Römische Geschichte Book 4
by
Theodor Mommsen

Part 8 out of 9

antike Bronzegeraet, das reiche Silbergeschirr. Hiergegen zunaechst richteten
sich die Luxusgesetze, die haeufiger (593, 639, 665, 673 161, 115, 89, 82) und
ausfuehrlicher als je ergingen: eine Menge Delikatessen und Weine wurden darin
gaenzlich untersagt, fuer andere nach Gewicht und Preis ein Maximum festgesetzt,
ebenso die Quantitaet des silbernen Tafelgeschirrs gesetzlich beschraenkt,
endlich allgemeine Maximalbetraege der Kosten der gewoehnlichen und der
Festtagsmahlzeit vorgeschrieben, zum Beispiel 593 (161) von 10 und 100 (17«
Groschen und 5« Taler), 673 (81) von 30 und 300 Sesterzen (1 Taler, 22 Groschen
und 17 Taler). Zur Steuer der Wahrheit muss leider hinzugefuegt werden, dass von
allen vornehmen Roemern nicht mehr als drei, und zwar keineswegs die Gesetzgeber
selber, diese staatlichen Gesetze befolgt haben sollen; auch diesen dreien aber
beschnitt nicht das Gesetz des Staates den Kuechenzettel, sondern das der Stoa.
Es lohnt der Muehe, einen Augenblick noch bei dem trotz all dieser Gesetze
steigenden Luxus im Silbergeraet zu verweilen. Im sechsten Jahrhundert war
silbernes Tafelgeschirr mit Ausnahme des althergebrachten silbernen Salzfasses
eine Ausnahme; die karthagischen Gesandtschaften spotteten darueber, dass sie in
jedem Hause, wo man sie eingeladen, dasselbe silberne Tafelgeraet wiedergefunden
haetten. Noch Scipio Aemilianus besass nicht mehr als 32 Pfund (800 Taler) an
verarbeitetem Silber; sein Neffe Quintus Fabius (Konsul 633 121) brachte es
zuerst auf 1000 (25 000 Taler), Marcus Drusus (Volkstribun 633 121) schon auf
10000 Pfund (250000 Taler); in Sullas Zeit zaehlte man in der Hauptstadt bereits
gegen 150 hundertpfuendige silberne Prachtschuesseln, von denen manche ihren
Besitzer auf die Proskriptionsliste brachte. Um die hierfuer verschwendeten
Summen zu ermessen, muss man sich erinnern, dass auch die Arbeit schon mit
ungeheuren Preisen bezahlt ward, wie denn fuer ausgezeichnetes Silbergeraet
Gaius Gracchus den fuenfzehn-, Lucius Crassus (Konsul 659 95) den achtzehnfachen
Metallwert bezahlte, der letztere fuer ein Becherpaar eines namhaften
Silberarbeiters 100 000 Sesterzen (7600 Taler) gab. So war es verhaeltnismaessig
ueberall.
Wie es um Ehe und Kinderzeugung stand, zeigen schon die Gracchischen
Ackergesetze, die zuerst darauf eine Praemie setzten. Die Scheidung, einst in
Rom fast unerhoert, war jetzt ein alltaegliches Ereignis; wenn bei der aeltesten
roemischen Ehe der Mann die Frau gekauft hatte, so haette man den jetzigen
vornehmen Roemern vorschlagen moegen, um zu der Sache auch den Namen zu haben,
eine Ehemiete einzufuehren. Selbst ein Mann .wie Metellus Macedonicus, der durch
seine ehrenwerte Haeuslichkeit und seine zahlreiche Kinderschar die Bewunderung
seiner Zeitgenossen war, schaerfte als Zensor 623 (131) den Buergern die
Pflicht, im Ehestande zu leben, in der Art ein, dass er denselben bezeichnete
als eine drueckende, aber von den Patrioten pflichtmaessig zu uebernehmende
oeffentliche Last. 7
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6 In dem Hause, das Sulla als junger Mann bewohnte, zahlte er fuer das
Erdgeschoss 3000, der Mieter des obern Stockes 2000 Sesterzen Miete (Plut. Sull.
1), was zu 2/3 des gewoehnlichen Kapitalzinses kapitalisiert, ungefaehr den
obigen Betrag ergibt. Dies war eine wohlfeile Wohnung. Wenn ein
hauptstaedtischer Mietzins von 6000 Sesterzen (460 Taler) fuer das Jahr 629
(125) ein hoher genannt wird (Vell. 1, 10), so muessen dabei besondere Umstaende
obgewaltet haben.
7 "Wenn wir koennten, ihr Buerger", hiess es in seiner Rede, wuerden wir
freilich alle von dieser Last uns befreien. Da aber die Natur es so eingerichtet
hat, dass weder mit den Frauen sich bequem, noch ohne die Frauen ueberhaupt sich
leben laesst, so ziemt es sich auf dauernde Wohlfahrt mehr zu sehen als auf
kurzes Wohlleben."
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Allerdings gab es Ausnahmen. Die landstaedtischen Kreise, namentlich die
der groesseren Gutsbesitzer, hatten die alte ehrenwerte latinische Nationalsitte
treuer bewahrt. In der Hauptstadt aber war die catonische Opposition zur Phrase
geworden; die moderne Richtung herrschte souveraen und, wenn auch einzelne fest
und fein organisierte Naturen, wie Scipio Aemilianus, roemische Sitte mit
attischer Bildung zu vereinigen wussten, war doch bei der grossen Menge der
Hellenismus gleichbedeutend mit geistiger und sittlicher Verderbnis. Den
Rueckschlag dieser sozialen Uebelstaende auf die politischen Verhaeltnisse darf
man niemals aus den Augen verlieren, wenn man die roemische Revolution verstehen
will. Es war nicht gleichgueltig, dass von den beiden vornehmen Maennern, die im
Jahre 662 (92) als oberste Sittenmeister der Gemeinde fungierten, der eine dem
andern oeffentlich vorrueckte, dass er einer Muraene, dem Stolz seines
Fischteichs, bei ihrem Tode Traenen nachgeweint habe, und dieser wieder jenem,
dass er drei Frauen begraben und um keine eine Traene geweint habe. Es war nicht
gleichgueltig, dass im Jahre 593 (161) auf offenem Markt ein Redner folgende
Schilderung eines senatorischen Zivilgeschworenen zum besten geben konnte, den
der angesetzte Termin in dem Kreise seiner Zechbrueder findet. "Sie spielen
Hasard, fein parfuemiert, die Maetressen um sie herum. Wie der Nachmittag
herankommt, lassen sie den Bedienten kommen und heissen ihn auf der Dingstaette
sich umhoeren, was auf dem Markt vorgefallen sei, wer fuer und wer gegen den
neuen Gesetzvorschlag gesprochen, welche Distrikte dafuer, welche dagegen
gestimmt haetten. Endlich gehen sie selbst auf den Gerichtsplatz, eben frueh
genug, um sich den Prozess nicht selbst auf den Hals zu ziehen. Unterwegs ist in
keinem Winkelgaesschen eine Gelegenheit, die sie nicht benutzen, denn sie haben
sich den Leib voll Wein geschlagen. Verdrossen kommen sie auf die Dingstaette
und geben den Parteien das Wort. Die, die es angeht, tragen ihre Sache vor. Der
Geschworene heisst die Zeugen auftreten; er selbst geht beiseite. Wie er
zurueckkommt, erklaert er alles gehoert zu haben und fordert die Urkunden.
Ersieht hinein in die Schriften; kaum haelt er vor Wein die Augen auf. Wie er
sich dann zurueckzieht, das Urteil auszufuellen, laesst er zu seinen
Zechbruedern sich vernehmen: 'Was gehen mich die langweiligen Leute an? Warum
gehen wir nicht lieber einen Becher Suessen mit griechischem Wein trinken und
essen dazu einen fetten Krammetsvogel und einen guten Fisch, einen veritablen
Hecht von der Tiberinsel?'" Die den Redner hoerten, lachten; aber war es nicht
auch sehr ernsthaft, dass dergleichen Dinge belacht wurden?
12. Kapitel
Nationalitaet, Religion, Erziehung
In dem grossen Kampfe der Nationalitaeten innerhalb des weiten Umfangs des
Roemischen Reiches erscheinen die sekundaeren Nationen in dieser Zeit im
Zurueckweichen oder im Verschwinden. Die bedeutendste unter allen, die
phoenikische, empfing durch die Zerstoerung Karthagos die Todeswunde, an der sie
sich langsam verblutet hat. Die Landschaften Italiens, die ihre alte Sprache und
Sitte bis dahin noch gewahrt hatten, Etrurien und Samnium, wurden nicht bloss
von den schwersten Schlaegen der Sullanischen Reaktion getroffen, sondern die
politische Nivellierung Italiens noetigte ihnen auch im oeffentlichen Verkehr
die lateinische Sprache und Weise auf und drueckte die alten Landessprachen
herab zu rasch verkuemmernden Volksdialekten. Nirgendmehr erscheint im ganzen
Umfange des roemischen Staates eine Nationalitaet als befugt, mit der roemischen
und der griechischen auch nur zu ringen. Dagegen ist extensiv wie intensiv die
latinische Nationalitaet im entschiedensten Aufschwung. Wie seit dem
Bundesgenossenkrieg jedes italische Grundstueck jedem Italiker zu vollem
roemischen Eigen zustehen, jeder italische Tempelgott roemische Gabe empfangen
kann, wie in ganz Italien mit Ausnahme der transpadanischen Landschaft seitdem
das roemische Recht mit Beseitigung aller anderen Stadt- und Landrechte
ausschliesslich gilt: so ist damals die roemische Sprache auch die allgemeine
Geschaefts- und bald gleichfalls die allgemeine Sprache des gebildeten Verkehrs
auf der ganzen Halbinsel von den Alpen bis zur Meerenge geworden. Aber sie
beschraenkte sich schon nicht mehr auf diese natuerlichen Grenzen. Die in
Italien zusammenstroemende Kapitalmasse, der Reichtum seiner Produkte, die
Intelligenz seiner Landwirte, die Gewandtheit seiner Kaufleute fand keinen
hinreichenden Spielraum auf der Halbinsel; hierdurch und durch den oeffentlichen
Dienst wurden die Italiker massenweise in die Provinzen gefuehrt. Ihre
privilegierte Stellung daselbst privilegierte auch die roemische Sprache und das
roemische Recht, selbst wo nicht bloss Roemer miteinander verkehrten; ueberall
standen die Italiker zusammen als festgeschlossene und organisierte Massen, die
Soldaten in ihren Legionen, die Kaufleute jeder groesseren Stadt als eigene
Korporationen, die in dem einzelnen provinzialen Gerichtssprengel domizilierten
oder verweilenden roemischen Buerger als "Kreise" (conventus civium Romanorum)
mit ihrer eigenen Geschworenenliste und gewissermassen mit Gemeindeverfassung;
und wenn auch diese provinzialen Roemer regelmaessig frueher oder spaeter nach
Italien zurueckgingen, so bildete sich dennoch allmaehlich aus ihnen der Stamm
einer festen, teils roemischen, teils an die roemische sich anlehnenden
Mischbevoelkerung der Provinzen. Dass in Spanien, wo das roemische Heer zuerst
stehend ward, auch zuerst eigene Provinzialstaedte italischer Verfassung,
Carteia 583 (171), Valentia 616 (133), spaeter Palma und Pollentia organisiert
worden sind, ward bereits erwaehnt. Wenn das Binnenland noch wenig zivilisiert
war, das Gebiet der Vaccaeer zum Beispiel noch lange nach dieser Zeit unter den
rauhesten und widerwaertigsten Aufenthaltsorten fuer den gebildeten Italiker
genannt wird, so bezeugen dagegen Schriftsteller und Inschriftsteine, dass schon
um die Mitte des siebenten Jahrhunderts um Neukarthago und sonst an der Kueste
die lateinische Sprache in gemeinem Gebrauch war. In bewusster Weise entwickelte
zuerst Gaius Gracchus den Gedanken, die Provinzen des roemischen Staats durch
die italische Emigration zu kolonisieren, das heisst zu romanisieren, und legte
Hand an die Ausfuehrung desselben; und obgleich die konservative Opposition
gegen den kuehnen Entwurf sich auflehnte, die gemachten Anfaenge groesstenteils
zerstoerte und die Fortfuehrung hemmte, so blieb doch die Kolonie Narbo
erhalten, schon an sich eine bedeutende Erweiterung des lateinischen
Sprachgebiets und noch bei weitem wichtiger als der Merkstein eines grossen
Gedankens, der Grundstein eines gewaltigen kuenftigen Baues. Der antike
Gallizismus, ja das heutige Franzosentum sind von dort ausgegangen und in ihrem
letzten Grunde Schoepfungen des Gaius Gracchus. Aber die latinische
Nationalitaet erfuellte nicht bloss die italischen Grenzen und fing an sie zu
ueberschreiten, sondern sie gelangte auch in sich zu tieferer geistiger
Begruendung. Wir finden sie im Zuge, eine klassische Literatur, einen eigenen
hoeheren Unterricht sich zu schaffen; und wenn man im Vergleich mit den
hellenischen Klassikern und der hellenischen Bildung sich versucht fuehlen kann,
die schwaechliche italische Treibhausproduktion gering zu achten, so kam es doch
fuer die geschichtliche Entwicklung zunaechst weit weniger darauf an, wie die
lateinische klassische Literatur und die lateinische Bildung, als darauf, dass
sie neben der griechischen stand; und herabgekommen wie die gleichzeitigen
Hellenen auch literarisch waren, durfte man wohl das Wort des Dichters auch hier
anwenden, dass der lebendige Tageloehner mehr ist als der tote Achill.
Wie rasch und ungestuem aber die lateinische Sprache und Nationalitaet
vorwaerts dringt, sie erkennt zugleich die hellenische an als durchaus gleich,
ja frueher und besser berechtigt und tritt mit dieser ueberall in das engste
Buendnis oder durchdringt sich mit ihr zu gemeinschaftlicher Entwicklung. Die
italische Revolution, die sonst alle nichtlatinischen Nationalitaeten auf der
Halbinsel nivellierte, ruehrte nicht an die Griechenstaedte Tarent, Rhegion,
Neapolis, Lokri. Ebenso blieb Massalia, obwohl jetzt umschlossen von roemischem
Gebiet, fortwaehrend eine griechische Stadt und eben als solche fest verbunden
mit Rom. Mit der vollstaendigen Latinisierung Italiens ging die steigende
Hellenisierung Hand in Hand. In den hoeheren Schichten der italischen
Gesellschaft wurde die griechische Bildung zum integrierenden Bestandteil der
eigenen. Der Konsul des Jahres 623 (131), der Oberpontifex Publius Crassus,
erregte des Staunen selbst der geborenen Griechen, da er als Statthalter von
Asia seine gerichtlichen Entscheidungen, wie der Fall es erforderte, bald in
gewoehnlichem Griechisch abgab, bald in einem der vier zu Schriftsprachen
gewordenen Dialekte. Und wenn die italische Literatur und Kunst laengst
unverwandt nach Osten blickten, so begann jetzt auch die hellenische das Antlitz
nach Westen zu wenden. Nicht bloss die griechischen Staedte in Italien blieben
fortwaehrend zu regem geistigen Verkehr mit Griechenland, Kleinasien, Aegypten
und goennten den dort gefeierten griechischen Poeten und Schauspielern auch bei
sich den gleichen Verdienst und die gleichen Ehren; auch in Rom kamen, nach dem
von dem Zerstoerer Korinths bei seinem Triumph 608 (146) gegebenen Beispiel, die
gymnastischen und musischen Spiele der Griechen: Wettkaempfe im Ringen sowie im
Musizieren, Spielen, Rezitieren und Deklamieren in Aufnahme ^1. Die griechischen
Literaten schlugen schon ihre Faeden bis in die vornehme roemische Gesellschaft,
vor allem in den Scipionischen Kreis, dessen hervorragende griechische
Mitglieder, der Geschichtschreiber Polybios, der Philosoph Panaetios, bereits
mehr der roemischen als der griechischen Entwicklungsgeschichte angehoeren. Aber
auch in anderen, minderhochstehenden Zirkeln begegnen aehnliche Beziehungen. Wir
gedenken eines anderen Zeitgenossen Scipios, des Philosophen Kleitomachos, weil
in seinem Leben zugleich die gewaltige Voelkermischung dieser Zeit sinnlich vor
das Auge tritt: ein geborener Karthager, sodann in Athen Zuhoerer des Karneades
und spaeter dessen Nachfolger in seiner Professur, verkehrte er von Athen aus
mit den gebildetsten Maennern Italiens, dem Historiker Aulus Albinus und dem
Dichter Lucilius, und widmete teils dem roemischen Konsul, der die Belagerung
Karthagos eroeffnete, Lucius Censorinus, ein wissenschaftliches Werk, teils
seinen als Sklaven nach Italien gefuehrten Mitbuergern eine philosophische
Trostschrift. Hatten namhafte griechische Literaten bisher wohl voruebergehend
als Gesandte, Verbannte oder sonstwie ihren Aufenthalt in Rom genommen, so
fingen sie jetzt schon an, dort sich niederzulassen; wie zum Beispiel der schon
genannte Panaetios in Scipios Hause lebte, und der Hexametermacher Archias von
Antiocheia im Jahre 652 (102) sich in Rom niederliess und von der
Improvisierkunst und von Heldengedichten auf roemische Konsulare sich anstaendig
ernaehrte. Sogar Gaius Marius, der schwerlich von seinem Carmen eine Zeile
verstand und ueberhaupt zum Maezen moeglichst uebel sich schickte, konnte nicht
umhin, den Verskuenstler zu patronisieren. Waehrend also das geistige und
literarische Leben wenn nicht die reineren, doch die vornehmeren Elemente der
beiden Nationen miteinander in Verbindung brachte, flossen andererseits durch
das massenhafte Eindringen der kleinasiatischen und syrischen Sklavenscharen und
durch die kaufmaennische Einwanderung aus dem griechischen und halbgriechischen
Osten die rohesten und stark mit orientalischen und ueberhaupt barbarischen
Bestandteilen versetzten Schichten des Hellenismus zusammen mit dem italischen
Proletariat und gaben auch diesem eine hellenische Faerbung. Die Bemerkung
Ciceros, dass neue Sprache und neue Weise zuerst in den Seestaedten aufkommt,
duerfte zunaechst auf das halbhellenische Wesen in Ostia, Puteoli und Brundisium
sich beziehen, wo mit der fremden Ware auch die fremde Sitte zuerst Eingang und
von da aus weiteren Vertrieb fand.
