herodes hat noch eine Mutter,
Die bangt um ihren Sohn und härmt sich ab.
Und ich, ich bitt dich: laß sie das Verbrechen,
Daß sie auch mich gebar, nicht länger büßen,
Gib ihr den Trost, nach dem ihr Herz verlangt!

Mariamne.
Ich hab für seine Mutter keinen Trost!

Salome.
Du hast Herodes heut nicht zu erwarten?

Mariamne.
Nichts weniger! Ich hörte, er sei tot!

Salome.
Und feierst dieses Fest?

Mariamne.
Weil ich noch lebe!
Soll man sich denn nicht freun, daß man noch lebt?

Salome.
Ich glaub dir nicht!

Mariamne.
Viel Dank für deinen Zweifel!

Salome.
Die Kerzen--

Mariamne.
Sind sie nicht zum Leuchten da?

Salome.
Die Zimbeln--

Mariamne.
Müssen klingen, weißt du's anders?

Salome (deutet auf Mariamnens reiche Kleidung).
Die Edelsteine--

Mariamne.
Stünden dir zwar besser--

Salome.
Das alles deutet--

Mariamne.
Auf ein Freudenfest!

Salome.
Das über einem Grabe--

Mariamne.
Es ist möglich!

Salome.
Dann--Mariamne, hör ein ernstes Wort!
Ich hab dich stets gehaßt, doch immer blieb mir
Ein Zweifel, ob es auch mit Recht geschah,
Und reuig hab ich oft mich dir genähert,
Um--

Mariamne.
Mich zu küssen! Einmal tatst du's gar!

Salome.
Jetzt aber seh ich, du bist--

Mariamne.
Schlecht genug,
Dich stehnzulassen und mich in die Schar
Zu mischen, welche dort den Tanz beginnt!
Soemus!

Soemus (reicht ihr den Arm).
Königin!

Mariamne.
So hat Herodes
Mich ganz gewiß gesehen, als er dir
Den blutigen Befehl gab. Wunderbar!
Es ist nun wirklich alles so gekommen!
(Im Abgehen zu Salome.)
Du siehst doch zu?

(Von Soemus in den Hintergrund geführt, wo sie beide nicht mehr gesehen werden.)

Salome.
Dies Weib ist noch viel schlechter,
Als ich's mir dachte! Das will etwas sagen!
Drum hat sie auch die bunte Schlangenhaut,
Mit der sie alles ködert!--ja, sie tanzt!
Nun, wahrlich, jetzt ist mein Gewissen ruhig,
Der kann kein Mensch auf Erden unrecht tun!

(Sie sieht Mariamnen zu.)





Siebente Szene

Alexandra kommt mit Titus.

Alexandra.
Titus, du siehst, wie meine Tochter trauert!

Titus.
Sie hat wohl neue Botschaft von Herodes?

Alexandra.
Die Botschaft, daß es mit ihm aus ist! Ja!

Titus (sieht nach Mariamnen).
Sie tanzt!

Alexandra.
Als wäre sie, statt Witwe, Braut!
Titus, sie trug bis heute eine Maske,
Und, merk dir das, sie tat es nicht allein!

Titus.
Sehr gut für sie! Dann bleibt sie, was sie ist!
Gehört sie zu den Feinden des Herodes,
So wird sie nicht mit seinen Freunden büßen!

Alexandra.
Um das zu zeigen, gibt sie ja dies Fest!
(Entfernt sich von Titus.)

Titus.
Es schaudert mir vor diesen Weibern doch!
Die eine haut dem Helden, den sie erst
Durch heuchlerische Küsse sicher machte,
Im Schlaf den Kopf ab, und die andre tanzt,
Um sich nur ja die Krone zu erhalten,
Wie rasend, auf dem Grabe des Gemahls!
Um das zu sehn, ward ich gewiß geladen
(Er sieht wieder nach Mariamnen.)
Ja, ja, ich seh's und will's in Rom bezeugen--
Doch trinke ich hier keinen Tropfen Wein!

Salome.
Was sagst du, Titus? Steht es mit dem König
So schlecht, daß die schon alles wagen darf?

Titus.
Wenn er nicht gleich sich zum Octavian
Geschlagen und dem Marc Anton vorm Fall
Den letzten Stoß noch mitgegeben hat,
Und das bezweifle ich, so steht's nicht gut!

Salome.
O hätt' er's doch getan!--Wenn die den Kopf
Behält, so weiß ich nicht, warum der Herr
Das Blut der üpp'gen Jesabel den Hunden
Zu lecken gab! (Verliert sich unter die übrigen.)

Titus.
Sie tanzt noch fort! Doch scheint's
Ihr nicht ganz leicht zu sein! Sie müßt' erglühen,
Doch sie erbleicht, als ob sie in Gedanken
Was andres täte und nur unwillkürlich
Dem Reigen folgte! Nun, auch diese Judith
Hat wohl nicht ohne Angst ihr Werk vollbracht!
Und die da muß den letzten Kuß des Mannes,
Den sie hier jetzt vor mir so feierlich
Verleugnet, noch auf ihrer Lippe fühlen,
Auch sah sie ihn ja noch nicht tot!--Sie kommt!

(Mariamne erscheint wieder. Alexandra und Soemus folgen ihr.)

Alexandra (zu Mariamne).
Ich sprach mit Titus!

Mariamne (erblickt bei einer plötzlichen Wendung ihr Bild im Spiegel).

Ha!

Alexandra.
Was hast du denn?

Mariamne.
So hab ich mich ja schon im Traum gesehn!--
Das also war's, was mich vorhin nicht ruhn ließ,
Bis der verlorene Rubin sich fand,
Der jetzt auf meiner Brust so düster glimmt:
Das Bild hätt' eine Lücke ohne ihn!--
Auf dieses folgt das letzte bald!

Alexandra.
Komm zu dir!

Mariamne.
So laß mich doch!--Ein Spiegel, ganz, wie der!
Zu Anfang angelaufen, wie vom Hauch
Des Atmenden, dann, wie die Bilder, die
Er nacheinander zeigte, sanft sich klärend
Und endlich leuchtend, wie geschliffner Stahl.
Ich sah mein ganzes Leben! Erst erschien ich
Als Kind, von zartem Rosenlicht umflossen,
Das immer röter, immer dunkler ward:
Da waren mir die eignen Züge fremd,
Und bei der dritten Wandlung erst erkannt' ich
Mich in dem gar zu jungen Angesicht.
Nun kam die Jungfrau und der Augenblick,
Wo mich Herodes in den Blumengarten
Begleitete und schmeichelnd zu mir sprach:
So schön ist keine, daß sie deine Hand
Nicht pflücken dürfte!--Ha, er sei verflucht,
Daß er's so ganz vergaß! So ganz! Dann ward's
Unheimlich, und ich mußte wider Willen
Die Zukunft schaun. Ich sah mich so und so,
Und endlich, wie ich hier steh! (Zu Alexandra.) Ist es denn
Nicht seltsam, wenn ein Traum ins Leben tritt?--
Nun trübte sich der helle Spiegel wieder,
Das Licht ward aschenfarbig, und ich selbst,
Die kurz zuvor noch Blühende, so bleich,
Als hätt' ich unter diesem Prachtgewand
Schon längst aus allen Adern still geblutet.
Ein Schauder packte mich, ich rief: Jetzt komme
Ich als Geripp, und das will ich nicht sehn!
Da wandt' ich mich--
(Sie wendet sich vom Spiegel ab.)

Stimmen im Hintergrund. Der König!

(Allgemeine Bewegung.)

Alexandra.
Wer?




Achte Szene

Herodes tritt ein, kriegerisch angetan. Joab. Gefolge.

Mariamne.
Der Tod! Der Tod! Der Tod ist unter uns!
Unangemeldet, wie er immer kommt!

Salome.
Der Tod für dich! jawohl! So fühlst du's selbst?
Mein Bruder!
(Will Herodes umarmen, er drängt sie zurück.)

Herodes.
Mariamne! (Er nähert sich ihr.)

Mariamne (weist ihn mit einer heftigen Gebärde zurück).
Zieh das Schwert!
Reich mir den Giftpokal! Du bist der Tod!
Der Tod umarmt und küßt mit Schwert und Gift!

Herodes (kehrt sich nach Salome um).
Was soll das heißen? Tausend Kerzen riefen
Mir aus der Ferne durch die Nacht schon zu:
Dein Bote ward nicht von den Arabern
Ergriffen, er kam an, du wirst erwartet,
Und jetzt--

Salome.
Die Kerzen haben dich betrogen,
Hier ward gejubelt über deinen Tod!
Dein Bote kam nicht an, und deine Mutter
Zerriß schon ihr Gewand um dich!

(Herodes sieht um sich, bemerkt Titus und winkt ihm.)

Titus (tritt heran).
So ist's!
Hier war kein Mensch darauf gefaßt, ich selbst
Nicht einmal ganz, daß du noch vor der Schlacht
Bei Aktium den Antonius verlassen
Und, wie's die Klugheit freilich riet, zum Cäsar
Hinübergehen würdest! Daß du's tatest,
Beweist mir deine Wiederkunft. Nun wohl!
Ich--wünsch dir Glück!

Mariamne (tritt herzu).
Und ich beklage dich,
Daß die Gelegenheit sich dir nicht bot,
Den Marc Anton mit eigner Hand zu schlachten.
So hättst du deinem neuen Herrn am besten
Gezeigt, daß dir am alten nichts mehr lag;
Du hättst ihm deines Freundes Kopf gebracht,
Er hätt' ihn mit der Krone dir bezahlt!

Herodes.
Pfui, Titus, pfui! Auch du denkst so von mir?
Ich zog hinunter nach Arabien,
Wie mir's Antonius geboten hatte,
Allein ich fand dort keinen Feind! Nun macht' ich
Mich auf nach Aktium, und meine Schuld
War's nicht, wenn ich zu spät kam. Hätt' er sich
Gehalten, wie ich glaubte, daß er's würde,
So hätt' ich (gegen Mariamne) die Gelegenheit gesucht,
Ihm mit dem Kopfe des Octavian
Die Krone zu bezahlen! (Zu Titus.) Er tat's nicht!
Er war schon tot, als ich erschien. Nun tat ihm
Der Freund nicht weiter not, und ich begab
Mich zum Octavian; zwar nicht als König--
Die Krone legt' ich ab--doch darum auch
Als Bettler nicht. Ich zog mein Schwert und sprach:
Dies wollt' ich brauchen gegen dich, ich hätt' es
Vielleicht mit deinem eignen Blut gefärbt,
Wenn's hier noch besser stünde. Das ist aus!
Jetzt senke ich's vor dir und leg es ab!
Erwäge du nun, welch ein Freund ich war,
Nicht, wessen Freund; der Tote gab mich frei:
Ich kann jetzt, wenn du willst, der deine sein!

Titus.
Und er?

Herodes.
Er sprach "Wo hast du dien Krone?
Ich setz noch einen Edelstein hinein,
Nimm die Provinz hin, die dir fehlt bis heute,
Du sollst es nur an meiner Großmut fühlen,
Daß ich der Sieger bin, nicht Marc Anton,
Er hätt' sie Cleopatren nie genommen,
Die sie bisher besaß, ich schenk sie dir!

Titus.
Das--hätt' ich nie gedacht. Auch preis ich nichts,
Als deinen Stern!

Herodes.
Titus! O preis ihn nicht!
Ich ward zu schwerem Werk gespart! Soemus!
(Soemus bleibt stehen, wo er steht und antwortet nicht.)
Verrietst du mich? Du schweigst! Ich weiß genug!
Oh! Oh! Hinweg mit ihm!

Soemus (indem er abgeführt wird).
Ich leugne nichts!
Doch, daß ich dich für tot hielt, magst du glauben!
Jetzt tu, was dir gefällt! (Ab.)

Herodes.
Und nach dem Tode
Hört alles auf, nicht wahr? Ja! Ja! Mein Titus,
Hättst du den Mann gekannt, wie ich--du würdest
Nicht so gelassen, nicht so ruhig dastehn,
Wie ich hier steh, du würdest schäumen, knirschen
Und wütend sprechen: (Gegen Mariamne.) Weib, was tatst du alles,
Um den so weit zu bringen?--Salome,
Du hattest recht, ich muß mich waschen, waschen--
Blut her! Sogleich beruf ich ein Gericht!
(Gegen Mariamne.) Du schweigst? Du hüllst dich noch in deinen Trotz?
Ich weiß warum! Du hast's noch nicht vergessen,
Was du mir warst! Auch jetzt noch riss' ich leichter
Das Herz mir aus der Brust--Titus, so ist's!--
Als (wieder zu Mariamne) dich mir aus dem Herzen! Doch ich tu's!

Mariamne (wendet sich kurz).
Ich bin Gefangne?

Herodes.
Ja!

Mariamne (zu den Soldaten).
So führt mich ab!
(Wendet sich. Auf Herodes' Wink folgt ihr Joab mit Soldaten.)
Der Tod kann mein Gemahl nicht länger sein! (Ab.)

Herodes.
Ha! Ha! Zu der hab ich einmal gesprochen:
Zwei Menschen, die sich lieben, wie sie sollen,
Können einander gar nicht überleben,
Und wenn ich selbst auf fernem Schlachtfeld fiele:
Man brauchte dir's durch Boten nicht zu melden,
Du fühltest es sogleich, wie es geschehn,
Und stürbest ohne Wunde mit an meiner!
Titus, verlach mich nicht! So ist's! So ist's!
Allein die Menschen lieben sich nicht so! (Ab.)





Fünfter Akt

Großer Audienzsaal, wie im ersten Akt.

Man erblickt Thron und Richtertafel.




Erste Szene

Herodes und Salome.

Herodes.
Hör auf, hör auf! Ich habe das Gericht
Bestellt und werde seinen Spruch vollziehn!
Ich, der ich sonst vor jedem Fieber bebte,
Wenn's auch nur ihre Kammerfrau befiel,
Ich selbst bewaffne gegen sie den Tod!
Das sei genug! Wenn dich dein Eifer noch
Nicht ruhen läßt, wird er sein Ziel verfehlen,
Ich werde denken, daß der Haß allein
Aus deinem Munde spricht, und dich als Zeugin
Verwerfen, wenn ich jede Kerze auch
Als solche gelten lasse, die geflammt,
Und jede Blume, die geduftet hat!

Salome.
Herodes! Leugnen will ich's nicht, ich habe
Nach ihren Fehlern einst gespäht und sie
Vergrößert, wie du selbst die Tugenden,
Die du an ihr entdecktest. War der Stolz,
Womit sie mir und deiner Mutter immer
Begegnete, war er ein Grund zur Liebe?
Sie gab sich als ein Wesen höhrer Art,
Das niemals einen anderen Gedanken,
Als den, in mir erregte: wozu ist
Das dicke Buch, das von den Heldentaten
Der Makkabäer uns erzählt, nur da?
Die trägt ja selbst die Chronik im Gesicht!