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^1 Dass vor 608 (146) keine "griechischen Spiele" in Rom gegeben seien
(Tac. ann. 14, 21), ist nicht genau; schon 568 (186) traten griechische
"Kuenstler" (technitai) und Athleten (Liv. 39, 22), 587 (167) griechische
Floetenspieler, Tragoeden und Faustkaempfer auf (Polyb. 30, 13).
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Das unmittelbare Resultat dieser vollstaendigen Revolution in den
Nationalitaetsverhaeltnissen war allerdings nichts weniger als erfreulich.
Italien wimmelte von Griechen, Syrern, Phoenikern, Juden, Aegyptern, die
Provinzen von Roemern; die scharf ausgepraegten Volkstuemlichkeiten rieben sich
ueberall aneinander und verschliffen sich zusehends; es schien nichts
uebrigbleiben zu sollen als der allgemeine Charakter der Vernutzung. Was das
lateinische Wesen an Ausdehnung gewann, verlor es an Frische; vor allem in Rom
selbst, wo der Mittelstand am fruehesten und vollstaendigsten verschwand und
nichts uebrig blieb als die grossen Herren und die Bettler, beide in gleichem
Masse Kosmopoliten. Cicero versichert, dass um 660 (190) die allgemeine Bildung
in den launischen Staedten hoeher gestanden habe als in Rom; dies bestaetigt die
Literatur dieser Zeit, deren erfreulichste, gesundeste und eigentuemlichste
Erzeugnisse, wie die nationale Komoedie und die Lucilische Satire, mit
groesserem Recht latinisch heissen als roemisch. Dass der italische Hellenismus
der unteren Schichten in der Tat nichts war als ein zugleich mit allen
Auswuechsen der Kultur und mit oberflaechlich uebertuenchter Barbarei behafteter
widerwaertiger Kosmopolitismus, versteht sich von selbst; aber auch fuer die
bessere Gesellschaft blieb der feine Sinn des Scipionischen Kreises nicht auf
die Dauer massgebend. Je mehr die Masse der Gesellschaft anfing, sich fuer das
griechische Wesen zu interessieren, desto entschiedener griff sie statt zu der
klassischen Literatur vielmehr zu den modernsten und frivolsten Erzeugnissen des
griechischen Geistes; statt im hellenischen Sinn das roemische Wesen zu
gestalten, begnuegte man sich mit Entlehnung desjenigen Zeitvertreibs, der den
eigenen Geist moeglichst wenig in Taetigkeit setzte. In diesem Sinn aeusserte
der arpinatische Gutsbesitzer Marcus Cicero, der Vater des Redners, dass der
Roemer, wie der syrische Sklave, immer um so weniger tauge, je mehr er
griechisch verstehe.
Diese nationale Dekomposition ist unerquicklich wie die ganze Zeit, aber
auch wie diese bedeutsam und folgenreich. Der Voelkerkreis, den wir die alte
Welt zu nennen gewohnt sind, schreitet fort von der aeusserlichen Einigung unter
der Machtgewalt Roms zu der inneren unter der Herrschaft der modernen,
wesentlich auf hellenischen Elementen ruhenden Bildung. Ueber den Truemmern der
Voelkerschaften zweiten Ranges vollzieht sich zwischen den beiden herrschenden
Nationen stillschweigend der grosse geschichtliche Kompromiss; die griechische
und die lateinische Nationalitaet schliessen miteinander Frieden. Auf dem
Gebiete der Bildung verzichten die Griechen, auf dem politischen die Roemer auf
ihre exklusive Sprachherrschaft; im Unterricht wird dem Latein eine freilich
beschraenkte und unvollstaendige Gleichstellung mit dem Griechischen
eingeraeumt; andererseits gestattet zuerst Sulla den fremden Gesandten, vor dem
roemischen Senat ohne Dolmetscher griechisch zu reden. Die Zeit kuendigt sich
an, wo das roemische Gemeinwesen in einen zwiesprachigen Staat uebergehen und
der rechte Erbe des Thrones und der Gedanken Alexanders des Grossen im Westen
aufstehen wird, zugleich ein Roemer und ein Grieche.
Was schon der Ueberblick der nationalen Verhaeltnisse also zeigt, die
Unterdrueckung der sekundaeren und die gegenseitige Durchdringung der beiden
primaeren Nationalitaeten, das ist im Gebiete der Religion, der Volkserziehung,
der Literatur und der Kunst noch im einzelnen genauer darzulegen.
Die roemische Religion war mit dem roemischen Gemeinwesen und dem
roemischen Haushalt so innig verwachsen, so gar nichts anderes als die fromme
Widerspiegelung der roemischen Buergerwelt, dass die politische und soziale
Revolution notwendigerweise auch das Religionsgebaeude ueber den Haufen warf.
Der alte italische Volksglaube stuerzt zusammen; ueber seinen Truemmern erheben
sich, wie ueber den Truemmern des politischen Gemeinwesens Oligarchie und
Tyrannis, so auf der einen Seite der Unglaube, die Staatsreligion, der
Hellenismus, auf der anderen der Aberglaube, das Sektenwesen, die Religion der
Orientalen. Allerdings gehen die Anfaenge von beiden, wie ja auch die Anfaenge
der politisch-sozialen Revolution, bereits in die vorige Epoche zurueck. Schon
damals ruettelte die hellenische Bildung der hoeheren Kreise im stillen an dem
Glauben der Vaeter; schon Ennius buergerte die Allegorisierung und
Historisierung der hellenischen Religion in Italien ein; schon der Senat, der
Hannibal bezwang, musste die Uebersiedlung des kleinasiatischen Kybelekults nach
Rom gutheissen und gegen anderen noch schlimmeren Aberglauben, namentlich das
bakchische Muckertum, aufs ernstlichste einschreiten. Indes wie ueberhaupt in
der vorhergehenden Periode die Revolution mehr in den Gemuetern sich
vorbereitete als aeusserlich sich vollzog, so ist auch die religioese Umwaelzung
im wesentlichen dort erst das Werk der gracchischen und sullanischen Zeit.
Versuchen wir zunaechst die an den Hellenismus sich anlehnende Richtung zu
verfolgen. Die hellenische Nation, weit frueher als die italische erblueht und
abgeblueht, hatte laengst die Epoche des Glaubens durchmessen und seitdem sich
ausschliesslich bewegt auf dem Gebiet der Spekulation und Reflexion; seit langem
gab es dort keine Religion mehr, sondern nur noch Philosophie. Aber auch die
philosophische Taetigkeit des hellenischen Geistes hatte, als sie auf Rom zu
wirken begann, die Epoche der produktiven Spekulation bereits weit hinter sich
und war in dem Stadium angekommen, wo nicht bloss keine wahrhaft neuen Systeme
mehr entstehen, sondern wo auch die Fassungskraft fuer die vollkommensten der
aelteren zu schwinden beginnt und man auf die schulmaessige und bald
scholastische Ueberlieferung der unvollkommneren Philosopheme der Vorfahren sich
beschraenkt; in dem Stadium also, wo die Philosophie, statt den Geist zu
vertiefen und zu befreien, vielmehr ihn verflacht und ihn in die schlimmsten
aller Fesseln, die selbstgeschmiedeten, schlaegt. Der Zaubertrank der
Spekulation, immer gefaehrlich, ist, verduennt und abgestanden, sicheres Gift.
So schal und verwaessert reichten die gleichzeitigen Griechen ihn den Roemern,
und diese verstanden weder ihn zurueckzuweisen noch von den lebenden
Schulmeistern auf die toten Meister zurueckzugehen. Platon und Aristoteles, um
von den vorsokratischen Weisen zu schweigen, sind ohne wesentlichen Einfluss auf
die roemische Bildung geblieben, wenngleich die erlauchten Namen gern genannt,
ihre fasslicheren Schriften auch wohl gelesen und uebersetzt wurden. So wurden
denn die Roemer in der Philosophie nichts als schlechter Lehrer schlechtere
Schueler. Ausser der historisch-rationalistischen Auffassung der Religion,
welche die Mythen aufloeste in Lebensbeschreibungen verschiedener in grauer
Vorzeit lebender Wohltaeter des Menschengeschlechtes, aus denen der Aberglaube
Goetter gemacht habe, oder dem sogenannten Euhemerismus, sind hauptsaechlich
drei Philosophenschulen fuer Italien von Bedeutung geworden: die beiden
dogmatischen des Epikuros (+ 484 270) und des Zenon (+ 491 263) und die
skeptische des Arkesilas (+ 513 241) und Karneades (541-625 231-129) oder mit
den Schulnamen der Epikureismus, die Stoa und die Neuere Akademie. Die letzte
dieser Richtungen, welche von der Unmoeglichkeit des ueberzeugten Wissens
ausging und an dessen Stelle nur ein fuer das praktische Beduerfnis
ausreichendes vorlaeufiges Meinen als moeglich zugab, bewegte sich
hauptsaechlich polemisch, indem sie jeden Satz des positiven Glaubens wie des
philosophischen Dogmatismus in den Schlingen ihrer Dilemmen fing. Sie steht
insofern ungefaehr auf einer Linie mit der aelteren Sophistik, nur dass
begreiflicherweise die Sophisten mehr gegen den Volksglauben, Karneades und die
Seinen mehr gegen ihre philosophischen Kollegen ankaempften. Dagegen trafen
Epikuros und Zenon ueberein sowohl in dem Ziel einer rationellen Erklaerung des
Wesens der Dinge als auch in der physiologischen, von dem Begriff der Materie
ausgehenden Methode. Auseinander gingen sie, insofern Epikuros, der Atomenlehre
Demokrits folgend, das Urwesen als starre Materie fasst und diese nur durch
mechanische Verschiedenheiten in die Mannigfaltigkeit der Dinge ueberfuehrt,
Zenon dagegen, sich anlehnend an den Ephesier Herakleitos, schon in den Urstoff
eine dynamische Gegensaetzlichkeit und eine auf- und niederwogende Bewegung
hineinlegt; woraus denn die weiteren Unterschiede sich ableiten: dass im
epikureischen System die Goetter gleichsam nicht vorhanden und hoechstens der
Traum der Traeume sind, die stoischen Goetter die ewig rege Seele der Welt und
als Geist, als Sonne, als Gott maechtig ueber den Koerper, die Erde, die Natur;
dass Epikuros nicht, wohl aber Zenon eine Weltregierung und eine persoenliche
Unsterblichkeit der Seele anerkennt; dass das Ziel des menschlichen Strebens
nach Epikuros ist das unbedingte, weder von koerperlichem Begehren noch von
geistigem Streiten aufgeregte Gleichgewicht, dagegen nach Zenon die durch das
stetige Gegeneinanderstreben des Geistes und Koerpers immer gesteigerte und zu
dem Einklang mit der ewig streitenden und ewig friedlichen Natur aufstrebende
menschliche Taetigkeit. In einem Punkte aber stimmten der Religion gegenueber
alle diese Schulen zusammen: dass der Glaube als solcher nichts sei und
notwendig ersetzt werden muesse durch die Reflexion, mochte diese uebrigens mit
Bewusstsein darauf verzichten, zu einem Resultat zu gelangen, wie die Akademie,
oder die Vorstellungen des Volksglaubens verwerfen, wie die Schule Epikurs, oder
dieselben teils motiviert festhalten, teils modifizieren, wie die Stoiker taten.
Es war danach nur folgerichtig, dass die erste Beruehrung der hellenischen
Philosophie mit der roemischen, ebenso glaubensfesten als antispekulativen
Nation durchaus feindlicher Art war. Die roemische Religion hatte vollkommen
recht, von diesen philosophischen Systemen sowohl die Befehdung wie die
Begruendung sich zu verbitten, die beide ihr eigentliches Wesen aufhoben. Der
roemische Staat, der in der Religion instinktmaessig sich selber angegriffen
fuehlte, verhielt sich billig gegen die Philosophen wie die Festung gegen die
Eclaireurs der anrueckenden Belagerungsarmee und wies schon 593 (161) mit den
Rhetoren auch die griechischen Philosophen aus Rom aus. In der Tat war auch
gleich das erste groessere Debuet der Philosophie in Rom eine foermliche
Kriegserklaerung gegen Glaube und Sitte. Es ward veranlasst durch die Okkupation
von Oropos durch die Athener, mit deren Rechtfertigung vor dem Senat diese drei
der angesehensten Professoren der Philosophie, darunter den Meister der modernen
Sophistik, Karneades, beauftragten (599 155). Die Wahl war insofern
zweckmaessig, als der ganz schandbare Handel jeder Rechtfertigung im
gewoehnlichen Verstand spottete; dagegen passte es vollkommen fuer den Fall,
wenn Karneades durch Rede und Gegenrede bewies, dass sich gerade ebenso viele
und ebenso nachdrueckliche Gruende zum Lobe der Ungerechtigkeit vorbringen
liessen wie zum Lobe der Gerechtigkeit, und wenn er in bester logischer Form
dartat, dass man mit gleichem Recht von den Athenern verlangen koenne, Oropos
herauszugeben und von den Roemern, sich wieder zu beschraenken auf ihre alten
Strohhuetten am Palatin. Die der griechischen Sprache maechtige Jugend ward
durch den Skandal wie durch den raschen und emphatischen Vortrag des gefeierten
Mannes scharenweise herbeigezogen; aber diesmal wenigstens konnte man Cato nicht
unrecht geben, wenn er nicht bloss die dialektischen Gedankenreihen der
Philosophen unhoeflich genug mit den langweiligen Psalmodien der Klageweiber
verglich, sondern auch im Senat darauf drang, einen Menschen auszuweisen, der
die Kunst verstand, Recht zu Unrecht und Unrecht zu Recht zu machen, und dessen
Verteidigung in der Tat nichts war als ein schamloses und fast hoehnisches
Eingestaendnis des Unrechts. Indes dergleichen Ausweisungen reichten nicht weit,
um so weniger, da es doch der roemischen Jugend nicht verwehrt werden konnte, in
Rhodos oder Athen philosophische Vortraege zu hoeren. Man gewoehnte sich, die
Philosophie zuerst wenigstens als notwendiges Uebel zu dulden, bald auch fuer
die in ihrer Naivitaet nicht mehr haltbare roemische Religion in der fremden
Weisheitslehre eine Stuetze zu suchen, die als Glauben zwar sie ruinierte, aber
dafuer doch dem gebildeten Mann gestattete, die Namen und Formen des
Volksglaubens anstaendigerweise einigermassen festzuhalten. Indes diese Stuetze
konnte weder der Euhemerismus sein noch das System des Karneades oder des
Epikuros. Die Mythenhistorisierung trat dem Volksglauben allzu schroff entgegen,
indem sie die Goetter geradezu fuer Menschen erklaerte; Karneades zog gar ihre
Existenz in Zweifel, und Epikuros sprach ihnen wenigstens jeden Einfluss auf die
Geschicke der Menschen ab. Zwischen diesen Systemen und der roemischen Religion
war ein Buendnis unmoeglich; sie waren und blieben verfemt. Noch in Ciceros
Schriften wird es fuer Buergerpflicht erklaert, dem Euhemerismus Widerstand zu
leisten, der dem Gottesdienst zu nahe trete; und von den in seinen Gespraechen
auftretenden Akademikern und Epikureern muss jener sich entschuldigen, dass er
als Philosoph zwar ein Juenger des Karneades, aber als Buerger und Pontifex ein
rechtglaeubiger Bekenner des Kapitolinischen Jupiter sei, der Epikureer sogar
schliesslich sich gefangen geben und sich bekehren. Keines dieser drei Systeme
ward eigentlich populaer. Die platte Begreiflichkeit des Euhemerismus hat wohl
eine gewisse Anziehungskraft auf die Roemer geuebt, namentlich auf die
konventionelle Geschichte Roms nur zu tief eingewirkt mit ihrer zugleich
kindischen und altersschwachen Historisierung der Fabel; auf die roemische
Religion aber blieb er deshalb ohne wesentlichen Einfluss, weil diese von Haus
aus nur allegorisierte, nicht fabulierte und es dort nicht wie in Hellas
moeglich war, Biographien Zeus des ersten, zweiten und dritten zu schreiben. Die
moderne Sophistik konnte nur gedeihen, wo, wie in Athen, die geistreiche
Maulfertigkeit zu Hause war und ueberdies die langen Reihen gekommener und
gegangener philosophischer Systeme hohe Schuttlagen geistiger Brandstaetten
aufgeschichtet hatten. Gegen den Epikurischen Quietismus endlich lehnte alles
sich auf, was in dem roemischen, so durchaus auf Taetigkeit gerichteten Wesen
tuechtig und brav war. Dennoch fand er mehr sein Publikum als der Euhemerismus
und die Sophistik, und es ist wahrscheinlich dies die Ursache, weshalb die
Polizei fortgefahren hat, ihm am laengsten und ernstlichsten den Krieg zu
machen. Indes dieser roemische Epikureismus war nicht so sehr ein
philosophisches System als eine Art philosophischen Dominos, unter dem - sehr
gegen die Absicht seines streng sittlichen Urhebers - der gedankenlose
Sinnesgenuss fuer die gute Gesellschaft sich maskierte; wie denn einer der
fruehesten Bekenner dieser Sekte, Titus Albucius, in Lucilius' Gedichten
figuriert als der Prototyp des uebel hellenisierenden Roemers.