Herodes.
Du willst mich widerlegen und besiegelst
Den Spruch, den ich gefällt!

Salome.
Hör mich nur aus!
So war's, ich leugn' es nicht. Doch wenn ich jetzt
Mehr sagte, als ich weiß und denk und fühle,
Ja, wenn ich nicht aus schwesterlichem Mitleid
Die Hälfte dessen, was ich sagen könnte,
Noch in der Brust verschloß, so soll mein Kind--
Ich liebe es ja wohl?--so viele Jahre
Erleben, als sein Scheitel Haare zählt,
Und jeder Tag ihm so viel Schmerzen bringen,
Als er Minuten, ja Sekunden hat!

Herodes.
Der Schwur ist fürchterlich!

Salome.
Und dennoch fällt er
Mir leichter, als das Wort: die Nacht ist schwarz!
Mein Auge könnte krank sein, doch unmöglich
Ist mit dem Auge krank zugleich das Ohr,
Ja, der Instinkt, das Herz und jegliches
Organ, das meine Sinne unterstützt!
Und alle stimmen diesmal so zusammen,
Als könnten sie sich gar nicht widersprechen.
Ja, hätte Gott in jener Festesnacht
Mir aus des Himmels Höhen zugerufen:
Von welchem übel soll ich eure Erde
Befrein, du hast die Wahl, so hätt' ich nicht
Die Pest, ich hätt' dein böses Weib genannt!
Mir schauderte vor ihr, mir war zumut,
Als hätt' ich einem Dämon aus der Hölle
Im Finstern meine Menschenhand gereicht,
Und er verhöhnte mich dafür, er träte
In seiner eignen schrecklichen Gestalt
Aus dem gestohlnen Leib von Fleisch und Blut
Hervor und grinste mich durch Flammen an.
Auch schauderte mir nicht allein, der Römer
Sogar, der eh'rne Titus, war entsetzt!

Herodes.
Jawohl, und der wiegt schwerer, als du selbst,
Denn, wie er keinen liebt, so haßt er keinen
Und ist gerecht, wie Geister ohne Blut.
Verlaß mich jetzt, denn ich erwarte ihn!

Salome.
Nein, niemals werd' ich diesen Tanz vergessen,
Bei dem sie nach dem Takte der Musik
Den Boden trat, als wüßte sie's gewiß,
Daß du darunter lagst! Bei Gott, ich wollte,
Ich müßte das nicht sagen! Denn ich weiß,
Wie tief es dich, der du ihr Mutter, Schwester,
Und was nicht, opfertest, empören muß!
Allein, so war es! (Ab.)




Zweite Szene

Herodes (allein).
Titus sagte mir
Das nämliche! Auch sah ich selbst genug!
Und die hat recht! Ich habe ihr die Schwester
Und fast die Mutter auch geopfert: wögen
Die nicht den Bruder auf, den sie verlor?
In ihren Augen nicht!




Dritte Szene

Titus tritt ein.

Herodes.
Nun, Titus, nun?
Bekennt Soemus?

Titus.
Was du weißt! Nicht mehr!

Herodes.
Nichts von--

Titus.
O nein! Er fuhr, wie rasend, auf,
Als ich von fern nur darauf deutete!

Herodes.
Ich konnte es erwarten!

Titus.
Niemals hätte
Ein Weib, wie deins, gelebt, und niemals sei
Ein Mann des Kleinods, das ihm Gott beschieden,
So wenig wert gewesen--

Herodes.
Als ich selbst!
Ja, ja!--"Er wußte nicht, was Perlen sind,
Drum nahm ich ihm sie weg!" So sprach der Dieb.
Ich weiß nicht, half's ihm was?

Titus.
Ihr Herz sei edler
Als Gold--

Herodes.
So kennt er es? Er ist berauscht
Und lobt den Wein! Ist das nicht ein Beweis,
Daß er getrunken hat? Was schützte er
Denn vor? Warum verriet er meinen Auftrag
An sie?

Titus.
Aus Abscheu, wie er sagt!

Herodes.
Aus Abscheu?
Und diesen Abscheu sprach er mir nicht aus?

Titus.
Wär' das ihm wohl bekommen? Hättest du
Den starren Diener leben lassen können,
Der den Befehl einmal von dir empfing
Und ihn zurückwies?

Herodes.
War's in solchem Fall
Denn nicht genug, ihn unvollführt zu lassen?

Titus.
Gewiß! Doch wenn er weiter ging, so tat er's
Vielleicht, weil du ihm schon verloren schienst,
Und weil er nun die Gunst der Königin
Auf deine Kosten sich erkaufen wollte,
In deren Händen seine Zukunft lag.

Herodes.
Nein, Titus, nein! Soemus war der Mann,
In eigener Person den Griff zu wagen,
Der uns die fremde Gunst entbehrlich macht!
Nur darum übertrug ich's ihm, ich dachte:
Er tut's für sich, wenn er's für dich nicht tut!
Ja, wär' er ein Geringrer, als er ist,
Und hätt' er nicht in Rom die vielen Freunde,
So wollt' ich's glauben, aber jetzt--Nein, nein!
Es gab nur einen Grund!

Titus.
Und dennoch räumt
Er den nicht ein!

Herodes.
Er wär' nicht, was er ist,
Wenn er es täte, denn er weiß gar wohl,
Was folgen wird, und hofft nun, durch sein Leugnen
In meiner Brust noch einen letzten Zweifel
Zu wecken, der, wenn nicht sein eignes Haupt,
So doch das ihrige, vorm Tode schützt!
Allein er irrt, dem Zweifel fehlt der Stachel,
Denn hätt' ich nichts zu strafen, was sie tat,
So straft' ich, was sie ward, und was sie ist!
Ha! Wär' sie je gewesen, was sie schien:
Sie hätte so sich nie verwandeln können,
Und Rache nehm ich an der Heuchlerin!
Ja, Titus, ja, ich schwör es bei dem Schlüssel
Zum Paradies, den sie in Händen hält;
Bei aller Seligkeit, die sie mir schon
Gewährte und mir noch gewähren kann;
Ja, bei dem Schauder, der mich eben mahnt,
Daß ich in ihr mich selbst vernichten werde:
Ich mach ein Ende, wie's auch stehen mag!

Titus.
Es ist zu spät, dir warnend zuzurufen:
Gib den Befehl nicht! und ich kenne selbst
Kein Mittel, das zur Klarheit führen kann,
Drum wag ich nicht zu sagen: halte ein!




Vierte Szene

Joab tritt ein.

Herodes.
Sind sie versammelt?

Joab.
Längst! Aus dem Gefängnis
Muß ich dir melden, was mir wichtig scheint!
Man kann den Sameas nicht so weit bringen,
Daß er sich selbst entleibt!

Herodes.
Ich gab Befehl,
Daß man ihn martern soll, bis er es tut!
(Zu Titus.)
Der hat geschworen, hört' ich, sich zu töten,
Wenn er mich nicht zu seinesgleichen machen,
Den Heidensinn in mir, wie er es nennt,
Nicht brechen könne. Da ihm das mißlang,
So zwinge ich ihn, seinen Schwur zu halten,
Er hat den Tod wohl tausendfach verdient!