Gar anders stand und wirkte in Italien die stoische Philosophie. Im geraden
Gegensatz gegen jene Richtungen schloss sie an die Landesreligion so eng sich
an, wie das Wissen sich dem Glauben zu akkommodieren ueberhaupt nur vermag. An
dem Volksglauben mit seinen Goettern und Orakeln hielt der Stoiker insofern
grundsaetzlich fest, als er darin eine instinktive Erkenntnis sah, auf welche
die wissenschaftliche Ruecksicht zu nehmen, ja in zweifelhaften Faellen sich ihr
unterzuordnen verpflichtet sei. Er glaubte mehr anders als das Volk als
eigentlich anderes: der wesentlich wahre und hoechste Gott zwar war ihm die
Weltseele, aber auch jede Manifestation des Urgottes war wiederum Gott, die
Gestirne vor allem, aber auch die Erde, der Weinstock, die Seele des hohen
Sterblichen, den das Volk als Heros ehrte, ja ueberhaupt jeder abgeschiedene
Geist eines gewordenen Menschen. Diese Philosophie passte in der Tat besser nach
Rom als in die eigene Heimat. Der Tadel des frommen Glaeubigen, dass der Gott
des Stoikers weder Geschlecht noch Alter noch Koerperlichkeit habe und aus einer
Person in einen Begriff verwandelt sei, hatte in Griechenland einen Sinn, nicht
aber in Rom. Die grobe Allegorisierung und sittliche Purifizierung, wie sie der
stoischen Goetterlehre eigen war, verdarb den besten Kern der hellenischen
Mythologie; aber die auch in ihrer naiven Zeit duerftige plastische Kraft der
Roemer hatte nicht mehr erzeugt als eine leichte, ohne sonderlichen Schaden
abzustreifende Umhuellung der urspruenglichen Anschauung oder des
urspruenglichen Begriffes, woraus die Gottheit hervorgegangen war. Pallas Athene
mochte zuernen, wenn sie sich ploetzlich in den Begriff des Gedaechtnisses
verwandelt fand; Minerva war auch bisher eben nicht viel mehr gewesen. Die
supranaturalische stoische und die allegorische roemische Theologie fielen in
ihrem Ergebnis im ganzen zusammen. Selbst aber wenn der Philosoph einzelne
Saetze der Priesterlehre als zweifelhaft oder als falsch bezeichnen musste, wie
denn zum Beispiel die Stoiker, die Vergoetterungslehre verwerfend, in Hercules,
Kastor, Pollux nichts als die Geister ausgezeichneter Menschen sahen, und ebenso
das Goetterbild nicht als Repraesentanten der Gottheit gelten lassen konnten, so
war es wenigstens nicht die Art der Anhaenger Zenons, gegen diese Irrlehren
anzukaempfen und die falschen Goetter zu stuerzen; vielmehr bewiesen sie
ueberall der Landesreligion Ruecksicht und Ehrfurcht, auch in ihren Schwaechen.
Auch die Richtung der Stoa auf eine kasuistische Moral und auf die rationelle
Behandlung der Fachwissenschaften war ganz im Sinne der Roemer, zumal der Roemer
dieser Zeit, welche nicht mehr wie die Vaeter in unbefangener Weise Zucht und
gute Sitte uebten, sondern deren naive Sittlichkeit aufloesten in einen
Katechismus erlaubter und unerlaubter Handlungen; deren Grammatik und
Jurisprudenz ueberdies dringend eine methodische Behandlung erheischten, ohne
jedoch die Faehigkeit zu besitzen, diese aus sich selber zu entwickeln. So
inkorporierte diese Philosophie als ein zwar dem Ausland entlehntes, aber auf
italischem Boden akklimatisiertes Gewaechs sich durchaus dem roemischen
Volkshaushalt, und wir begegnen ihren Spuren auf den verschiedenartigsten
Gebieten. Ihre Anfaenge reichen ohne Zweifel weiter zurueck; aber zur vollen
Geltung in den hoeheren Schichten der roemischen Gesellschaft gelangte die Stoa
zuerst durch den Kreis, der sich um Scipio Aemilianus gruppierte. Panaetios von
Rhodos, der Lehrmeister Scipios und aller ihm nahestehender Maenner in der
stoischen Philosophie und bestaendig in seinem Gefolge, sogar auf Reisen sein
gewoehnlicher Begleiter, verstand es, das System geistreichen Maennern nahe zu
bringen, dessen spekulative Seite zuruecktreten zu lassen und die Duerre der
Terminologie, die Flachheit des Moralkatechismus einigermassen zu mildern,
namentlich auch durch Herbeiziehung der aelteren Philosophen, unter denen Scipio
selbst den Xenophonteischen Sokrates vorzugsweise liebte. Seitdem bekannten zur
Stoa sich die namhaftesten Staatsmaenner und Gelehrten, unter anderen die
Begruender der wissenschaftlichen Philologie und der wissenschaftlichen
Jurisprudenz, Stilo und Quintus Scaevola. Der schulmaessige Schematismus, der in
diesen Fachwissenschaften seitdem wenigstens aeusserlich herrscht und namentlich
anknuepft an eine wunderliche, scharadenhaft geistlose Etymologisiermethode,
stammt aus der Stoa. Aber unendlich wichtiger ist die aus der Verschmelzung der
stoischen Philosophie und der roemischen Religion hervorgehende neue
Staatsphilosophie und Staatsreligion. Das spekulative Element, von Haus aus in
dem Zenonischen System wenig energisch ausgepraegt und schon weiter
abgeschwaecht, als dasselbe in Rom Eingang fand, nachdem bereits ein Jahrhundert
hindurch die griechischen Schulmeister sich beflissen hatten, diese Philosophie
in die Knabenkoepfe hinein und damit den Geist aus ihr hinauszutreiben, trat
voellig zurueck in Rom, wo niemand spekulierte als der Wechsler; es war wenig
mehr die Rede von der idealen Entwicklung des in der Seele des Menschen
waltenden Gottes oder goettlichen Weltgesetzes. Die stoischen Philosophen
zeigten sich nicht unempfaenglich fuer die recht eintraegliche Auszeichnung, ihr
System zur halboffiziellen roemischen Staatsphilosophie erhoben zu sehen, und
erwiesen sich ueberhaupt geschmeidiger, als man es nach ihren rigorosen
Prinzipien haette erwarten sollen. Ihre Lehre von den Goettern und vom Staat
zeigte bald eine seltsame Familienaehnlichkeit mit den realen Institutionen
ihrer Brotherren; statt ueber den kosmopolitischen Philosophenstaat stellten sie
Betrachtungen an ueber die weise Ordnung des roemischen Beamtenwesens; und wenn
die feineren Stoiker, wie Panaetios, die goettliche Offenbarung durch Wunder und
Zeichen als denkbar, aber ungewiss dahingestellt, die Sterndeuterei nun gar
entschieden verworfen hatten, so verfochten schon seine naechsten Nachfolger
jene Offenbarungslehre, das heisst die roemische Auguraldisziplin, so steif und
fest wie jeden anderen Schulsatz und machten sogar der Astrologie hoechst
unphilosophische Zugestaendnisse. Das Hauptstueck des Systems ward immer mehr
die kasuistische Pflichtenlehre. Sie kam dem hohlen Tugendstolz entgegen, bei
welchem die Roemer dieser Zeit in der vielfach demuetigenden Beruehrung mit den
Griechen Entschaedigung suchten, und formulierte den angemessenen Dogmatismus
der Sittlichkeit, der, wie jede wohlerzogene Moral, mit herzerstarrender
Rigorositaet im ganzen die hoeflichste Nachsicht im einzelnen verbindet 2. Ihre
praktischen Resultate werden kaum viel hoeher anzuschlagen sein als dass, wie
gesagt, in zwei oder drei vornehmen Haeusern der Stoa zuliebe schlecht gegessen
ward.
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2 Ein ergoetzliches Exempel kann man bei Cicero (off. 3, 12. 13) nachlesen.
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Dieser neuen Staatsphilosophie eng verwandt oder eigentlich ihre andere
Seite ist die neue Staatsreligion, deren wesentliches Kennzeichen das bewusste
Festhalten der als irrationell erkannten Saetze des Volksglaubens aus aeusseren
Zweckmaessigkeitsgruenden ist. Schon einer der hervorragendsten Maenner des
Scipionischen Kreises, der Grieche Polybios, spricht es unverhohlen aus, dass
das wunderliche und schwerfaellige roemische Religionszeremoniell einzig der
Menge wegen erfunden sei, die, da die Vernunft nichts ueber sie vermoege, mit
Zeichen und Wundern beherrscht werden muesse, waehrend verstaendige Leute
allerdings der Religion nicht beduerften. Ohne Zweifel teilten Polybios'
roemische Freunde im wesentlichen diese Gesinnung, wenn sie auch nicht in so
kruder und so platter Weise Wissenschaft und Religion sich entgegensetzten.
Weder Laelius noch Scipio Aemilianus koennen in der Auguraldisziplin, an die
auch Polybios zunaechst denkt, etwas anderes gesehen haben als eine politische
Institution; doch war der Nationalsinn in ihnen zu maechtig und das
Anstandsgefuehl zu fein, als dass sie mit solchen bedenklichen Eroerterungen
oeffentlich haetten auftreten moegen. Aber schon in der folgenden Generation
trug der Oberpontifex Quintus Scaevola (Konsul 659 95; 3, 221; 336) wenigstens
in seiner muendlichen Rechtsunterweisung unbedenklich die Saetze vor, dass es
eine zweifache Religion gebe, eine verstandesmaessige philosophische und eine
nichtverstandesmaessige traditionelle, dass jene sich nicht eigne zur
Staatsreligion, da sie mancherlei enthalte, was dem Volk zu wissen unnuetz oder
sogar schaedlich sei, dass demnach die ueberlieferte Staatsreligion bleiben
muesse, wie sie sei. Nur eine weitere Entwicklung desselben Grundgedankens ist
die Varronische Theologie, in der die roemische Religion durchaus behandelt wird
als ein Staatsinstitut. Der Staat, wird hier gelehrt, sei aelter als die Goetter
des Staats, wie der Maler aelter als das Gemaelde; wenn es sich darum handelte,
die Goetter neu zu machen, wuerde man allerdings wohltun, sie zweckdienlicher
und den Teilen der Weltseele prinzipmaessig entsprechender zu machen und zu
benennen, auch die nur irrige Vorstellungen erweckenden Goetterbilder 3 und das
verkehrte Opferwesen zu beseitigen; allein da diese Einrichtungen einmal
bestaenden, so muesse jeder gute Buerger sie kennen und befolgen und dazu tun,
dass der "gemeine Mann" die Goetter vielmehr hoeher achten als geringschaetzen
lerne. Dass der gemeine Mann, zu dessen Besten die Herren ihren Verstand
gefangen gaben, diesen Glauben jetzt verschmaehte und sein Heil anderswo suchte,
versteht sich von selbst und wird weiterhin sich zeigen. So war denn die
roemische Hochkirche fertig, eine scheinheilige Priester- und Levitenschaft und
eine glaubenslose Gemeinde. Je unverhohlener man die Landesreligion fuer eine
politische Institution erklaerte, desto entschiedener betrachteten die
politischen Parteien das Gebiet der Staatskirche als Tummelplatz fuer Angriff
und Verteidigung; was namentlich in immer steigendem Masse der Fall war mit der
Auguralwissenschaft und mit den Wahlen zu den Priesterkollegien. Die alte und
natuerliche Uebung, die Buergerversammlung zu entlassen, wenn ein Gewitter
heraufzog, hatte unter den Haenden der roemischen Augurn sich zu einem
weitlaeufigen System verschiedener Himmelszeichen und daran sich knuepfender
Verhaltungsregeln entwickelt; in den ersten Dezennien dieser Epoche ward sogar
durch das Aelische und das Fufische Gesetz geradezu verordnet, dass jede
Volksversammlung auseinanderzugehen genoetigt sei, wenn es einem hoeheren
Beamten einfalle, nach Gewitterzeichen am Himmel zu schauen; und die roemische
Oligarchie war stolz auf den schlauen Gedanken, fortan durch eine einzige fromme
Luege jedem Volksbeschluss den Stempel der Nichtigkeit aufdruecken zu koennen.
Umgekehrt lehnte die roemische Opposition sich auf gegen die alte Uebung, dass
die vier hoechsten Priesterkollegien bei entstehenden Vakanzen sich selber
ergaenzten, und forderte die Erstreckung der Volkswahl auch auf die Stellen
selbst, wie sie fuer die Vorstandschaften dieser Kollegien schon frueher
eingefuehrt war. Es widersprach dies allerdings dem Geiste dieser
Koerperschaften, aber dieselben hatten kein Recht, darueber sich zu beklagen,
nachdem sie ihrem Geiste selbst untreu geworden waren und zum Beispiel der
Regierung mit religioesen Kassationsgruenden politischer Akte auf Verlangen an
die Hand gingen. Diese Angelegenheit ward ein Zankapfel der Parteien. Den ersten
Sturm im Jahre 609 (145) schlug der Senat ab, wobei namentlich der Scipionische
Kreis fuer die Verwerfung des Antrags den Ausschlag gab. Aber im Jahre 650 (104)
ging sodann der Vorschlag durch mit der frueher schon bei der Wahl der
Vorstaende gemachten Beschraenkungen zum Besten bedenklicher Gewissen, dass
nicht die ganze Buergerschaft, sondern nur der kleinere Teil der Bezirke zu
waehlen habe. Dagegen stellte Sulla das Kooptationsrecht in vollem Umfang wieder
her. Mit dieser Fuersorge der Konservativen fuer die reine Landesreligion
vertrug es natuerlich sich aufs beste, dass eben in den vornehmsten Kreisen mit
derselben offen Spott getrieben ward. Die praktische Seite des roemischen
Priestertums war die priesterliche Kueche; die Augural- und Pontifikalschmaeuse
waren gleichsam die offiziellen Silberblicke eines roemischen
Feinschmeckerlebens und manche derselben machten Epoche in der Geschichte der
Gastronomie, wie zum Beispiel die Antrittsmahlzeit des Augurs Quintus Hortensius
die Pfauenbraten aufgebracht hat. Sehr brauchbar ward auch die Religion
befunden, um den Skandal pikanter zu machen. Es war ein Lieblingsvergnuegen
vornehmer junger Herren, zur Nachtzeit auf den Strassen die Goetterbilder zu
schaenden oder zu verstuemmeln. Gewoehnliche Liebeshaendel waren laengst gemein
und Verhaeltnisse mit Ehefrauen fingen an es zu werden; aber ein Verhaeltnis zu
einer Vestalin war so pikant wie in der Welt des Decamerone die Nonnenliebschaft
und das Klosterabenteuer. Bekannt ist der arge Handel des Jahres 640 (114), in
welchem drei Vestalinnen, Toechter der vornehmsten Familien, und deren
Liebhaber, junge Maenner gleichfalls aus den besten Haeusern, zuerst vor dem
Pontifikalkollegium und, da dies die Sache zu vertuschen suchte, vor einem durch
eigenen Volksschluss eingesetzten ausserordentlichen Gericht wegen Unzucht zur
Verantwortung gezogen und saemtlich zum Tode verurteilt wurden. Solchen Skandal
nun konnten freilich gesetzte Leute nicht billigen; aber dagegen war nichts
einzuwenden, dass man die positive Religion im vertrauten Kreise albern fand:
die Augurn konnten, wenn einer den andern fungieren sah, sich einander ins
Gesicht lachen, unbeschadet ihrer religioesen Pflichten. Man gewinnt die
bescheidene Heuchelei verwandter Richtungen ordentlich lieb, wenn man die krasse
Unverschaemtheit der roemischen Priester und Leviten damit vergleicht. Ganz
unbefangen ward die offizielle Religion behandelt als ein hohles, nur fuer die
politischen Maschinisten noch brauchbares Gerueste; in dieser Eigenschaft konnte
es mit seinen zahllosen Winkeln und Falltueren, wie es fiel, jeder Partei dienen
und hat einer jeden gedient. Zumeist sah allerdings die Oligarchie ihr Palladium
in der Staatsreligion, vornehmlich in der Auguraldisziplin; aber auch die
Gegenpartei machte keine prinzipielle Opposition gegen ein Institut, das nur
noch ein Scheinleben hatte, sondern betrachtete dasselbe im ganzen als eine
Schanze, die aus dem Besitz des Feindes in den eigenen uebergehen koenne.
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3 Auch in Varros Satire 'Die Aboriginer' wurde in spoettischer Weise
dargestellt, wie die Urmenschen sich nicht haetten genuegen lassen mit dem Gott,
den nur der Gedanke erkennt, sondern sich gesehnt haetten nach Goetterpuppen und
Goetterbilderchen.
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Im scharfen Gegensatz gegen dies eben geschilderte Religionsgespenst stehen
die verschiedenen fremden Kulte, welche diese Epoche hegte und pflegte und denen
wenigstens eine sehr entschiedene Lebenskraft nicht abgesprochen werden kann.
Sie begegnen ueberall, bei den vornehmen Damen und Herren wie in den
Sklavenkreisen, bei dem General wie bei dem Lanzknecht, in Italien wie in den
Provinzen. Es ist unglaublich, wie hoch hinauf dieser Aberglaube bereits reicht.
Als im Kimbrischen Krieg eine syrische Prophetin Martha sich erbot, die Wege und
Mittel zur Ueberwindung der Deutschen dem Senat an die Hand zu geben, wies
dieser zwar sie mit Verachtung zurueck; aber die roemischen Damen und namentlich
Marius' eigene Gemahlin expedierten sie dennoch nach dem Hauptquartier, wo der
Gemahl sie bereitwillig aufnahm und mit sich herumfuehrte, bis die Teutonen
geschlagen waren. Die Fuehrer der verschiedensten Parteien im Buergerkrieg,
Marias, Octavius, Sulla, trafen zusammen in dem Glauben an Zeichen und Orakel.
Selbst der Senat masste waehrend desselben in den Wirren des Jahres 667 (87)
sich dazu verstehen, den Faseleien einer verrueckten Prophetin gemaess
Anordnungen zu treffen. Fuer das Erstarren der roemisch-hellenischen Religion,
wie fuer das im Steigen begriffene Beduerfnis der Menge nach staerkeren
religioesen Stimulantien ist es bezeichnend, dass der Aberglaube nicht mehr, wie
in den Bakchenmysterien, anknuepft an die nationale Religion; selbst die
etruskische Mystik ist bereits ueberfluegelt; durchaus in erster Linie
erscheinen die in den heissen Landschaften des Orients gezeitigten Kulte. Sehr
viel hat dazu beigetragen das massenhafte Eindringen kleinasiatischer und
syrischer Elemente in die Bevoelkerung, teils durch die Sklaveneinfuhr, teils
durch den gesteigerten Verkehr Italiens mit dem Osten. Die Macht dieser
fremdlaendischen Religion tritt sehr scharf hervor in den Aufstaenden der
sizilischen, groesstenteils aus Syrien herstammenden Sklaven. Eunus spie Feuer,
Athenion las in den Sternen; die von den Sklaven in diesen Kriegen
geschleuderten Bleikugeln tragen grossenteils Goetternamen, neben Zeus und
Artetuis besonders den der geheimnisvollen von Kreta nach Sizilien gewanderten
und daselbst eifrig verehrten Muetter. Aehnlich wirkte der Handelsverkehr,
namentlich seitdem die Waren von Berytos und Alexandreia direkt nach den
italischen Haefen gingen: Ostia und Puteoli wurden die grossen Stapelplaetze wie
fuer die syrischen Salben und die aegyptische Leinwand so auch fuer den Glauben
des Ostens. Ueberall ist mit der Voelker- auch die Religionsmengung bestaendig
im Steigen. Von allen erlaubten Kulten war der populaerste der der
pessinuntischen Goettermutter, der mit seinem Eunuchenzoelibat, mit den
Schmaeusen, der Musik, den Bettelprozessionen und dem ganzen sinnlichen
Gepraenge der Menge imponierte; die Hauskollekten wurden bereits als eine
oekonomische Last empfunden. In der gefaehrlichsten Zeit des Kimbrischen Krieges
erschien der Hohepriester Battakes von Pessinus in eigener Person in Rom, um die
Interessen des dortigen, angeblich entweihten Tempels seiner Goettin zu
vertreten, redete im besonderen Auftrag der Goettermutter zum roemischen Volk
und tat auch verschiedene Wunder. Die verstaendigen Leute aergerten sich, aber
die Weiber und die grosse Menge liessen es sich nicht nehmen, dem Propheten beim
Abzug in hellen Haufen das Geleit zu geben. Geluebde, nach dem Osten zu
wallfahrten, waren bereits nichts Seltenes mehr, wie denn selbst Marius also
seine Pilgerfahrt nach Pessinus unternahm; ja es gaben schon (zuerst 653 101)
roemische Buerger sich zu dem Eunuchenpriestertum her. Aber weit populaerer noch
waren natuerlich die unerlaubten und Geheimkulte. Schon zu Catos Zeit hatte der
chaldaeische Horoskopensteller angefangen, dem etruskischen Eingeweide-, dem
marsischen Vogelschauer Konkurrenz zu machen; bald war die Sternguckerei und
Sterndeuterei in Italien ebenso zu Hause wie in ihrem traumseligen Heimatland.
Schon 615 (139) wies der roemische Fremdenpraetor die saemtlichen "Chaldaeer"
an, binnen zehn Tagen Rom und Italien zu raeumen. Dasselbe Schicksal traf
gleichzeitig die Juden, welche zu ihrem Sabbat italische Proselyten zugelassen
hatten. Ebenso hatte Scipio das Lager von Numantia von Wahrsagern und frommen
Industrierittern jeder Art zu reinigen. Einige Jahrzehnte spaeter (657 97) sah
man sogar sich genoetigt, die Menschenopfer zu verbieten. Der wilde Kult der
kappadokischen Ma oder, wie die Roemer sie nannten, der Bellona, welcher bei den
festlichen Aufzuegen die Priester das eigene Blut zum Opfer verspritzten, und
die duestere aegyptische Goetterverehrung beginnen sich zu melden; schon Sulla
erschien jene Kappadokierin im Traume, und von den spaeteren roemischen Isis-
und Osirisgemeinden fuehrten die aeltesten ihre Entstehung bis in die
sullanische Zeit zurueck. Man war irre geworden, nicht bloss an dem alten
Glauben, sondern auch an sich selbst; die entsetzlichsten Krisen einer
fuenfzigjaehrigen Revolution, das instinktmaessige Gefuehl, dass der
Buergerkrieg noch keineswegs am Ende sei, steigerten die angstvolle Spannung,
die truebe Beklommenheit der Menge. Unruhig erklomm der irrende Gedanke jede
Hoehe und versenkte sich in jeden Abgrund, wo er neue Aus- und Einsichten in die
drohenden Verhaengnisse, neue Hoffnungen in dem verzweifelten Kampfe gegen das
Geschick oder vielleicht auch nur neue Angst zu finden waehnte. Der
ungeheuerliche Mystizismus fand in der allgemeinen politischen, oekonomischen,
sittlichen, religioesen Zerfahrenheit den ihm genehmen Boden und gedieh mit
erschreckender Schnelle: es war, als waeren Riesenbaeume ueber Nacht aus der
Erde gewachsen, niemand wusste woher und wozu, und ebendieses wunderbar rasche
Emporkommen wirkte neue Wunder und ergriff epidemisch alle nicht ganz
befestigten Gemueter.
In aehnlicher Weise wie auf dem religioesen Gebiet vollendete sich die in
der vorigen Epoche begonnene Revolution auf dem der Erziehung und Bildung. Wie
der Grundgedanke des roemischen Wesens, die buergerliche Gleichheit, bereits im
Laufe des sechsten Jahrhunderts auch auf diesem Gebiet ins Schwanken gekommen
war, ist frueher dargestellt worden. Schon zu Pictors und Catos Zeit war die
griechische Bildung in Rom weit verbreitet und gab es eine eigene roemische
Bildung; allein man war doch mit beiden nicht ueber die Anfaenge hinausgelangt.
Was man unter roemisch-griechischer Musterbildung in dieser Zeit ungefaehr
verstand, zeigt Catos 'Encyklopaedie'; es ist wenig mehr als die Formulierung
des alten roemischen Hausvatertums und wahrlich, mit der damaligen hellenischen
Bildung verglichen, duerftig genug. Auf wie niedriger Stufe noch im Anfang des
siebenten Jahrhunderts der Jugendunterricht in Rom durchgaengig stand, laesst
aus den Aeusserungen bei Polybios sich abnehmen, welcher in dieser einen
Hinsicht gegenueber der verstaendigen privaten und oeffentlichen Fuersorge
seiner Landsleute die straefliche Gleichgueltigkeit der Roemer tadelnd
hervorhebt - in den dieser Gleichgueltigkeit zu Grunde liegenden tieferen
Gedanken der buergerlichen Gleichheit hat kein Hellene, auch Polybios nicht sich
zu finden vermocht.
Jetzt ward dies anders. Wie zu dem naiven Volksglauben der aufgeklaerte
stoische Supranaturalismus hinzutrat, so formulierte auch in der Erziehung neben
dem einfachen Volksunterricht sich eine besondere Bildung, eine exklusive
Humanitas und vertilgte die letzten Ueberreste der alten geselligen Gleichheit.
Es wird nicht ueberfluessig sein, auf die Gestaltung des neuen
Jugendunterrichts, sowohl des griechischen wie des hoeheren lateinischen, einen
Blick zu werfen.
Es ist eine wundersame Fuegung, dass derselbe Mann, der politisch die
hellenische Nation definitiv ueberwand, Lucius Aemilius Paullus, zugleich zuerst
oder als einer der ersten die hellenische Zivilisation vollstaendig anerkannte
als das, was sie seitdem unwidersprochen geblieben ist, die Zivilisation der
antiken Welt. Er selber zwar war ein Greis, bevor es ihm gestattet wurde, die
Homerischen Lieder im Sinn, hinzutreten vor den Zeus des Pheidias; aber sein
Herz war jung genug, um den vollen Sonnenglanz hellenischer Schoenheit und die
unbezwingliche Sehnsucht nach den goldenen Aepfeln der Hesperiden in seiner
Seele heimzubringen; Dichter und Kuenstler hatten an dem fremden Mann einen
ernsteren und innigeren Glaeubigen gefunden, als irgendeiner war von den klugen
Leuten des damaligen Griechenland. Er machte kein Epigramm auf Homeros oder
Pheidias, aber er liess seine Kinder einfuehren in die Reiche des Geistes. Ohne
die nationale Erziehung zu vernachlaessigen, soweit es eine solche gab, sorgte
er wie die Griechen fuer die physische Entwicklung seiner Knaben, zwar nicht
durch die nach roemischen Begriffen unzulaessigen Turnuebungen, aber durch
Unterweisung in der bei den Griechen fast kunstmaessig entwickelten Jagd, und
steigerte den griechischen Unterricht in der Art, dass nicht mehr bloss die
Sprache um des Sprechens willen gelernt und geuebt, sondern nach griechischer
Art der Gesamtstoff allgemeiner hoeherer Bildung an die Sprache geknuepft und
aus ihr entwickelt ward - also vor allem die Kenntnis der griechischen Literatur
mit der zu deren Verstaendnis noetigen mythologischen und historischen Kunde,
sodann Rhetorik und Philosophie. Die Bibliothek des Koenigs Perseus war das
einzige Stueck, das Paullus aus der makedonischen Kriegsbeute fuer sich nahm, um
sie seinen Soehnen zu schenken. Sogar griechische Maler und Bildner befanden
sich in seinem Gefolge und vollendeten die musische Bildung seiner Kinder. Dass
die Zeit vorueber war, wo man auf diesem Gebiet sich dem Hellenismus gegenueber
bloss ablehnend verhalten konnte, hatte schon Cato empfunden; die Besseren
mochten jetzt ahnen, dass der edle Kern roemischer Art durch den ganzen
Hellenismus weniger gefaehrdet werde als durch dessen Verstuemmelung und
Missbildung: die Masse der hoeheren Gesellschaft Roms und Italiens machte die
neue Weise mit. An griechischen Schulmeistern war seit langem in Rom kein
Mangel; jetzt stroemten sie scharenweise, und nicht bloss als Sprach-, sondern
als Lehrer der Literatur und Bildung ueberhaupt, nach dem neu eroeffneten
ergiebigen Absatzmarkt ihrer Weisheit. Griechische Hofmeister und Lehrer der
Philosophie, die freilich, auch wenn sie nicht Sklaven waren, regelmaessig wie
Bediente 4 gehalten wurden, wurden jetzt stehend in den Palaesten Roms; man
raffinierte darauf, und es findet sich, dass fuer einen griechischen
Literatursklaven ersten Ranges 200000 Sesterzen (15200 Taler) gezahlt worden
sind. Schon 593 (161) bestanden in der Hauptstadt eine Anzahl besonderer
Lehranstalten fuer griechische Deklamationsuebung. Schon begegnen einzelne
ausgezeichnete Namen unter diesen roemischen Lehrern: des Philosophen Panaetios
ward bereits gedacht; der angesehene Grammatiker Krates von Mallos in Kilikien,
Aristarchs Zeitgenosse und ebenbuertiger Rival, fand um 585 (169) in Rom ein
Publikum fuer die Vorlesung und sprachliche und sachliche Erlaeuterung der
Homerischen Gedichte. Zwar stiess diese neue Weise des Jugendunterrichts,
revolutionaer und antinational wie sie war, zum Teil auf den Widerstand der
Regierung; allein der Ausweisungsbefehl, den die Behoerden 593 (161) gegen
Rhetoren und Philosophen schleuderten, blieb, zumal bei dem steten Wechsel der
roemischen Oberbeamten, wie alle aehnlichen Befehle ohne nennenswerten Erfolg,
und nach des alten Cato Tode ward in seinem Sinne wohl noch oefters geklagt,
aber nicht mehr gehandelt. Der hoehere Unterricht im Griechischen und in den
griechischen Bildungswissenschaften blieb fortan anerkannt als ein wesentlicher
Teil der italischen Bildung.