Titus.
Ich hätte selbst auf seinen Tod gedrungen,
Denn er hat mich beschimpft und Rom in mir,
Und das kann überall verziehen werden,
Nur hier nicht, wo das Volk so störrig ist!

Herodes (zu Joab).
Nun denn!

Joab.
Man tat getreu nach deinen Worten,
Allein es half zu nichts. Der Henker hat
Fast jede Qual ihm angetan, er hat
Ihm obendrein, ergrimmt ob seinem Trotz,
Den er für Hohn nahm, Wunden beigebracht,
Doch ist's, als hätt' er einen Baum gegeißelt,
Als hätte er in Holz hineingeschnitten:
Der Alte steht so da, als fühlt' er nichts,
Er singt, anstatt zu schrein und nach dem Messer
Zu greifen, das ihm vorgehalten wird,
Er singt den Psalm, den die drei Männer einst
Im feur'gen Ofen sangen, er erhebt
Bei jedem neuen Schmerz die Stimme lauter
Und, wenn er einhält, prophezeit er gar!

Herodes (für sich).
So sind sie! Ja!--Und wird sie anders sein?

Joab.
Dann ruft er aus, als hätt' er für geheime
Und wunderbare Dinge so viel Augen
Bekommen, als er Wunden zählt, nun sei
Die Zeit erfüllt, und in die Krippe lege
Die Jungfrau-Mutter aus dem Stamme Davids
In diesem heil'gen Augenblick ein Kind,
Das Throne stürzen, Tote wecken, Sterne
Vom Himmel reißen und von Ewigkeit
Zu Ewigkeit die Welt regieren werde.
Das Volk indes, zu Tausenden versammelt,
Harrt draußen vor den Toren, hört das alles
Und glaubt, daß sich Elias' Flammenwagen
Herniedersenken wird, um ihn, wie den,
Emporzutragen. Selbst ein Henkersknecht
Erschrak und hielt, anstatt ihm neue Wunden
Zu schlagen, ihm die alten zu!

Herodes.
Man soll
Ihn auf der Stelle töten, und dem Volk
Ihn zeigen, wenn er tot ist!--Laß dann auch
Die Richter kommen und--

Joab.
Die Königin! (Ab.)

Herodes.
Du, Titus, wirst an meiner Seite sitzen!
Auch ihre Mutter habe ich geladen,
Damit es ihr nicht an der Zeugin fehlt.




Fünfte Szene

Aaron und die übrigen fünf Richter treten ein. Alexandra und Salome
folgen. Joab erscheint gleich darauf.

Alexandra.
Mein König und mein Herr, sei mir gegrüßt!

Herodes.
Ich danke dir!

(Er setzt sich auf seinen Thron. Titus setzt sich ihm zur Seite.
Die Richter setzen sich dann auf seinen Wink im Halbkreis um die Tafel)

Alexandra (während dies geschieht). Vom Schicksal Mariamnens
Scheid ich das meinige, und spare mich,
Wie eine Fackel, für die Zukunft auf!

(Sie setzt sich neben Salome.)

Herodes (zu den Richtern).
Ihr wißt, warum ich euch berufen ließ!

Aaron.
In tiefstem Schmerz erschienen wir vor dir!

Herodes.
Nicht zweifl' ich! Mir und meinem Hause seid
Ihr alle eng befreundet und verwandt,
Was mich trifft, trifft euch mit! Euch wird es freun'
Wenn ihr die Königin, die--(Er stockt.) Schenkt mir das!
Euch wird es freun, wenn ihr sie nicht verdammen,
Wenn ihr, anstatt nach Golgatha hinaus,
Zurück mir in das Haus sie schicken dürft,
Doch werdet ihr auch vor dem äußersten
Nicht mutlos zittern, wenn' es nötig wird,
Denn, wie ihr Glück und Unglück mit mir teilt,
So teilt ihr Schmach und Ehre auch mit mir.
Wohlan denn!

(Er gibt Joab ein Zeichen. Joab geht ab. Dann erscheint er wieder mit
Mariamne.--Es entsteht eine lange Pause.)

Aaron!

Aaron.
Königin! Uns ward
Ein schweres Amt! Du stehst vor deinen Richtern!

Mariamne.
Vor meinen Richtern, ja, und auch vor euch!

Aaron.
Erkennst du dies Gericht nicht an?

Mariamne.
Ich sehe
Ein höhres hier! Wenn das auf eure Fragen
Die Antwort mir gestattet, werd' ich reden,
Und schweigen werd' ich, wenn es sie verbeut!--
Mein Auge sieht euch kaum! Denn hinter euch
Stehn Geister, die mich stumm und ernst betrachten,
Es sind die großen Ahnen meines Stamms.
Drei Nächte sah ich sie bereits im Traum,
Nun kommen sie bei Tage auch, und wohl
Erkenn ich, was es heißt, daß sich der Reigen
Der Toten schon für mich geöffnet hat
Und daß, was lebt und atmet, mir erbleicht.
Dort, hinter jenem Thron, auf dem ein König
Zu sitzen scheint, steht Judas Makkabäus:
Du Held der Helden, blicke nicht so finster
Auf mich herab, du sollst mit mir zufrieden sein!

Alexandra.
Sei nicht zu trotzig, Mariamne!

Mariamne.
Mutter!
Leb wohl!--(Zu Aaron.) Weswegen bin ich hier verklagt?

Aaron.
Du habest deinen König und Gemahl
Betrogen--(Zu Herodes.) Nicht?

Mariamne.
Betrogen? Wie? Unmöglich!
Hat er mich nicht gefunden, wie er mich
Zu finden dachte? Nicht bei Tanz und Spiel?
Zog ich, als ich von seinem Tode hörte,
Die Trauerkleider an? Vergoß ich Tränen?
Zerrauft' ich mir das Haar? Dann hätt' ich ihn
Betrogen, doch ich hab es nicht getan
Und kann es dartun. Salome, sprich du!

Herodes.
Ich fand sie, wie sie sagt. Sie braucht sich nicht
Nach einem andern Zeugen umzusehn.
Doch niemals, niemals hätte ich's gedacht!

Mariamne.
Niemals gedacht? Und doch verlarvt den Henker
Dicht hinter mich gestellt? Das kann nicht sein!
Wie ich beim Scheiden stand vor seinem Geist,
So hat er mich beim Wiedersehn gefunden,
Drum muß ich leugnen, daß ich ihn betrog!

Herodes. (in ein wildes Gelächter ausbrechend).
Sie hat mich nicht betrogen, weil sie nichts
Getan, als was das Vorgefühl, die Ahnung,
Wie preis ich sie, die düstre Warnerin!
Mich fürchten ließ--(Zu Mariamne.) Weib! Weib! Dies steht dir an!
Doch baue nicht zu fest darauf, daß ich
Mit Glück und Ruhe auch die Kraft verlor,
Mir blieb vielleicht ein Rest noch für die Rache,
Und--schon als Knabe schoß ich einem Vogel
Stets einen Pfeil nach, wenn er mir entflog.

Mariamne.
Sprich nicht von Vorgefühl und Ahnung, sprich
Von Furcht allein! Du zittertest vor dem,
Was du verdientest! Das ist Menschenart!
Du kannst der Schwester nicht mehr traun, seit du
Den Bruder tötetest, du hast das ärgste
Mir zugefügt und glaubst nun, daß ich's dir
Erwidern, ja, dich überbieten muß!
Wie, oder hast du stets, wenn du dem Tod
In ehrlich-offnem Krieg entgegenzogst,
Den Henker hinter mich gestellt? Du schweigst!
Wohlan denn! Da du's selbst so tief empfindest,
Was sich für mich geziemt, da deine Furcht
Mich über meine Pflicht belehrt, so will
Ich endlich diese heil'ge Pflicht erfüllen,
Drum scheid ich mich auf ewig von dir ab!