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4 Cicero sagt, dass er seinen gelehrten Sklaven Dionysios ruecksichtsvoller
behandelt habe als Scipio den Panaetios; und in gleichem Sinne hiess es bei
Lucilius:
Nuetzlicher ist mir mein Gaul, mein Reitknecht, Mantel und Zeltdach
Als der Philosoph.
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Aber ihm zur Seite entwickelte sich ein hoeherer lateinischer Unterricht.
Es ist in der vorigen Epoche dargestellt worden, wie der lateinische
Elementarunterricht sich innerlich gesteigert hatte; wie an die Stelle der
Zwoelf Tafeln gleichsam als verbesserte Fibel die lateinische Odyssee getreten
war und nun der roemische Knabe an dieser Uebersetzung, wie der griechische an
dem Original, die Kunde und den Vortrag der Muttersprache ausbildete; wie
namhafte griechische Sprach- und Literaturlehrer, Andronicus, Ennius und andere
mehr, die doch wahrscheinlich schon nicht eigentlich Kinder, sondern
heranreifende Knaben und Juenglinge lehrten, es nicht verschmaehten, neben der
griechischen auch in der Muttersprache zu unterrichten. Es waren das die
Anfaenge eines hoeheren lateinischen Unterrichts, aber doch noch ein solcher
nicht. Der Sprachunterricht kann den elementaren Kreis nicht ueberschreiten,
solange es an einer Literatur mangelt. Erst als es nicht bloss lateinische
Schulbuecher, sondern eine lateinische Literatur gab und diese in den Werken der
Klassiker des sechsten Jahrhunderts in einer gewissen Abgeschlossenheit vorlag,
traten die Muttersprache und die einheimische Literatur wahrhaft ein in den
Kreis der hoeheren Bildungselemente; und die Emanzipation von den griechischen
Sprachmeistern liess nun auch nicht lange auf sich warten. Angeregt durch die
Homerischen Vorlesungen des Krates begannen gebildete Roemer die rezitativen
Werke auch ihrer Literatur, Naevius' 'Punischen Krieg', Ennius' 'Chronik',
spaeterhin auch Lucilius' Gedichte zuerst einem erlesenen Kreis, dann
oeffentlich an fest bestimmten Tagen und unter grossem Zulauf vorzutragen, auch
wohl nach dem Vorgang der homerischen Grammatiker sie kritisch zu bearbeiten.
Diese literarischen Vortraege, die gebildete Dilettanten (litterati)
unentgeltlich hielten, waren zwar kein foermlicher Jugendunterricht, aber doch
ein wesentliches Mittel, die Jugend in das Verstaendnis und den Vortrag der
klassischen lateinischen Literatur einzufuehren.
Aehnlich ging es mit der Bildung der lateinischen Rede. Die vornehme
roemische Jugend, die schon in fruehem Alter mit Lob- und gerichtlichen Reden
oeffentlich aufzutreten angehalten ward, wird es an Redeuebungen nie haben
fehlen lassen; indes erst in dieser Epoche und infolge der neuen exklusiven
Bildung entstand eine eigentliche Redekunst. Als der erste roemische Sachwalter,
der Sprache und Stoff kunstmaessig behandelte, wird Marcus Lepidus Porcina
(Konsul 617 137) genannt; die beiden beruehmten Advokaten der marianischen Zeit,
der maennliche und lebhafte Marcus Antonius (611-667143-87) und der feine,
gehaltene Redner Lucius Crassus (614-663 140-91), waren schon vollstaendig
Kunstredner. Die Uebungen der Jugend im Sprechen stiegen natuerlich an Umfang
und Bedeutung, aber blieben doch, eben wie die lateinischen Literaturuebungen,
wesentlich darauf beschraenkt, dass der Anfaenger an den Meister der Kunst
persoenlich sich anschloss und durch sein Beispiel und seine Lehre sich
ausbildete.
Foermliche Unterweisung sowohl in lateinischer Literatur als in
lateinischer Redekunst gab zuerst um 650 (100) Lucius Aelius Praeconinus von
Lanuvium, der "Griffelmann" (Stilo) genannt, ein angesehener, streng konservativ
gesinnter roemischer Ritter, der mit einem auserlesenen Kreise juengerer Maenner
- darunter Varro und Cicero - den Plautus und aehnliches las, auch wohl
Entwuerfe zu Reden mit den Verfassern durchging oder dergleichen seinen Freunden
an die Hand gab. Dies war ein Unterricht; aber ein gewerbmaessiger Schulmeister
war Stilo nicht, sondern er lehrte Literatur und Redekunst, wie in Rom die
Rechtswissenschaft gelehrt ward, als ein aelterer Freund der aufstrebenden
jungen Leute, nicht als ein gedungener, jedem zu Gebote stehender Mann. Aber um
seine Zeit begann auch der schulmaessige hoehere Unterricht im Lateinischen,
getrennt sowohl von dem elementaren lateinischen als von dem griechischen
Unterricht, und von bezahlten Lehrmeistern, in der Regel freigelassenen Sklaven,
in besonderen Anstalten erteilt. Dass Geist und Methode durchaus den
griechischen Literatur- und Sprachuebungen abgeborgt wurden, versteht sich von
selbst; und auch die Schueler bestanden wie bei diesen aus Juenglingen, nicht
aus Knaben. Bald schied sich dieser lateinische Unterricht, wie der griechische,
in einen zwiefachen Kursus, indem erstlich die lateinische Literatur
wissenschaftlich vorgetragen, sodann zu Lob-, Staats- und Gerichtsreden
kunstmaessige Anleitung gegeben ward. Die erste roemische Literaturschule
eroeffnete um Stilos Zeit Marcus Saevius Nicanor Postumus, die erste besondere
Schule fuer lateinische Rhetorik um 660 (90) Lucius Plotius Gallus; doch ward in
der Regel auch in den lateinischen Literaturschulen Anleitung zur Redekunst
gegeben. Dieser neue lateinische Schulunterricht war von der tiefgreifendsten
Bedeutung. Die Anleitung zur Kunde lateinischer Literatur und lateinischer Rede,
wie sie frueher von hochgestellten Kennern und Meistern erteilt worden war,
hatte den Griechen gegenueber eine gewisse Selbstaendigkeit sich bewahrt. Die
Kenner der Sprache und die Meister der Rede standen wohl unter dem Einfluss des
Hellenismus, aber nicht unbedingt unter dem der griechischen Schulgrammatik und
Schulrhetorik; namentlich die letztere wurde entschieden perhorresziert. Der
Stolz wie der gesunde Menschenverstand der Roemer empoerte sich gegen die
griechische Behauptung, dass die Faehigkeit, ueber Dinge, die der Redner
verstand und empfand, verstaendig und anregend in der Muttersprache zu
seinesgleichen zu reden, in der Schule nach Schulregeln gelernt werden koenne.
Dem tuechtigen praktischen Advokaten musste das gaenzlich dem Leben entfremdete
Treiben der griechischen Rhetoren fuer den Anfaenger schlimmer als gar keine
Vorbereitung erscheinen; dem durchgebildeten und durch das Leben gereiften Manne
duenkte die griechische Rhetorik schal und widerlich; dem ernstlich konservativ
gesinnten entging die Wahlverwandtschaft nicht zwischen der gewerbmaessig
entwickelten Redekunst und dem demagogischen Handwerk. So hatte denn namentlich
der Scipionische Kreis den Rhetoren die bitterste Feindschaft geschworen, und
wenn die griechischen Deklamationen bei bezahlten Meistern, zunaechst wohl als
Uebungen im Griechischsprechen, geduldet wurden, so war doch die griechische
Rhetorik damit weder in die lateinische Rede noch in den lateinischen
Redeunterricht eingedrungen. In den neuen lateinischen Rhetorschulen aber wurden
die roemischen Jungen zu Maennern und Staatsrednern dadurch gebildet, dass sie
paarweise den bei der Leiche des Aias mit dem blutigen Schwerte desselben
gefundenen Odysseus der Ermordung seines Waffengefaehrten anklagten und dagegen
ihn verteidigten; dass sie den Orestes wegen Muttermordes belangten oder in
Schutz nahmen; dass sie vielleicht auch dem Hannibal nachtraeglich mit einem
guten Rat darueber aushalfen, ob er besser tue, der Vorladung nach Rom Folge zu
leisten oder in Karthago zu bleiben oder die Flucht zu ergreifen. Es ist
begreiflich, dass gegen diese widerwaertigen und verderblichen Wortmuehlen noch
einmal die catonische Opposition sich regte. Die Zensoren des Jahres 662 (92)
erliessen eine Warnung an Lehrer und Eltern, die jungen Menschen nicht den
ganzen Tag mit Uebungen hinbringen zu lassen, von denen die Vorfahren nichts
gewusst haetten; und der Mann, von dem diese Warnung kam, war kein geringerer
als der erste Gerichtsredner seiner Zeit, Lucius Licinius Crassus. Natuerlich
sprach die Kassandra vergebens; lateinische Deklamieruebungen ueber die
gangbaren griechischen Schulthemen wurden ein bleibender Bestandteil des
roemischen Jugendunterrichts und taten das Ihrige, um schon die Knaben zu
advokatischen und politischen Schauspielern zu erziehen und jede ernste und
wahre Beredsamkeit im Keime zu ersticken.
Als Gesamtergebnis aber dieser modernen roemischen Erziehung entwickelte
sich der neue Begriff der sogenannten "Menschlichkeit", der Humanitaet, welche
bestand teils in der mehr oder minder oberflaechlich angeeigneten musischen
Bildung der Hellenen, teils in einer dieser nachgebildeten oder
nachgestuemperten privilegierten lateinischen. Diese neue Humanitaet sagte, wie
schon der Name andeutet, sich los von dem spezifisch roemischen Wesen, ja trat
dagegen in Opposition und vereinigte in sich, ebenwie unsere eng verwandte
"allgemeine Bildung", einen national kosmopolitischen und sozial exklusiven
Charakter. Auch hier war die Revolution, die die Staende schied und die Voelker
verschmolz.
13. Kapitel
Literatur und Kunst
Das sechste Jahrhundert ist, politisch wie literarisch, eine frische und
grosse Zeit. Zwar begegnet auf dem schriftstellerischen Gebiet so wenig wie auf
dem politischen ein Mann ersten Ranges; Naevius, Ennius, Plautus, Cato, begabte
und lebendige Schriftsteller von scharf ausgepraegter Individualitaet, sind
nicht im hoechsten Sinn schoepferische Talente; aber nichtsdestoweniger fuehlt
man dem Schwung, der Ruehrigkeit, der Keckheit ihrer dramatischen, epischen,
historischen Versuche es an, dass sie ruhen auf den Riesenkaempfen der Punischen
Kriege. Es ist vieles nur kuenstlich verpflanzt, in Zeichnung und Farbe vielfach
gefehlt, Kunstform und Sprache unrein behandelt, Griechisches und Nationales
barock ineinandergefuegt; die ganze Leistung verleugnet den Stempel des
schulmaessigen Urspungs nicht und ist unselbstaendig und unvollkommen; aber
dennoch lebt in den Dichtern und Schriftstellern dieser Zeit, wo nicht die volle
Kraft, das hohe Ziel zu erreichen, doch der Mut und die Hoffnung, mit den
Griechen zu wetteifern. Anders ist es in dieser Epoche. Die Morgennebel sanken;
was man im frischen Gefuehl der im Kriege gestaehlten Volkskraft begonnen hatte,
mit jugendlichem Mangel an Einsicht in die Schwierigkeit des Beginnens und in
das Mass des eigenen Talents, aber auch mit jugendlicher Lust und Liebe zum
Werke, das vermochte man nicht weiterzufuehren, als teils die dumpfe Schwuele
der heraufziehenden revolutionaeren Gewitter die Luft zu erfuellen begann, teils
den Einsichtigeren allmaehlich die Augen aufgingen ueber die unvergleichliche
Herrlichkeit der griechischen Poesie und Kunst und ueber die sehr bescheidene
kuenstlerische Begabung der eigenen Nation. Die Literatur des sechsten
Jahrhunderts war hervorgegangen aus der Einwirkung der griechischen Kunst auf
halb gebildete, aber angeregte und empfaengliche Gemueter. Die gesteigerte
hellenische Bildung des siebenten rief eine literarische Reaktion hervor, welche
die in jenen naiven Nachdichtungsversuchen doch auch enthaltenen Bluetenkeime
mit dem Winterfrost der Reflexion verdarb und Kraut und Unkraut der aelteren
Richtung miteinander ausreutete. Diese Reaktion ging zunaechst und
hauptsaechlich hervor aus dem Kreise, der um Scipio Aemilianus sich schloss und
dessen hervorragendste Glieder unter der roemischen vornehmen Welt ausser Scipio
dessen aelterer Freund und Berater Gaius Laelius (Konsul 614 140) und Scipios
juengere Genossen, Lucius Furius Philus (Konsul 618 136) und Spurius Mummius,
der Bruder des Zerstoerers von Korinth, unter den roemischen und griechischen
Literaten der Komiker Terentius, der Satirenschreiber Lucilius, der
Geschichtschreiber Polybios, der Philosoph Panaetios waren. Wem die Ilias, wem
Xenophon und Menandros gelaeufig waren, dem konnte der roemische Homer nicht
imponieren und noch weniger die schlechten Uebersetzungen Euripideischer
Tragoedien, wie Ennius sie geliefert hatte und Pacuvius sie zu liefern fortfuhr.
Mochten der Kritik gegen die vaterlaendische Chronik patriotische Ruecksichten
Schranken stecken, so richtete doch Lucilius sehr spitzige Pfeile gegen "die
traurigen Figuren aus den geschraubten Expositionen des Pacuvius"; und aehnliche
strenge, aber nicht ungerechte Kritiken des Ennius, Plautus, Pacuvius, all
dieser Dichter, "die einen Freibrief zu haben scheinen, schwuelstig zu reden und
unlogisch zu schliessen", begegnen bei dem feinen Verfasser der am Schlusse
dieser Periode geschriebenen, dem Herennius gewidmeten Rhetorik. Man zuckte die
Achseln ueber die Interpolationen, mit denen der derbe roemische Volkswitz die
eleganten Komoedien des Philemon und des Diphilos staffiert hatte. Halb
laechelnd, halb neidisch wandte man sich ab von den unzulaenglichen Versuchen
einer dumpfen Zeit, die diesem Kreise erscheinen mochten etwa wie dem gereiften
Manne die Gedichtblaetter aus seiner Jugend; auf die Verpflanzung des
Wunderbaumes verzichtend, liess man in Poesie und Prosa die hoeheren
Kunstgattungen wesentlich fallen und beschraenkte sich hier darauf, der
Meisterwerke des Auslandes sich einsichtig zu erfreuen. Die Produktivitaet
dieser Epoche bewegt sich vorwiegend auf den untergeordneten Gebieten, der
leichteren Komoedie, der poetischen Miszelle, der politischen Broschuere, den
Fachwissenschaften. Das literarische Stichwort wird die Korrektheit, im
Kunststil und vor allem in der Sprache, welche, wie ein engerer Kreis von
Gebildeten aus dem gesamten Volke sich aussondert, sich ihrerseits ebenfalls
zersetzt in das klassische Latein der hoeheren Gesellschaft und das vulgaere des
gemeinen Mannes. "Reine Sprache" verheissen die Terenzischen Prologe;
Sprachfehlerpolemik ist ein Hauptelement der Lucilischen Satire; und ebendamit
haengt es zusammen, dass die griechische Schriftstellerei der Roemer jetzt
entschieden zuruecktritt. Insofern ist ein Fortschritt zum Besseren allerdings
vorhanden; es begegnen in dieser Epoche weit seltener unzulaengliche, weit
haeufiger in ihrer Art vollendete und durchaus erfreuliche Leistungen als vorher
oder nachher; in sprachlicher Hinsicht nennt schon Cicero die Zeit des Laelius
und des Scipio die goldene des reinen unverfaelschten Latein. Desgleichen steigt
die literarische Taetigkeit in der oeffentlichen Meinung allmaehlich vom
Handwerk zur Kunst empor. Noch im Anfang dieser Periode galt, wenn auch nicht
die Veroeffentlichung rezitativer Poesien, doch jedenfalls die Anfertigung von
Theaterstuecken als nicht schicklich fuer den vornehmen Roemer: Pacuvius und
Terentius lebten von ihren Stuecken; das Dramenschreiben war lediglich ein
Handwerk und keines mit goldenem Boden. Um die Zeit Sullas hatten die
Verhaeltnisse sich voellig verwandelt. Schon die Schauspielerhonorare dieser
Zeit beweisen, dass auch der beliebte dramatische Dichter damals auf eine
Bezahlung Anspruch machen durfte, deren Hoehe den Makel entfernte. Damit wurde
die Buehnendichtung zur freien Kunst erhoben; und so finden wir denn auch
Maenner aus den hoechsten adligen Kreisen, zum Beispiel Lucius Caesar (Aedil 664
90, + 667 87) fuer die roemische Buehne taetig und stolz darauf, in der
roemischen "Dichtergilde" neben dem ahnenlosen Accius zu sitzen. Die Kunst
gewinnt an Teilnahme und an Ehre; aber der Schwung ist hin im Leben wie in der
Literatur. Die nachtwandlerische Sicherheit, die den Dichter zum Dichter macht,
und die vor allem bei Plautus sehr entschieden hervortritt, kehrt bei keinem der
spaeteren wieder - die Epigonen der Hannibalskaempfer sind korrekt, aber matt.
Betrachten wir zuerst die roemische Buehnenliteratur und die Buehne selbst.
Im Trauerspiel treten jetzt zuerst Spezialitaeten auf; die Tragoediendichter
dieser Epoche kultivierten nicht, wie die der vorigen, nebenbei das Lustspiel
und das Epos. Die Wertschaetzung dieses Kunstzweiges in den schreibenden und
lesenden Kreisen war offenbar im Steigen, schwerlich aber die tragische Dichtung
selbst. Der nationalen Tragoedie (praetexta), der Schoepfung des Naevius,
begegnen wir nur noch bei dem gleich zu erwaehnenden Pacuvius, einem Spaetling
der Ennianischen Epoche. Unter den wahrscheinlich zahlreichen Nachdichtern
griechischer Tragoedie erwerben nur zwei sich einen bedeutenden Namen. Marcus
Pacuvius aus Brundisium (535 - ca. 625 219 bis 129), der in seinen frueheren
Jahren im Rom vom Malen, erst im hoeheren Alter vom Trauerspieldichten lebte,
gehoert seinen Jahren wie seiner Art nach mehr dem sechsten als dem siebenten
Jahrhundert an, obwohl seine poetische Taetigkeit in dieses faellt. Er dichtete
im ganzen in der Weise seines Landsmanns, Oheims und Meisters Ennius. Sorgsamer
feilend und nach hoeherem Schwunge strebend als sein Vorgaenger, galt er
guenstigen Kunstkritikern spaeter als Muster der Kunstpoesie und des reichen
Stils; in den auf uns gekommenen Bruchstuecken fehlt es indes nicht an Belegen,
die Ciceros sprachlichen und Lucilius' aesthetischen Tadel des Dichters
rechtfertigen; seine Sprache erscheint holpriger als die seines Vorgaengers,
seine Dichtweise schwuelstig und tueftelnd ^1. Es finden sich Spuren, dass er
wie Ennius mehr auf Philosophie als auf Religion gab; aber er bevorzugte doch
nicht wie dieser die der neologischen Richtung zusagenden sinnliche Leidenschaft
oder moderne Aufklaerung predigenden Dramen und schoepfte ohne Unterschied bei
Sophokles und bei Euripides - von jener entschiedenen und beinahe genialen
Tendenzpoesie des Ennius kann in dem juengeren Dichter keine Ader gewesen sein.
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^1 So hiess es im 'Paulus', einem Originalstueck, wahrscheinlich in der
Beschreibung des Passes von Pythion (2, 296):
Qua vix caprigeno generi gradilis gressio est.
Wo kaum
Dem bockgeschlechtigen Geschlecht gangbar der Gang.
Und in einem andern Stueck wird den Zuhoerern angesonnen, folgende
Beschreibung zu verstehen:
Vierfuessig, langsamwandelnd, ackerheimisch, rauh,
Niedrig, kurzkoepfig, schlangenhalsig, starr zu schaun,
Und, ausgeweidet, leblos mit lebendigem Ton.
Worauf dieselben natuerlich erwidern:
Mit dichtverzaeuntem Worte schilderst du uns ab,
Was ratend schwerlich auch der kluge Mann durchschaut;
Wenn du nicht offen redest, wir verstehn dich nicht.
Es erfolgt nun das Gestaendnis, dass die Schildkroete gemeint ist.
uebrigens fehlten solche Raetselreden auch bei den attischen Trauerspieldichtern
nicht, die deshalb von der Mittleren Komoedie oft und derb mitgenommen wurden.
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Lesbarere und gewandtere Nachbildungen der griechischen Tragoedie lieferte
des Pacuvius juengerer Zeitgenosse Lucius Accius, eines Freigelassenen Sohn von
Pisaurum (584 - nach 651 170-108), ausser Pacuvius der einzige namhafte
tragische Dichter des siebenten Jahrhunderts. Ohne Zweifel war er, ein auch
literarhistorisch und grammatisch taetiger Schriftsteller, bemueht, statt der
kruden Weise seiner Vorgaenger groessere Reinheit in Sprache und Stil in die
lateinische Tragoedie einzufuehren; doch ward auch seine Ungleichheit und
Inkorrektheit von den Maennern der strengen Observanz, wie Lucilius,
nachdruecklich getadelt.
Weit groessere Taetigkeit und weit bedeutendere Erfolge begegnen auf dem
Gebiete des Lustspiels. Gleich am Anfang dieser Periode erfolgte gegen die
gangbare und volksmaessige Lustspieldichtung eine bemerkenswerte Reaktion. Ihr
Vertreter Terentius (558-595 196-159) ist eine der geschichtlich
interessantesten Erscheinungen in der roemischen Literatur. Geboren im
phoenikischen Afrika, in frueher Jugend als Sklave nach Rom gebracht und dort in
die griechische Bildung der Zeit eingefuehrt, schien er von Haus aus dazu
berufen, der neuattischen Komoedie ihren kosmopolitischen Charakter
zurueckzugeben, den sie in der Zustutzung fuer das roemische Publikum unter
Naevius, Plautus und ihrer Genossen derben Haenden einigermassen eingebuesst
hatte. Schon in der Wahl und der Verwendung der Musterstuecke zeigt sich der
Gegensatz zwischen ihm und demjenigen seiner Vorgaenger, den wir jetzt allein
mit ihm vergleichen koennen. Plautus waehlt seine Stuecke aus dem ganzen Kreise
der neueren attischen Komoedie und verschmaeht die keckeren und populaereren
Lustspieldichter, wie zum Beispiel den Philemon, durchaus nicht; Terenz haelt
sich fast ausschliesslich an Menandros, den zierlichsten, feinsten und
zuechtigsten unter allen Poeten der neueren Komoedie. Die Weise, mehrere
griechische Stuecke zu einem lateinischen zusammenzuarbeiten, wird von Terenz
zwar beibehalten, da sie nach Lage der Sache fuer den roemischen Bearbeiter nun
einmal unvermeidlich war, aber mit unvergleichlich mehr Geschicklichkeit und
Sorgsamkeit gehandhabt. Der Plautinische Dialog entfernte sich ohne Zweifel sehr
haeufig von seinen Mustern; Terenz ruehmt sich des woertlichen Anschlusses
seiner Nachbildungen an die Originale, wobei freilich nicht an eine woertliche
Uebersetzung in unserm Sinn gedacht werden darf. Die nicht selten rohe, aber
immer drastische Auftragung roemischer Lokaltoene auf den griechischen Grund,
wie Plautus sie liebte, wird vollstaendig und absichtlich verbannt, nicht eine
Anspielung erinnert an Rom, nicht ein Sprichwort, kaum eine Reminiszenz 2;
selbst die lateinischen Titel werden durch griechische ersetzt. Derselbe
Unterschied zeigt sich in der kuenstlerischen Behandlung. Vor allen Dingen
erhalten die Schauspieler die ihnen gebuehrenden Masken zurueck und wird fuer
eine sorgfaeltigere Inszenierung Sorge getragen, so dass nicht mehr wie bei
Plautus alles, was dahin und nicht dahin gehoert, auf der Strasse vorzugehen
braucht. Plautus schuerzt und loest den Knoten leichtsinnig und lose, aber seine
Fabel ist drollig und oft frappant; Terenz, weit minder drastisch, traegt
ueberall, nicht selten auf Kosten der Spannung, der Wahrscheinlichkeit Rechnung
und polemisiert nachdruecklich gegen die allerdings zum Teil platten und
abgeschmackten stehenden Notbehelfe seiner Vorgaenger, zum Beispiel gegen die
allegorischen Traeume 3. Plautus malt seine Charaktere mit breiten Strichen, oft
schablonenhaft, immer fuer die Wirkung aus der Ferne und im ganzen und groben;
Terenz behandelt die psychologische Entwicklung mit einer sorgfaeltigen und oft
vortrefflichen Miniaturmalerei, wie zum Beispiel in den 'Bruedern' die beiden
Alten, der bequeme staedtische Lebemann und der vielgeplackte, durchaus nicht
parfuemierte Gutsherr, einen meisterhaften Kontrast bilden. In den Motiven wie
in der Sprache steht Plautus in der Kneipe, Terenz im guten buergerlichen
Haushalt. Die ruepelhafte Plautinische Wirtschaft, die sehr ungenierten, aber
allerliebsten Dirnchen mit den obligaten Wirten dazu, die saebelrasselnden
Landsknechte, die ganz besonders launig gemalte Bedientenwelt, deren Himmel der
Keller, deren Fatum die Peitsche ist, sind bei Terenz verschwunden oder doch zum
Besseren gewandt. Bei Plautus befindet man sich, im ganzen genommen, unter
angehendem oder ausgebildetem Gesindel, bei Terenz dagegen regelmaessig unter
lauter edlen Menschen; wird ja einmal ein Maedchenwirt ausgepluendert oder ein
junger Mensch ins Bordell gefuehrt, so geschieht es in moralischer Absicht, etwa
aus bruederlicher Liebe oder um den Knaben vom Besuch schlichter Haeuser
abzuschrecken. In den Plautinischen Stuecken herrscht die Philisteropposition
der Kneipe gegen das Haus: ueberall werden die Frauen heruntergemacht zur
Ergoetzung aller zeitweilig emanzipierten und einer liebenswuerdigen Begruessung
daheim nicht voellig versicherten Eheleute. In den Terenzischen Komoedien
herrscht nicht eine sittlichere, aber wohl eine schicklichere Auffassung der
Frauennatur und des ehelichen Lebens. Regelmaessig schliessen sie mit einer
tugendhaften Hochzeit oder womoeglich mit zweien - ebenwie von Menandros
geruehmt wird, dass er jede Verfuehrung durch eine Hochzeit wiedergutgemacht
habe. Die Lobreden auf das ehelose Leben, die bei Menandros so haeufig sind,
werden von seinem roemischen Bearbeiter nur mit charakteristischer
Schuechternheit wiederholt 4, dagegen der Verliebte in seiner Pein, der
zaertliche Ehemann am Kindbett, die liebevolle Schwester auf dem Sterbelager im
'Verschnittenen' und im 'Maedchen von Andros' gar anmutig geschildert; ja in der
'Schwiegermutter' erscheint sogar am Schluss als rettender Engel ein
tugendhaftes Freudenmaedchen, ebenfalls eine echt Menandrische Figur, die das
roemische Publikum freilich wie billig auspfiff. Bei Plautus sind die Vaeter
durchaus nur dazu da, um von den Soehnen gefoppt und geprellt zu werden; bei
Terenz wird im 'Selbstquaeler' der verlorene Sohn durch vaeterliche Weisheit
gebessert und, wie er ueberhaupt voll trefflicher Paedagogik ist, geht in dem
vorzueglichsten seiner Stuecke, den 'Bruedern', die Pointe darauf hinaus,
zwischen der allzu liberalen Onkel- und der allzu rigorosen Vatererziehung die
rechte Mitte zu finden. Plautus schreibt fuer den grossen Haufen und fuehrt
gottlose und spoettische Reden im Munde, soweit die Buehnenzensur es irgend
gestattet; Terenz bezeichnet vielmehr als seinen Zweck, den Guten zu gefallen
und, wie Menandros, niemand zu verletzen. Plautus liebt den raschen, oft
laermenden Dialog, und es gehoert zu seinen Stuecken das lebhafte Koerperspiel
der Schauspieler; Terenz beschraenkte sich auf "ruhiges Gespraech". Plautus'
Sprache fliesst ueber von burlesken Wendungen und Wortwitzen, von
Alliterationen, von komischen Neubildungen, aristophanischen
Woerterverklitterungen, spasshaft entlehnten griechischen Schlagwoertern.
Dergleichen Capricci kennt Terenz nicht: sein Dialog bewegt sich im reinsten
Ebenmass, und die Pointen sind zierliche epigrammatische und sentenzioese
Wendungen. Kein Lustspiel des Terenz ist dem Plautinischen gegenueber, weder in
poetischer noch in sittlicher Hinsicht, ein Fortschritt zu nennen. Von
Originalitaet kann bei beiden nicht, aber wo moeglich noch weniger bei Terenz,
die Rede sein; und das zweifelhafte Lob korrekterer Kopierung wird wenigstens
aufgewogen dadurch, dass der juengere Dichter wohl die Vergnueglichkeit, aber
nicht Lustigkeit Menanders wiederzugeben verstand, so dass die dem Menander
nachgedichteten Lustspiels des Plautus, wie der 'Stichus', die
Kaestchenkomoedie, 'Die beiden Backchis', wahrscheinlich weit mehr von dem
sprudelnden Zauber des Originals bewahren als die Komoedien des "halbierten
Menander". Ebensowenig wie in dem Uebergang vom Rohen zum Matten der
Aesthetiker, kann der Sittenrichter in dem Uebergang von der Plautinischen Zote
und Indifferenz zu der Terenzischen Akkommodierungsmoral einen Fortschritt
erkennen. Aber ein sprachlicher Fortschritt fand allerdings statt. Die elegante
Sprache war der Stolz des Dichters, und ihrem unnachahmlichen Reiz vor allem
verdankte er es, dass die feinsten Kunstrichter der Folgezeit, wie Cicero,
Caesar, Quintilian, unter allen roemischen Dichtern der republikanischen Zeit
ihm den Preis zuerkannten. Insofern ist es auch wohl gerechtfertigt, in der
roemischen Literatur, deren wesentlicher Kern ja nicht die Entwicklung der
lateinischen Poesie, sondern die der lateinischen Sprache ist, von den
Terenzischen Lustspielen als der ersten kuenstlerisch reinen Nachbildung
hellenischer Kunstwerke eine neue Aera zu datieren. Im entschiedensten
literarischen Krieg brach die moderne Komoedie sich Bahn. Die Plautinische
Dichtweise hatte in dem roemischen Buergerstand Wurzel gefasst; die Terenzischen
Lustspiele stiessen auf den lebhaftesten Widerstand bei dem Publikum, das ihre
"matte Sprache", ihren "schwachen Stil" unleidlich fand. Der, wie es scheint,
ziemlich empfindliche Dichter antwortete in den eigentlich keineswegs hierzu
bestimmten Prologen mit Antikritiken voll defensiver und offensiver Polemik und
provozierte von der Menge, die aus seiner 'Schwiegermutter' zweimal weggelaufen
war, um einer Fechter- und Seiltaenzerbande zuzusehen, auf die gebildeten Kreise
der vornehmen Welt. Er erklaerte, nur nach dem Beifall der "Guten" zu streben,
wobei freilich die Andeutung nicht fehlt, dass es durchaus nicht anstaendig sei,
Kunstwerke zu missachten, die den Beifall der "Wenigen" erhalten haetten. Er
liess die Rede sich gefallen oder beguenstigte sie sogar, dass vornehme Leute
ihn bei seinem Dichten mit Rat und sogar mit der Tat unterstuetzten 5. In der
Tat drang er durch; selbst in der Literatur herrschte die Oligarchie und
verdraengte die kunstmaessige Komoedie der Exklusiven das volkstuemliche
Lustspiel: wir finden, dass um 620 (134) die Plautinischen Stuecke vom
Repertoire verschwanden. Es ist dies um so bezeichnender, als nach dem fruehen
Tode des Terenz durchaus kein hervorstechendes Talent weiter auf diesem Gebiet
taetig war; ueber die Komoedien des Turpilius (+ 651 hochbejahrt 103) und andere
ganz oder fast ganz verschollene Lueckenbuesser urteilte schon am Ende dieser
Periode ein Kenner, dass die neuen Komoedien noch viel schlechter seien als die
schlechten neuen Pfennige.