Herodes.
Antwort! Bekennst du? Oder tust du's nicht?
(Mariamne schweigt.--Herodes zu den Richtern.)
Ihr seht, das Eingeständnis fehlt! Und auch
Beweise hab ich nicht, wie ihr sie braucht!
Doch habt ihr einmal einen Mörder schon
Zum Tod verdammt, weil des Erschlagnen Kleinod
Sich bei ihm fand. Es half ihm nichts, daß er
Auf seine wohlgewaschnen Hände wies,
Und nichts, daß er euch schwur, der Tote habe
Es ihm geschenkt: Ihr ließt den Spruch vollziehn!
Wohlan! So steht's auch hier! Sie hat ein Kleinod,
Was mir bezeugt, unwidersprechlicher,
Wie's irgendeine Menschenzunge könnte,
Daß sie den Greul der Greul an mir beging.
Ein Wunder hätt' nicht bloß geschehn, es hätte
Sich wiederholen müssen, wär' es anders,
Und Wunder wiederholten sich noch nie!
(Mariamne macht eine Bewegung.)
Zwar wird sie sprechen, wie der Mörder sprach:
Man habe ihr's geschenkt! Auch darf sie's wagen,
Denn, wie ein Wald, ist eine Kammer stumm.
Doch, wäret ihr versucht, ihr das zu glauben,
So setz ich euch mein innerstes Gefühl
Und die Ergründung aller Möglichkeiten
Entgegen, und verlange ihren Tod.
Ja, ihren Tod! Ich will den Kelch des Ekels
Nicht leeren, den der Trotz mir beut, ich will
Nicht Tag für Tag mich mit dem Rätsel quälen,
Ob solch ein Trotz das widerwärtigste
Gesicht der Unschuld, ob die frechste Larve
Der Sünde ist, ich will mich aus dem Wirbel
Von Haß und Liebe, eh' er mich erstickt,
Erretten, kost es, was es kosten mag!
Darum hinweg mit ihr!--Ihr zögert noch?
Es bleibt dabei!--Wie?--Oder traf ich's nicht?
Sprecht ihr! Ich weiß, das Schweigen ist an mir!
Doch sprecht! Sprecht! Sitzt nicht da, wie Salomo
Zwischen den Müttern mit den beiden Kindern!
Der Fall ist klar! Ihr braucht nicht mehr zum Spruch,
Als was ihr seht! Ein Weib, das dastehn kann,
Wie sie, verdient den Tod, und wär' sie rein
Von jeder Schuld! Ihr sprecht noch immer nicht?
Wollt ihr vielleicht erst den Beweis, wie fest
Ich überzeugt bin, daß sie mich betrog?
Den geb ich euch durch des Soemus Kopf,
Und das sogleich! (Er geht auf Joab zu.)

Titus (erhebt sich).
Dies nenn ich kein Gericht!
Verzeih! (Er will gehen.)

Mariamne.
Bleib, Römer, ich erkenn es an!
Wer will's verwerfen, wenn ich selber nicht!

(Titus setzt sich wieder.--Alexandra steht auf. Mariamne tritt zu ihr
heran, halblaut.)

Du hast viel Leid mir zugefügt, du hast
Nach meinem Glück das deine nie gemessen!
Soll ich es dir verzeihn, so schweige jetzt!
Du änderst nichts, mein Entschluß ist gefaßt.
(Alexandra setzt sich wieder.)
Nun, Richter?

Aaron (zu den übrigen).
Wer von euch den Spruch des Königs
Nicht für gerecht hält, der erhebe sich!
(Alle bleiben sitzen.)
So habt ihr alle auf den Tod erkannt!
(Er steht auf.)
Du bist zum Tod verurteilt, Königin!--
Hast du noch was zu sagen?

Mariamne.
Wenn der Henker
Nicht zum voraus bestellt ist und auf mich
Schon wartet mit dem Beil, so möchte ich
Vorm Tode noch mit Titus ein Gespräch.
(Zu Herodes.)
Man pflegt den Sterbenden die letzte Bitte
Nicht abzuschlagen. Wenn du sie gewährst,
So sei mein Leben deinem zugelegt!

Herodes.
Der Henker ist noch nicht bestellt--ich kann's!
Und da du mir dafür die Ewigkeit
Als Lohn versprichst, so muß und will ich auch!
(Zu Titus.)
Ist dieses Weib nicht fürchterlich?

Titus.
Sie steht
Vor einem Mann, wie keine stehen darf!
Drum endige!

Salome (tritt heran).
O tu es! Deine Mutter
Ist krank bis auf den Tod! Sie wird gesund,
Wenn sie das noch erlebt,

Herodes (zu Alexandra).
Sprachst du nicht was?

Alexandra.
Nein!

(Herodes sieht Mariamnen lange an. Mariamne bleibt stumm.)

Herodes.
Stirb! (Zu Joab.) Ich leg's in deine Hand!

(Schnell ab. Ihm folgt Salome.)

Alexandra (ihm nachsehend).
Ich habe
Noch einen Pfeil für dich! (Zu Mariamne.) Du wolltest's so!

Mariamne.
Ich danke dir!

(Alexandra ab.)

Aaron (zu den übrigen Richtern). Versuchen wir nicht noch,
Ihn zu erweichen? Mir ist dies entsetzlich!
Es ist die letzte Makkabäerin!
Wenn wir nur kurzen Aufschub erst erlangten!
Jetzt ging's nicht an, daß wir ihm widerstrebten,
Bald wird er selbst ein andrer wieder sein.
Und möglich ist's, daß er uns dann bestraft,
Weil wir ihm heut nicht Widerstand getan!
Ihm nach! (Ab.)

Joab (nähert sich Mariamnen).
Vergibst du mir? Ich muß gehorchen!

Mariamne.
Tu, was dein Herr gebot, und tu es schnell!
Ich bin bereit, sobald du selbst es bist,
Und Königinnen, weißt du, warten nicht!

(Joab ab.)




Sechste Szene

Mariamne (tritt zu Titus).
Nun noch ein Wort vorm Schlafengehn, indes
Mein letzter Kämmrer mir das Bette macht!
Du staunst, ich seh es, daß ich dieses Wort
An dich, und nicht an meine Mutter, richte,
Allein sie steht mir fern und ist mir fremd.

Titus.
Ich staune, daß ein Weib mich lehren soll,
Wie ich als Mann dereinst zu sterben habe!
Ja, Königin, unheimlich ist dein Tun
Und, ich verhehl's nicht, selbst dein Wesen mir,
Allein ich muß den Heldensinn verehren,
Der dich vom Leben scheiden läßt, als schiene
Die schöne Welt dir auf dem letzten Gang
Nicht einmal mehr des flücht'gen Umblicks wert,
Und dieser Mut versöhnt mich fast mit dir!

Mariamne.
Es ist kein Mut!

Titus.
Zwar hat man mir gesagt
Daß eure finstern Pharisäer lehren,
Im Tode geh' das Leben erst recht an,
Und daß, wer ihnen glaubt, die Welt verachtet,
In welcher nur die Sonne ewig leuchtet
Und alles übrige in Nacht verlischt!