Dass wahrscheinlich bereits im Laufe des sechsten Jahrhunderts zu der
griechisch-roemischen Komoedie (palliata) die nationale (togata) hinzugetreten
war als Abbild zwar nicht des spezifischen hauptstaedtischen, aber doch des Tuns
und Treibens im latinischen Land, ist frueher gezeigt worden. Natuerlich
bemaechtigte die Terenzische Schule rasch sich auch dieser Gattung; es war ganz
in ihrem Sinn, die griechische Komoedie einerseits in getreuer Uebersetzung,
andererseits in rein roemischer Nachdichtung in Italien einzubuergern. Der
Hauptvertreter dieser Richtung ist Lucius Afranius (blueht um 660 90). Die
Bruchstuecke, die uns von ihm vorliegen, geben keinen bestimmten Eindruck, aber
sie widersprechen auch nicht dem, was die roemischen Kunstkritiker ueber ihn
bemerken. Seine zahlreichen Nationallustspiele waren der Anlage nach durchaus
dem griechischen Intrigenstueck nachgebildet, nur dass sie, wie bei der
Nachdichtung natuerlich ist, einfacher und kuerzer ausfielen. Auch im einzelnen
borgte er, was ihm gefiel, teils von Menandros, teils aus der aelteren
Nationalliteratur. Von den latinischen Lokaltoenen aber, die bei dem Schoepfer
dieser Kunstgattung, Titinius, so bestimmt hervortreten, begegnet bei Afranius
nicht viel 6; seine Sujets halten sich sehr allgemein und moegen wohl
durchgaengig Nachbildungen bestimmter griechischer Komoedien nur mit
veraendertem Kostuem sein. Ein feiner Eklektizismus und eine gewandte
Kunstdichtung - literarische Anspielungen kommen nicht selten vor - sind ihm
eigen wie dem Terenz; auch die sittliche Tendenz, die seine Stuecke dem
Schauspiel naeherte, die polizeimaessige Haltung, die reine Sprache hat er mit
diesem gemein. Als Geistesverwandten des Menandros und des Terenz
charakterisieren ihn hinreichend das Urteil der Spaeteren, dass er die Toga
trage wie Menandros sie als Italiker getragen haben wuerde, und seine eigene
Aeusserung, dass ihm Terenz ueber alle andern Dichter gehe.
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2 Vielleicht die einzige Ausnahme ist im 'Maedchen von Andros' (4, 5) die
Antwort auf die Frage, wie es gehe:
Nun,
Wie wir koennen, heisst's ja, da, wie wir moechten, es nicht geht,
mit Anspielung auf die freilich auch einem griechischen Sprichwort
nachgebildete Zeile des Caecilius:
Geht's nicht so, wie du magst, so lebe wie du kannst.
Das Lustspiel ist das aelteste der Terenzischen und ward auf Empfehlung des
Caecilius von dem Theatervorstand zur Auffuehrung gebracht. Der leise Dank ist
bezeichnend.
3 Ein Seitenstueck zu der von Hunden gehetzten, weinend einen jungen
Menschen um Hilfe anrufenden Hindin, die Terenz (Phorm. prol. 4) verspottet,
wird man in der wenig geistreichen Plautinischen Allegorie von der Ziege und dem
Affen (Merc. 2, 1) erkennen duerfen. Schliesslich gehen auch dergleichen
Auswuechse auf die Euripideische Rhetorik zurueck (z. B. Eur. Hek. 90).
4 Micio in den 'Bruedern' (I, 1) preist sein Lebenslos und namentlich auch,
dass er nie eine Frau gehabt, "was jene (die Griechen) fuer ein Glueck halten".
5 Im Prolog des 'Selbstquaelers' laesst er von seinen Rezensenten sich
vorwerfen:
Er habe verlegt sich ploetzlich auf die Poesie,
Der Freunde Geist vertrauend, nicht aus eignem Drang;
und in dem spaeteren (594 160) zu den 'Bruedern' heisst es:
Denn wenn Missguenstige sagen, dass vornehme Herrn
Beim Werk ihm helfen und mitschreiben an jedem Stueck,
So rechnet dies, was herber Tadel jenen scheint,
Der Dichter zum Ruhm sich: dass den Maennern er gefaellt,
Die euch und allem Volke wohlgefaellig sind,
Die in Kriegslaeuften seinerzeit mit Rat und Tat
Hilfreich erprobt ihr all' und ohne Uebermut.
Schon in der ciceronischen Zeit war es allgemeine Annahme, dass hier
Laelius und Scipio Aemilianus gemeint seien; man bezeichnete die Szenen die von
denselben herruehren sollten; man erzaehlte von den Fahrten des armen Dichters
mit seinen vornehmen Goennern auf ihre Gueter bei Rom und fand es unverzeihlich,
dass dieselben fuer die Verbesserung seiner oekonomischen Lage gar nichts getan
haetten. Allein die sagenbildende Kraft ist bekanntlich nirgends maechtiger als
in der Literaturgeschichte. Es leuchtet ein, und schon besonnene roemische
Kritiker haben es erkannt, dass diese Zeilen unmoeglich auf den damals
25jaehrigen Scipio und auf seinen nicht viel aelteren Freund Laelius gehen
koennen. Verstaendiger wenigstens dachten andere an die vornehmen Poeten Quintus
Labeo (Konsul 571 183) und Marcus Popillius (Konsul 581 173) und den gelehrten
Kunstfreund und Mathematiker Lucius Sulpicius Gallus (Konsul 588 166); doch ist
auch dies offenbar nur Vermutung. Dass Terenz dem Scipionischen Hause nahe
stand, ist uebrigens nicht zu bezweifeln; es ist bezeichnend, dass die erste
Auffuehrung der 'Brueder' und die zweite der 'Schwiegermutter' stattfand bei den
Begraebnisfeierlichkeiten des Lucius Paullus, die dessen Soehne Scipio und
Fabius ausrichteten.
6 Dabei haben vermutlich auch aeusserliche Umstaende mitgewirkt. Nachdem
infolge des Bundesgenossenkrieges alle italischen Gemeinden das roemische
Buergerrecht erlangt hatten, war es nicht mehr erlaubt, die Szene eines
Lustspiels in eine solche zu verlegen, und musste der Dichter sich entweder
allgemein halten oder untergegangene oder auslaendische Orte auswaehlen. Gewiss
hat auch dieser Umstand, der selbst bei der Auffuehrung der aelteren Lustspiele
in Betracht kam, auf das Nationallustspiel unguenstig eingewirkt.
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Neu trat in dieser Epoche in das Gebiet der lateinischen Literatur die
Posse ein. Sie selbst war uralt; lange bevor Rom stand, moegen Latiums lustige
Gesellen bei festlichen Gelegenheiten in den ein fuer allemal feststehenden
Charaktermasken improvisiert haben. Einen festen lokalen Hintergrund erhielten
diese Spaesse an dem lateinischen Schildburg, wozu man die im Hannibalischen
Kriege zerstoerte und damit der Komik preisgegebene ehemals oskische Stadt
Atella ausersah; seitdem ward fuer diese Auffuehrungen der Name der "Oskischen
Spiele" oder "Spiele von Atella" ueblich 7. Aber mit der Buehne 8 und mit der
Literatur hatten diese Scherze nichts zu tun; sie wurden von Dilettanten wo und
wie es ihnen beliebte aufgefuehrt, und die Texte nicht geschrieben oder doch
nicht veroeffentlicht. Erst in dieser Periode ueberwies man das Atellanenstueck
an eigentliche Schauspieler 9 und verwandte es, aehnlich wie das griechische
Satyrdrama, als Nachspiel namentlich nach den Tragoedien; wo es denn nicht fern
lag, auch die schriftstellerische Taetigkeit hierauf zu erstrecken. Ob die
roemische Kunstposse ganz selbstaendig sich entwickelte oder etwa die in mancher
Hinsicht verwandte unteritalische zu ihr den Anstoss gegeben hat ^10, laesst
sich nicht mehr entscheiden; dass die einzelnen Stuecke durchgaengig
Originalarbeiten gewesen sind, ist gewiss. Als Begruender dieser neuen
Literaturgattung trat in der ersten Haelfte des siebenten Jahrhunderts ^11
Lucius Pomponius aus der latinischen Kolonie Bonoma auf, neben dessen Stuecken
bald auch die eines andern Dichters, Novius, sich beliebt machten. Soweit die
nicht zahlreichen Truemmer und die Berichte der alten Literatoren uns hier ein
Urteil gestatten, waren es kurze, regelmaessig wohl einaktige Possen, deren Reiz
weniger auf der tollen und locker geknuepften Fabel beruhte als auf der
drastischen Abkonterfeiung einzelner Staende und Situationen. Gern wurden
Festtage und oeffentliche Akte komisch geschildert: 'Die Hochzeit, 'Der erste
Maerz', 'Pantalon Wahlkandidat'; ebenso fremde Nationalitaeten: die
transalpinischen Gallier, die Syrer; vor allem haeufig erschienen auf den
Brettern die einzelnen Gewerbe: der Kuester, der Wahrsager, der Vogelschauer,
der Arzt, der Zoellner, der Maler, Fischer, Baecker gingen ueber die Buehne; die
Ausrufer hatten viel zu leiden und mehr noch die Walker, die in der roemischen
Narrenwelt die Rolle unserer Schneider gespielt zu haben scheinen. Wenn also dem
mannigfaltigen staedtischen Leben sein Recht geschah, so ward auch der Bauer mit
seinen Leiden und Freuden nach allen Seiten dargestellt - von der Fuelle dieses
laendlichen Repertoires geben eine Ahnung die zahlreichen derartigen Titel, wie
zum Beispiel 'Die Kuh', 'Der Esel', 'Das Zicklein', 'Die Sau', 'Das Schwein',
'Das kranke Schwein, 'Der Bauer, 'Der Landmann, 'Pantalon Landmann, 'Der
Rinderknecht, 'Die Winzer, 'Der Feigensammler', 'Das Holzmachen', 'Das Behacken,
'Der Huehnerhof'. Immer noch waren es in diesen Stuecken die stehenden Figuren
des dummen und des pfiffigen Dieners, des guten Alten, des weisen Mannes, die
das Publikum ergoetzten; namentlich der erste durfte nicht fehlen, der Pulcinell
dieser Posse, der gefraessige, unflaetige ausstaffiert haessliche und dabei ewig
verliebte Maccus, immer im Begriff, ueber seine eigenen Fuesse zu fallen, von
allen mit Hohn und mit Pruegeln bedacht und endlich am Schluss der regelmaessige
Suendenbock - die Titel 'Pulcinell Soldat, 'Pulcinell Wirt', 'Jungfer
Pulcinell', 'Pulcinell in der Verbannung, 'Die beiden Pulcinelle' moegen dem
gutgelaunten Leser eine Ahnung davon geben, wie mannigfaltig es auf der
roemischen Mummenschanz herging. Obwohl diese Possen, wenigstens seit sie
geschrieben wurden, den allgemeinen Gesetzen der Literatur sich fuegten und in
den Versmassen zum Beispiel der griechischen Buehne sich anschlossen, so hielten
sie doch sich natuerlicherweise bei weitem latinischer und volkstuemlicher als
selbst das nationale Lustspiel; in die griechische Welt begab sich die Posse nur
in der Form der travestierten Tragoedie ^12 und auch dies Genre scheint erst von
Novius und ueberhaupt nicht sehr haeufig kultiviert worden zu sein. Die Posse
dieses Dichters wagte sich auch schon, wo nicht bis in den Olymp, doch
wenigstens bis zu dem menschlichsten der Goetter, dem Hercules; er schrieb einen
'Hercules Auctionator'. Dass der Ton nicht der feinste war, versteht sich; sehr
unzweideutige Zweideutigkeiten, grobkoernige Bauernzoten, Kinder schreckende und
gelegentlich fressende Gespenster gehoerten hier einmal mit dazu, und
persoenliche Anzueglichkeiten, sogar mit Nennung der Namen, schluepften nicht
selten durch. Aber es fehlte auch nicht an lebendiger Schilderung, an grotesken
Einfaellen, schlagenden Spaessen, kernigen Spruechen, und die Harlekinade gewann
sich rasch eine nicht unansehnliche Stellung im Buehnenleben der Hauptstadt und
selbst in der Literatur.
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7 Es knuepfen sich an diesen Namen seit alter Zeit eine Reihe von
Irrtuemern. Das arge Versehen griechischer Berichterstatter, dass diese Possen
in Rom in oskischer Sprache gespielt worden seien, wird mit Recht jetzt
allgemein verworfen; allein es stellt bei genauerer Betrachtung sich nicht
minder als unmoeglich heraus diese, in der Mitte des latinischen Stadt- und
Landlebens stehenden Stuecke ueberhaupt auf das national oskische Wesen zu
beziehen. Die Benennung des "Atellanischen Spiels" erklaert sich auf eine andere
Weise. Die latinische Posse mit ihren festen Rollen und stehenden Spaessen
bedurfte einer bleibenden Szenerie; die Narrenwelt sucht ueberall sich ein
Schildburg. Natuerlich konnte bei der roemischen Buehnenpolizei keine der
roemischen oder auch nur mit Rom verbuendeten latinischen Gemeinden dazu
genommen werden, obwohl die togatae in diese zu verlegen gestattet war. Atella
aber, das mit Capua zugleich im Jahre 543 (211) rechtlich vernichtet ward,
tatsaechlich aber als ein von roemischen Bauern bewohntes Dorf fortbestand,
eignete sich dazu in jeder Beziehung. Zur Gewissheit wird diese Vermutung durch
die Wahrnehmung, dass einzelne dieser Possen auch in anderen ueberhaupt oder
doch rechtlich nicht mehr existierenden Gemeinden des lateinisch redenden
Gebiets spielen: so des Pomponius Campani, vielleicht auch seine Adelphi und
seine Quinquatria in Capua, des Novius milites Pometinenses in Suessa Pometia,
waehrend keine bestehende Gemeinde aehnlich gemisshandelt wird. Die wirkliche
Heimat dieser Stuecke ist also Latium, ihr poetischer Schauplatz die
latinisierte Oskerlandschaft; mit der oskischen Nation haben sie nichts zu tun.
Dass ein Stueck des Naevius (+ nach 550 200) in Ermangelung eigentlicher
Schauspieler von "Atellanenspielern" aufgefuehrt ward und deshalb personata
hiess (Festus u. d. W.), beweist hiergegen in keinem Fall; die Benennung
"Atellanenspieler" wird hier proleptisch stehen, und man koennte sogar danach
vermuten, dass sie frueher "Maskenspieler" (personati) hiessen.
Ganz in gleicher Weise erklaeren sich endlich auch die "Lieder von
Fescennium", die gleichfalls zu der parodischen Poesie der Roemer gehoeren und
in der suedetruskischen Ortschaft Fescennium lokalisiert wurden, ohne darum mehr
zu der etruskischen Poesie gerechnet werden zu duerfen als die Atellanen zur
oskischen. Dass Fescennium in historischer Zeit nicht Stadt, sondern Dorf war,
laesst sich allerdings nicht unmittelbar beweisen, ist aber nach der Art, wie
die Schriftsteller des Ortes gedenken und nach dem Schweigen der Inschriften im
hoechsten Grade wahrscheinlich.
8 Die enge und urspruengliche Verbindung, in die namentlich Livius die
Atellanenposse mit der Satura und dem aus dieser sich entwickelnden Schauspiel
bringt, ist schlechterdings nicht haltbar. Zwischen dem Histrio und dem
Atellanenspieler war der Unterschied ungefaehr ebenso gross wie heutzutage
zwischen dem, der auf die Buehne und dem, der auf den Maskenball geht; auch
zwischen dem Schauspiel, das bis auf Terenz keine Masken kannte, und der
Atellane, die wesentlich auf der Charaktermaske beruhte, besteht ein
urspruenglicher, in keiner Weise auszugleichender Unterschied. Das Schauspiel
ging aus von dem Floetenstuecke, das anfangs ohne alle Rezitation bloss auf
Gesang und Tanz sich beschraenkte, sodann einen Text (satura), endlich durch
Andronicus ein der griechischen Schaubuehne entlehntes Libretto erhielt, worin
die alten Floetenlieder ungefaehr die Stelle des griechischen Chors einnahmen.
Mit der Dilettantenposse beruehrt sich dieser Entwicklungsgang in den frueheren
Stadien nirgends.