Mariamne.
Ich hörte nie auf sie und glaub es nicht!
O nein, ich weiß, wovon ich scheiden soll!

Titus.
Dann stehst du da, wie Cäsar selber kaum,
Als ihm von Brutus' Hand der Dolchstoß kam,
Denn er, zu stolz, um seinen Schmerz zu zeigen,
Und doch nicht stark genug, ihn zu ersticken,
Verhüllte fallend sich das Angesicht;
Du aber hältst ihn in der Brust zurück!

Mariamne.
Nicht mehr! Nicht mehr! Es ist nicht, wie du denkst!
Ich fühle keinen Schmerz mehr, denn zum Schmerz
Gehört noch Leben, und das Leben ist
In mir erloschen, ich bin längst nur noch
Ein Mittelding vom Menschen und vom Schatten
Und faß es kaum, daß ich noch sterben kann.
Vernimm jetzt, was ich dir vertrauen will,
Doch erst gelobe mir als Mann und Römer,
Daß du's verschweigst, bis ich hinunter bin,
Und daß du mich geleitest, wenn ich geh.
Du zögerst? Fodre ich zuviel von dir?
Es ist des Strauchelns wegen nicht! Und ob
Du später reden, ob du schweigen willst,
Entscheide selbst. Ich binde dich in nichts
Und halte meinen Wunsch sogar zurück.
Dich aber hab ich darum auserwählt,
Weil du schon immer, wie ein eh'rnes Bild
In eine Feuersbrunst, gelassen-kalt
Hineingeschaut in unsre Hölle hast.
Dir muß man glauben, wenn du Zeugnis gibst,
Wir sind für dich ein anderes Geschlecht,
An das kein Band dich knüpft, du sprichst von uns,
Wie wir von fremden Pflanzen und von Steinen,
Parteilos, ohne Liebe, ohne Haß!

Titus.
Du gehst zu weit!

Mariamne.
Verweigerst du mir jetzt,
Zu starr, dein Wort, so nehm ich mein Geheimnis
Mit mir ins Grab und muß den letzten Trost
Entbehren, den, daß eines Menschen Brust
Mein Bild doch rein und unbefleckt bewahrt,
Und daß er, wenn der Haß sein ärgstes wagt,
Den Schleier, der es deckt, aus Pflichtgefühl
Und Ehrfurcht vor der Wahrheit heben kann!

Titus.
Wohl! Ich gelob es dir!

Mariamne.
So wisse denn,
Daß ich Herodes zwar betrog, doch anders,
Ganz anders, als er wähnt! Ich war ihm treu,
Wie er sich selbst. Was schmäh ich mich? Viel treuer,
Er ist ja längst ein andrer, als er war.
Soll ich das erst beteuern? Eher noch
Entschließ ich mich, zu schwören, daß ich Augen
Und Händ' und Füße habe. Diese könnt' ich
Verlieren, und ich wär' noch, was ich bin,
Doch Herz und Seele nicht!

Titus.
Ich glaube dir
Und werde--

Mariamne.
Halten, was du mir versprachst!
Ich zweifle nicht! Nun frag dich, was ich fühlte,
Als er zum zweiten Mal, denn einmal hatte
Ich's ihm verziehn, mich unters Schwert gestellt,
Als ich mir sagen mußte: eher gleicht
Dein Schatten dir, als das verzerrte Bild,
Das er im tiefsten Innern von dir trägt!
Das hielt ich nicht mehr aus, und konnt' ich's denn?
Ich griff zu meinem Dolch, und, abgehalten
Vom rasch versuchten Selbstmord, schwur ich ihm:
Du willst im Tode meinen Henker machen?
Du sollst mein Henker werden, doch im Leben!
Du sollst das Weib, das du erblicktest, töten
Und erst im Tod mich sehen, wie ich bin!--
Du warst auf meinem Fest. Nun: Eine Larve
Hat dort getanzt!

Titus.
Ha!

Mariamne.
Eine Larve stand
Heut vor Gericht, für eine Larve wird
Das Beil geschliffen, doch es trifft mich selbst!

Titus.
Ich steh erschüttert, Königin, auch zeih ich
Dich nicht des Unrechts, doch ich muß dir sagen:
Du hast mich selbst getäuscht, du hast mich so
Mit Grau'n und Abscheu durch dein Fest erfüllt,
Wie jetzt mit schaudernder Bewunderung.
Und, wenn das mir geschah, wie hätte ihm
Der Schein dein Wesen nicht verdunkeln sollen,
Ihm, dessen Herz, von Leidenschaft bewegt,
So wenig, wie ein aufgewühlter Strom,
Die Dinge spiegeln konnte, wie sie sind.
Drum fühl ich tiefes Mitleid auch mit ihm
Und deine Rache finde ich zu streng!

Mariamne.
Auf meine eignen Kosten nehm ich sie!
Und daß es nicht des Lebens wegen war,
Wenn mich der Tod des Opfertiers empörte,
Das zeige ich, ich werf das Leben weg!

Titus.
Gib mir mein Wort zurück!

Mariamne.
Und wenn du's brächest,
Du würdest nichts mehr ändern. Sterben kann
Ein Mensch den andern lassen; fortzuleben,
Zwingt auch der Mächtigste den Schwächsten nicht.
Und ich bin müde, ich beneide schon
Den Stein, und wenn's der Zweck des Lebens ist,
Daß man es hassen und den ew'gen Tod
Ihm vorziehn lernen soll, so wurde er
In mir erreicht. Oh, daß man aus Granit,
Aus nie zerbröckelndem, den Sarg mir höhlte
Und in des Meeres Abgrund ihn versenkte,
Damit sogar mein Staub den Elementen
Für alle Ewigkeit entzogen sei!

Titus.
Wir leben aber in der Welt des Scheins!

Mariamne.
Das seh ich jetzt, drum gehe ich hinaus!

Titus.
Ich selbst, ich habe gegen dich gezeugt!

Mariamne.
Damit du's tätest, lud ich dich zum Fest!

Titus.
Wenn ich ihm sagte, was du mir gesagt--

Mariamne.
So riefe er mich um, ich zweifle nicht!
Und folgte ich, so würde mir der Lohn,
Daß ich vor einem jeden, der mir nahte,
Von jetzt an schaudern und mir sagen müßte:
Hab acht, das kann dein dritter Henker sein!
Nein, Titus, nein, ich habe nicht gespielt,
Für mich gibt's keinen Rückweg. Gäb' es den,
Glaubst du, ich hätt' ihn nicht entdeckt, als ich
Von meinen Kindern ew'gen Abschied nahm?
Wenn nichts, als Trotz mich triebe, wie er meint,
Der Schmerz der Unschuld hätt' den Trotz gebrochen:
Jetzt machte er nur bittrer mir den Tod!

Titus.
Oh, fühlt' er das und käm' von selbst, und würfe
Sich dir zu Füßen!

Mariamne.
Ja! Dann hätte er
Den Dämon überwunden, und ich könnte
Ihm alles sagen! Denn ich sollte nicht
Unwürdig mit ihm markten um ein Leben,
Das durch den Preis, um den ich's kaufen kann,
Für mich den letzten Wert verlieren muß,
Ich sollte ihn für seinen Sieg belohnen,
Und, glaube mir, ich könnt' es!

Titus.
Ahnst du nichts,
Herodes?

(Joab tritt geräuschlos ein und bleibt schweigend stehen.)

Mariamne.
Nein! Du siehst, er schickt mir den!
(Deutet auf Joab.)

Titus.
Laß mich--

Mariamne.
Hast du mich nicht verstanden, Titus?
Ist es in deinen Augen noch der Trotz,
Der mir den Mund verschloß? Kann ich noch leben?
Kann ich mit dem noch leben, der in mir
Nicht einmal Gottes Ebenbild mehr ehrt?
Und, wenn ich dadurch, daß ich schwieg, den Tod
Heraufbeschwören und ihn waffnen konnte,
Sollt' ich mein Schweigen brechen? Sollt' ich erst
Den einen Dolch vertauschen mit dem andern?
Und wär' es mehr gewesen?

Titus.
Sie hat recht!

Mariamne (zu Joab).
Bist du bereit?
(Joab verneigt sich.--Mariamne gegen Herodes' Gemächer.)
Herodes, lebe wohl!
(Gegen die Erde.)
Du, Aristobolus, sei mir gegrüßt!
Gleich bin ich bei dir in der ew'gen Nacht!

(Sie schreitet auf die Tür zu. Joab öffnet. Man sieht Bewaffnete,
die ehrerbietig Reihen bilden. Sie geht hinaus. Titus folgt ihr.
Joab schließt sich an. Feierliche Pause.)




Siebente Szene

Salome (tritt ein).
Sie ging! Und dennoch schlägt das Herz mir nicht!
Ein Zeichen mehr, daß sie ihr Los verdient.
So hab ich endlich meinen Bruder wieder
Und meine Mutter ihren Sohn! Wohl mir,
Daß ich nicht von ihm wich. Die Richter hätten
Ihn sonst noch umgestimmt. Nein, Aaron, nein,
Nichts von Gefangenschaft! Im Kerker bliebe
Sie keinen Mond. Das Grab nur hält sie fest,
Denn nur zum Grabe hat er keinen Schlüssel.




Achte Szene

Ein Diener.
Drei Kön'ge aus dem Morgenland sind da,
Mit köstlichen Geschenken reich beladen,
Sie kommen an in diesem Augenblick,
Und nie noch sah man fremdere Gestalten
Und wundersamre Trachten hier, wie die!

Salome.
Führ sie herein!
(Diener ab.)
Die meld ich ihm sogleich.
Solange die bei ihm sind, denkt er nicht
An sie! Und bald ist alles aus mit ihr!
(Sie geht zu Herodes hinein.)

(Der Diener führt die drei Könige herein. Sie sind fremdartig gekleidet und so,
daß sie sich in allem voneinander unterscheiden. Ein reiches Gefolge, von dem dasselbe gilt,
begleitet sie. Gold, Weihrauch und Myrrhen. Herodes tritt mit Salome gleich nachher ein.)

Erster König.
Heil, König, dir!

Zweiter König.
Gesegnet ist dein Haus!

Dritter König.
Gebenedeit in alle Ewigkeit!

Herodes.
Ich dank euch! Doch für diese Stunde dünkt
Der Gruß mir seltsam!

Erster König.
Ward dir nicht ein Sohn
Geboren?

Herodes.
Mir? O nein! Mir starb mein Weib!

Erster König.
So ist hier unsers Bleibens nicht!

Zweiter König.
So gibt's
Hier einen zweiten König noch!

Herodes.
Dann gäbe
Es keinen hier.

Dritter König.
So gibt's hier außer deinem
Noch einen zweiten königlichen Stamm!

Herodes.
Warum?

Erster König.
So ist es!

Zweiter König.
Ja, so muß es sein!

Herodes.
Auch davon weiß ich nichts!

Salome (zu Herodes).
In Bethlehem
Hat sich vom Stamme Davids noch ein Zweig
Erhalten!

Dritter König.
David war ein König?

Herodes.
Ja!

Erster König.
So ziehen wir nach Bethlehem hinab!

Salome (fährt fort zu Herodes).
Allein er pflanzt sich nur in Bettlern fort!

Herodes.
Das glaub ich! Sonst--

Salome.
Ich sprach einst eine Jungfrau
Aus Davids Haus, Maria, glaub ich, hieß sie,
Die fand ich schön genug für ihre Abkunft,
Doch war sie einem Zimmermann verlobt
Und schlug die Augen gegen mich kaum auf,
Als ich sie nach dem Namen fragte!

Herodes.
Hört ihr's?

Zweiter König.
Gleichviel! Wir gehn!

Herodes.
Ihr werdet mir doch erst
Verkünden, was euch hergeführt?

Erster König.
Die Ehrfurcht
Vorm König aller Könige!

Zweiter König.
Der Wunsch,
Ihm noch vorm Tod ins Angesicht zu schaun!

Dritter König.
Die heil'ge Pflicht, ihm huldigend zu Füßen
Zu legen, was auf Erden kostbar ist!

Herodes.
Wer aber sagte euch von ihm?

Erster König.
Ein Stern!
Wir zogen nicht zusammen aus, wir wußten
Nichts voneinander, unsre Reiche liegen
Im Osten und im Westen, Meere fließen
Dazwischen, hohe Berge scheiden sie--

Zweiter König.
Doch hatten wir denselben Stern gesehn,
Es hatte uns derselbe Trieb erfaßt,
Wir wandelten denselben Weg und trafen
Zuletzt zusammen an demselben Ziel--

Dritter König.
Und ob des Königs, ob des Bettlers Sohn,
Das Kind, dem dieser Stern ins Leben leuchtet,
Wird hoch erhöhet werden, und auf Erden
Kein Mensch mehr atmen, der sich ihm nicht beugt!

Herodes (für sich).
So spricht das alte Buch ja auch! (Laut.) Darf ich
Nach Bethlehem euch einen Führer geben?

Erster König (deutet gen Himmel).
Wir haben einen!

Herodes.
Wohl!--Wenn ihr das Kind
Entdeckt, so werdet ihr es mir doch melden,
Damit ich es, wie ihr, verehren kann?

Erster König.
Wir werden's tun! Nun fort! nach Bethlehem!

(Alle ab.)

Herodes.
Sie werden's nicht tun!
(Joab und Titus treten auf. Alexandra folgt ihnen.)

Ha!

Joab.
Es ist vollbracht!

(Herodes bedeckt sich das Gesicht.)

Titus.
Sie starb. Jawohl. Ich aber habe jetzt
Ein noch viel fürchterlicheres Geschäft,
Als der, der deinen blut'gen Spruch vollzog:
Ich muß dir sagen, daß sie schuldlos war.

Herodes.
Nein, Titus, nein!
(Titus will sprechen. Herodes tritt dicht vor ihn hin.)

Denn, wäre das, so hättest
Du sie nicht sterben lassen.

Titus.
Niemand konnte
Das hindern, als du selbst!--Es tut mir weh,
Daß ich dir mehr, als Henker, werden muß,
Doch, wenn es heil'ge Pflicht ist, einen Toten,
Wer er auch immer sein mag, zu bestatten,
So ist die Pflicht noch heil'ger, ihn von Schmach
Zu reinigen, wenn er sie nicht verdient,
Und diese Pflicht gebeut mir jetzt allein!

Herodes.
Ich seh aus allem, was du sprichst, nur eins:
Ihr Zauber war ihr selbst im Tode treu!
Was groll ich dem Soemus noch! Wie sollt' er
Der Blendenden im Leben widerstehn!
Dich hat sie im Erlöschen noch entflammt!

Titus.
Geht Eifersucht selbst übers Grab hinaus?

Herodes.
Wenn ich mich täuschte, wenn aus deinem Mund
Jetzt, etwas andres, als ein Mitleid spräche,
Das viel zu tief ist, um nicht mehr zu sein:
Dann müßt' ich dich doch mahnen, daß dein Zeugnis
Sie mit verdammen half, und daß es Pflicht
Für dich gewesen wäre, mich zu warnen,
Sobald dir nur der kleinste Zweifel kam!

Titus.
Mich hielt mein Wort zurück und mehr, als das:
Die unerbittliche Notwendigkeit.
Wär' ich nur einen Schritt von ihr gewichen,
So hätte sie sich selbst den Tod gegeben,
Ich sah den Dolch auf ihrer Brust versteckt,
Und mehr als einmal zuckte ihre Hand.
(Pause.)
Sie wollte sterben, und sie mußte auch!
Sie hat so viel gelitten und verziehn,
Als sie zu leiden, zu verzeihn vermochte:
Ich habe in ihr Innerstes geschaut.
Wer mehr verlangt, der hadre nicht mit ihr,
Er hadre einzig mit den Elementen,
Die sich nun einmal so in ihr gemischt,
Daß sie nicht weiter konnte. Doch er zeige
Mir auch das Weib, das weiter kam, als sie!
(Herodes macht eine Bewegung.)
Sie wollte ihren Tod von dir und rief
Das wüste Traumbild deiner Eifersucht,
Selbstmördrisch gaukelnd und uns alle täuschend,
Auf ihrem Feste in ein trügrisch Sein.
Das fand ich streng, nicht ungerecht. Sie trat
Als Larve vor dich hin, die Larve sollte
Dich reizen, mit dem Schwert nach ihr zu stoßen,
(Er zeigt auf Joab.)
Das tatest du, und tötetest sie selbst!

Herodes.
So sprach sie. Doch sie sprach aus Rache so!

Titus.
So war's. Ich habe gegen sie gezeugt,
Wie gerne möcht' ich zweifeln!

Herodes.
Und Soemus?

Titus.
Ich bin ihm auf dem Todesweg begegnet,
Er trat den seinen an, als sie den ihren
Vollendet hatte, und ihm schien's ein Trost,
Daß sich sein Blut mit ihrem mischen würde,
Wenn auch nur auf dem Block durch Henkers Hand.

Herodes.
Ha! Siehst du?

Titus.
Was?
Vielleicht hat er im stillen
Für sie geglüht. Doch, wenn das Sünde war,
So war's die seinige, die ihre nicht.
Er rief mir zu: jetzt sterb ich, weil ich sprach,
Sonst müßt' ich sterben, weil ich sprechen könnte,
Denn das war Josephs Los! Der schwur mir noch
Im Tode, daß er schuldlos sei, wie ich!
Das merkt' ich mir!

Herodes (ausbrechend). Joseph! Rächt der sich auch?
Tut sich die Erde auf? Gehn alle Toten
Hervor?

Alexandra (tritt vor ihn hin).
Das tun sie!--Nein doch! Fürchte nichts!
Es gibt schon eine, welche drunten bleibt!

Herodes.
Verfluchte! (Er bezwingt sich.) Sei's so! Wenn denn auch Soemus
Nur ein Verbrechen gegen mich beging--
(Er kehrt sich gegen Salome.)
Joseph, der ihn mit diesem schnöden Argwohn
Erfüllte, Joseph hat ihn noch im Tode
Belogen, nicht? Joseph--Was schweigst du jetzt?

Salome.
Auf Schritt und Tritt verfolgt' er sie--

Alexandra (zu Herodes).
Jawohl!
Doch sicher nur, um die Gelegenheit
Zu finden, deinen Auftrag zu vollziehn
Um sie und mich zu töten--

Herodes.
Ist das wahr?
(Zu Salome.)
Und du? Du?--

Alexandra.
In derselben Stunde fast
Wo er die Maske völlig fallen ließ,
Hat Mariamne einen Schwur getan,
Sich selbst, wenn du nicht wiederkehren solltest,
Den Tod zu geben. Ich verhehl es nicht,
Daß ich sie darum haßte!

Herodes.
Fürchterlich!
Und das--das sagst du jetzt erst?

Alexandra.
Ja!

Titus.
Ich weiß
Es auch, es war ihr letztes Wort zu mir,
Doch tausend Jahre hätt' ich's dir verschwiegen,
Ich wollte sie nur rein'gen, dich nicht martern!

Herodes.
Dann--(Die Stimme versagt ihm.)

Titus.
Fasse dich! Es trifft mich mit!

Herodes.
Jawohl!
Dich--die (gegen Salome)--und jeden, welcher hier, wie ich,
Des tück'schen Schicksals blindes Werkzeug war,
Doch ich allein verlor, was man auf Erden
In Ewigkeit nicht wiedersehen wird!
Verlor? Oh! Oh!

Alexandra.
Ha, Aristobolus!
Du bist gerächt, mein Sohn, und ich in dir!

Herodes.
Du triumphierst? Du glaubst, ich werde jetzt
Zusammenbrechen? Nein, das werd' ich nicht!
Ich bin ein König, und ich will's die Welt
(Er macht eine Bewegung, als ob er etwas zerbräche)
Empfinden lassen!--Auf jetzt, Pharisäer,
Empört euch gegen mich! (Zu Salome.) Und du, was weichst du
Schon jetzt vor mir? Noch hab ich wohl kein andres
Gesicht, allein schon morgen kann's geschehn,
Daß meine eigne Mutter schwören muß,
Ich sei ihr Sohn nicht!--(Nach einer Pause, dumpf.)

Wäre meine Krone
Mit allen Sternen, die am Himmel flammen,
Besetzt: für Mariamne gäbe ich
Sie hin und, hätt' ich ihn, den Erdball mit.
Ja, könnte ich sie dadurch, daß ich selbst,
Lebendig, wie ich bin, ins Grab mich legte,
Erlösen aus dem ihrigen: ich tät's,
Ich grübe mich mit eignen Händen ein!
Allein ich kann's nicht! Darum bleib ich noch
Und halte fest, was ich noch hab! Das ist
Nicht viel, doch eine Krone ist darunter,
Die jetzt an Weibes Statt mir gelten soll,
Und wer nach der mir greift--Das tut man ja,
Ein Knabe tut das ja, der Wunderknabe,
Den die Propheten längst verkündet haben,
Und dem jetzt gar ein Stern ins Leben leuchtet.
Doch, Schicksal, du verrechnetest dich sehr,
Wenn du, indem du mich mit eh'rnem Fuß
Zertratest, ihm die Bahn zu ebnen glaubtest,
Ich bin Soldat, ich kämpfe selbst mit dir,
Und beiß dich noch im Liegen in die Ferse!
(Rasch.) Joab!
(Joab tritt heran. Herodes verhalten.)
Du ziehst nach Bethlehem hinab
Und sagst dem Hauptmann, welcher dort befiehlt,
Er soll den Wunderknaben--Doch, er findet
Ihn nicht heraus, nicht jeder sieht den Stern,
Und diese Kön'ge sind so falsch, als fromm--
Er soll die Kinder, die im letzten Jahr
Geboren wurden, auf der Stelle töten,
Es darf nicht eins am Leben bleiben!

Joab (tritt zurück).
Wohl!
(Für sich.) Ich weiß warum! Doch Moses ward gerettet,
Trotz Pharao!

Herodes (noch laut und stark).
Ich sehe morgen nach!--
Heut muß ich Mariamne--(Er bricht zusammen.) Titus!

(Titus fängt ihn auf.)




 


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