9 In der Kaiserzeit ward die Atellane durch Schauspieler von Profession
dargestellt (Friedlaender in Beckers Handbuch, Bd. 6, S. 549). Die Zeit, wo
diese anfingen, sich mit ihr zu befassen, ist nicht ueberliefert, kann aber kaum
eine andere gewesen sein als diejenige, in welcher die Atellane unter die
regelmaessigen Buehnenspiele eintrat, das heisst die vorciceronische Epoche,
(Cic. ad fam. 9, 16). Damit ist nicht im Widerspruch, dass noch zu Livius' (7,
2) Zeit die Atellanenspieler im Gegensatz der uebrigen Schauspieler ihre
Ehrenrechte behielten; denn damit, dass Schauspieler von Profession gegen
Bezahlung die Atellane mitaufzufuehren anfingen, ist noch gar nicht gesagt, dass
dieselbe nicht mehr, zum Beispiel in den Landstaedten, von unbezahlten
Dilettanten aufgefuehrt ward und das Privilegium also fortwaehrend anwendbar
blieb.
^10 Es verdient Beachtung, dass die griechische Posse nicht bloss
vorzugsweise in Unteritalien zu Hause ist, sondern auch manche ihrer Stuecke
(zum Beispiel unter denen des Sopatros 'Das Linsengericht, 'Bakchis' Freier,
'Des Mystakos Lohnlakai, 'Die Gelehrtem, 'Der Physiolog') lebhaft an die
Atellanen erinnern. Auch muss diese Possendichtung bis in die Zeit hinabgereicht
haben, wo die Griechen in und um Neapel eine Enklave in dem lateinisch redenden
Kampanien bildeten; denn einer dieser Possenschreiber, Blaesus von Capreae,
fuehrt schon einen roemischen Namen und schrieb eine Posse 'Saturnus'.
^11 Nach Eusebius bluehte Pomponius um 664 (90); Velleius nennt ihn
Zeitgenossen des Lucius Crassus (614-663 140-91) und Marcus Antonius (611-667
143-87). Die erste Ansetzung duerfte um ein Menschenalter zu spaet sein; die um
650 100 abgekommene Rechnung nach Victoriaten kommt in seinen 'Malern' noch vor,
und um das Ende dieser Periode begegnen auch schon die Mimen, welche die
Atellanen von der Buehne verdraengten.
^12 Lustig genug mochte sie auch hier sein. So hiess es in Novius'
'Phoenissen':
Auf! waffne dich! mit der Binsenkeule schlag ich dich tot!
ganz wie Menanders 'falscher Herakles' auftritt.
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Was endlich die Entwicklung des Buehnenwesens anlangt, so sind wir nicht
imstande, im einzelnen darzulegen, was im ganzen klar erhellt, dass das
allgemeine Interesse an den Buehnenspielen bestaendig im Steigen war und
dieselben immer haeufiger und immer prachtvoller wurden. Nicht bloss ward jetzt
wohl kaum ein ordentliches oder ausserordentliches Volksfest ohne Buehnenspiele
begangen, auch in den Landstaedten und Privathaeusern wurden Vorstellungen
gemieteter Schauspielertruppen gewoehnlich. Zwar entbehrte, waehrend
wahrscheinlich manche Munizipalstadt schon in dieser Zeit ein steinernes Theater
besass, die Hauptstadt eines solchen noch immer; den schon verdungenen
Theaterbau hatte der Senat im Jahre 599 (185) auf Veranlassung des Publius
Scipio Nasica wieder inhibiert. Es war das ganz im Geiste der scheinheiligen
Politik dieser Zeit, dass man aus Respekt vor den Sitten der Vaeter die Erbauung
eines stehenden Theaters verhinderte, aber nichtsdestoweniger die Theaterspiele
reissend zunehmen und Jahr aus Jahr ein ungeheure Summen verschwenden liess, um
Brettergerueste fuer dieselben aufzuschlagen und zu dekorieren. Die
Buehneneinrichtungen hoben sich zusehends. Die verbesserte Inszenierung und die
Wiedereinfuehrung der Masken um die Zeit des Terenz haengt wohl ohne Zweifel
damit zusammen, dass die Einrichtung und Instandhaltung der Buehne und des
Buehnenapparats im Jahre 580 (74) auf die Staatskasse uebernommen ward ^13.
Epochemachend in der Theatergeschichte wurden die Spiele, welche Lucius Mummius
nach der Einnahme von Korinth gab (609 145). Wahrscheinlich wurde damals zuerst
ein nach griechischer Art akustisch gebautes und mit Sitzplaetzen versehenes
Theater aufgeschlagen und ueberhaupt auf die Spiele mehr Sorgfalt verwandt ^14.
Nun ist auch von Erteilung eines Siegespreises, also von Konkurrenz mehrerer
Stuecke, von lebhafter Parteinahme des Publikums fuer und gegen die
Hauptschauspieler, von Clique und Claque mehrfach die Rede. Dekorationen und
Maschinerie wurden verbessert: kunstmaessig gemalte Kulissen und hoerbare
Theaterdonner kamen unter der Aedilitaet des Gaius Claudius Pulcher 655 (99) auf
^15, zwanzig Jahre spaeter (675 79) unter der Aedilitaet der Brueder Lucius und
Marcus Lucullus, die Verwandlung der Dekorationen durch Umdrehung der Kulissen.
Dem Ende dieser Epoche gehoert der groesste roemische Schauspieler an, der
Freigelassene Quintus Roscius (+ um 692 62 hoch bejahrt), durch mehrere
Generationen hindurch der Schmuck und Stolz der roemischen Buehne ^16, Sullas
Freund und gern gesehener Tischgenosse, auf den noch spaeter zurueckzukommen
sein wird.
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^13 Bisher hatte der Spielgeber die Buehne und den szenischen Apparat aus
der ihm ueberwiesenen Pauschsumme oder auf eigene Kosten instand setzen muessen
und wird wohl nicht oft hierauf viel Geld gewendet worden sein. Im Jahre 580
(174) aber gaben die Zensoren die Einrichtung der Buehne fuer die Spiele der
Aedilen und Praetoren besonders in Verding (Liv. 41, 27); dass der
Buehnenapparat jetzt nicht mehr bloss fuer einmal angeschafft ward, wird zu
einer merklichen Verbesserung desselben gefuehrt haben.
^14 Die Beruecksichtigung der akustischen Vorrichtungen der Griechen folgt
wohl aus Vitr. 5, 5, B. Ueber die Sitzplaetze hat F. W. Ritschl, Parerga zu
Plautus und Terentius. Leipzig 1845. Bd. 1, S. 227, XX) gesprochen; doch
duerften (nach Plaut. Capt. prol. 11) nur diejenigen, welche nicht capite censi
waren, Anspruch auf einen solchen gehabt haben. Wahrscheinlich gehen uebrigens
zunaechst auf diese epochemachenden Theaterspiele des Mummius (Tac. arm. 14, 21)
die Worte des Horaz, dass "das gefangene Griechenland den Sieger gefangen nahm".
^15 Die Kulissen des Pulcher muessen ordentlich gemalt gewesen sein, da die
Voegel versucht haben sollen, sich auf die Ziegel derselben zu setzen (Plin nat.
35, 4 23; Val. Max. 2, 4, 6). Bis dahin hatte die Donnermaschinerie darin
bestanden, dass Naegel und Steine in einem kupfernen Kessel geschuettelt wurden;
erst Pulcher stellte einen besseren Donner durch gerollte Steine her - das
nannte man seitdem "Claudischen Donner" (Festus v. Claudiana p. 57).
^16 Unter den wenigen, aus dieser Epoche erhaltenen kleineren Gedichten
findet
sich folgendes Epigramm auf diesen gefeierten Schauspieler:
Constiteram, exorientem Auroram forte salutans,
Cum subito a laeva Roscius exoritur.
Pace mihi liceat, caelestes, dicere vestra:
Mortalis visust pulchrior esse deo.
Juengsthin stand ich, die Sonne verehrend eben im Aufgehn:
Da zur Linken mir, schau! ploetzlich geht Roscius auf.
Zuernet, ihr Himmlischen, nicht, wenn was ich gedacht ich gestehe:
Schoener fuerwahr als der Gott deuchte der Sterbliche mir.
Der Verfasser dieses griechisch gehaltenen und von griechischem
Kunstenthusiasmus eingegebenen Epigramms ist kein geringerer Mann als der
Besieger der Kimbrer, Quintus Lutatius Catulus, Konsul 652 (102).
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In der rezitativen Poesie faellt vor allem die Nichtigkeit des Epos auf,
das im sechsten Jahrhundert unter der zum Lesen bestimmten Literatur entschieden
den ersten Platz eingenommen hatte, im siebenten zwar zahlreiche Vertreter fand,
aber nicht einen einzigen von auch nur voruebergehendem Erfolg. Aus der
gegenwaertigen Epoche ist kaum etwas zu nennen als eine Anzahl roher Versuche,
den Homer zu uebersetzen und einige Fortsetzungen der Ennianischen Jahrbuecher,
wie des Hostius 'Histrischer Krieg' und des Aulus Furius (um 650 100)
'Jahrbuecher (vielleicht) des Gallischen Krieges', die allem Anschein nach
unmittelbar da fortfuhren, wo Ennius in der Beschreibung des Histrischen Krieges
von 576 (178) und 577 (177) aufgehoert hatte. Auch in der didaktischen und
elegischen Poesie erscheint nirgends ein hervorragender Name. Die einzigen
Erfolge, welche die rezitative Dichtkunst dieser Epoche aufzuweisen hat,
gehoeren dem Gebiete der sogenannten Satura an, derjenigen Kunstgattung, die
gleich dem Briefe oder der Broschuere jede Form zulaesst und jeden Inhalt
aufnimmt, darum auch aller eigentlichen Gattungskriterien ermangelnd, durchaus
nach der Individualitaet eines jeden Dichters sich individualisiert und nicht
bloss auf der Grenze von Poesie und Prosa, sondern schon mehr als zur Haelfte
ausserhalb der eigentlichen Literatur steht. Die launigen poetischen Episteln,
die einer der juengeren Maenner des Scipionischen Kreises, Spurius Mummius, der
Bruder des Zerstoerers von Korinth, aus dem Lager von Korinth an seine Freunde
daheim gesandt hatte, wurden noch ein Jahrhundert spaeter gern gelesen; und es
moegen dergleichen nicht zur Veroeffentlichung bestimmte poetische Scherze aus
dem reichen geselligen und geistigen Leben der besseren Zirkel Roms damals
zahlreich hervorgegangen sein. Ihr Vertreter in der Literatur ist Gaius Lucilius
(606-651 148-103), einer angesehenen Familie der latinischen Kolonie Suessa
entsprossen und gleichfalls ein Glied des Scipionischen Kreises. Auch seine
Gedichte sind gleichsam offene Briefe an das Publikum, ihr Inhalt, wie ein
geistreicher Nachfahre anmutig sagt, das ganze Leben des gebildeten
unabhaengigen Mannes, der den Vorgaengen auf der politischen Schaubuehne vom
Parkett und gelegentlich von den Kulissen aus zusieht, der mit den Besten seiner
Zeit verkehrt als mit seinesgleichen, der Literatur und Wissenschaft mit Anteil
und Einsicht verfolgt, ohne doch selbst fuer einen Dichter oder Gelehrten gelten
zu wollen, und der endlich fuer alles, was im Guten und Boesen ihm begegnet,
fuer politische Erfahrungen und Erwartungen, fuer Sprachbemerkungen und
Kunsturteile, fuer eigene Erlebnisse, Besuche, Diners, Reisen wie fuer
vernommene Anekdoten sein Taschenbuch zum Vertrauten nimmt. Kaustisch,
kaprizioes, durchaus individuell hat die Lucilische Poesie doch eine scharf
ausgepraegte oppositionelle und insofern auch lehrhafte Tendenz, literarisch
sowohl wie moralisch und politisch; auch in ihr ist etwas von der Auflehnung der
Landschaft gegen die Hauptstadt, herrscht das Selbstgefuehl des rein redenden
und ehrenhaft lebenden Suessaners im Gegensatz gegen das grosse Babel der
Sprachmengerei und Sittenverderbnis. Die Richtung des Scipionischen Kreises auf
literarische, namentlich sprachliche Korrektheit findet kritisch ihren
vollendetsten und geistreichsten Vertreter in Lucilius. Er widmete gleich sein
erstes Buch dem Begruender der roemischen Philologie, Lucius Stilo, und
bezeichnete als das Publikum, fuer das er schrieb, nicht die gebildeten Kreise
reiner und mustergueltiger Rede, sondern die Tarentiner, die Brettier, die
Siculer, das heisst die Halbgriechen Italiens, deren Lateinisch allerdings eines
Korrektivs wohl beduerfen mochte. Ganze Buecher seiner Gedichte beschaeftigen
sich mit der Feststellung der lateinischen Orthographie und Prosodie, mit der
Bekaempfung praenestinischer, sabinischer, etruskischer Provinzialismen, mit der
Ausmerzung gangbarer Soloezismen, woneben der Dichter aber keineswegs vergisst,
den geistlos schematischen Isokrateischen Wort- und Phrasenpurismus zu
verhoehnen ^17 und selbst dem Freunde Scipio die exklusive Feinheit seiner Rede
in recht ernsthaften Scherzen vorzuruecken ^18. Aber weit ernstlicher noch als
das reine einfache Latein predigt der Dichter reine Sitte im Privat- und im
oeffentlichen Leben. Seine Stellung beguenstigte ihn hierbei in eigener Art.
Obwohl durch Herkunft, Vermoegen und Bildung den vornehmen Roemern seiner Zeit
gleichstehend und Besitzer eines ansehnlichen Hauses in der Hauptstadt, war er
doch nicht roemischer Buerger, sondern latinischer; selbst sein Verhaeltnis zu
Scipio, unter dem er in seiner ersten Jugend den Numantinischen Krieg mitgemacht
hatte und in dessen Hause er haeufig verkehrte, mag damit zusammenhaengen, dass
Scipio in vielfachen Beziehungen zu den Latinern stand und in den politischen
Fehden der Zeit ihr Patron war. Die oeffentliche Laufbahn war ihm hierdurch
verschlossen und die Spekulantenkarriere verschmaehte er - er mochte nicht, wie
er einmal sagt, "aufhoeren, Lucilius zu sein, um asiatischer Steuerpaechter zu
werden". So stand er in der schwuelen Zeit der Gracchischen Reformen und des
sich vorbereitenden Bundesgenossenkrieges, verkehrend in den Palaesten und
Villen der roemischen Grossen und doch nicht gerade ihr Klient, zugleich mitten
in den Wogen des politischen Koterien- und Parteikampfes und doch nicht
unmittelbar an jenem und diesem beteiligt; aehnlich wie Beranger, an den gar
vieles in Lucilius' politischer und poetischer Stellung erinnert. Von diesem
Standpunkt aus sprach er mit unverwuestlichem gesunden Menschenverstand, mit
unversiegbarer guter Laune und ewig sprudelndem Witz hinein in das oeffentliche
Leben.
Jetzt aber am Fest- und Werkeltag
Den ganzen lieben langen Tag
Auf dem Markte von frueh bis Spat
Draengen die Buerger und die sich vom Rat
Und weichen und wanken nicht von der Statt.
Ein Handwerk einzig und allein
Betreiben alle insgemein,
Den andern zu prellen mit Verstand,
Im Luegen zu haben die Vorderhand
Und zu werden im Schmeicheln und Heucheln gewandt.
All' untereinandern belauern sie sich,
Als laege jeder mit jedem im Krieg ^19.
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^17 Quam lepide lexeis, compostae ut tesserulae omnes
Arte pavimento atque emblemate vermiculato!
Ei, die niedliche Phrasenfabrik!
Gefuegt so zierlich Stueck fuer Stueck,
Wie die Stifte im bunten Mosaik.
^18 Der Dichter raet ihm:
Quo facetior videare et scire plus quam ceteri,
Dass du gebildeter als die andern heissest und ein feinerer Mann,
- nicht pertaesum, sondern pertisum zu sagen.
^19 Nunc vero a mane ad noctem, festo atque profesto
Toto itidem pariterque die populusque patresque
Iactare endo foro se omnes, decedere nusquam.
Uni se atque eidem studio omnes dedere et arti:
Verba dare ut acute possint, pugnare dolose,
Blanditia certare, bonun simulare virum se,
Insidias facere ut si hostes sint omnibus omnes.
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Die Erlaeuterungen zu diesem unerschoepflichen Text griffen schonungslos,
ohne die Freunde, ja ohne den Dichter selbst zu vergessen, die Uebelstaende der
Zeit an, das Koteriewesen, den endlosen spanischen Kriegsdienst und was dessen
mehr war; gleich die Eroeffnung seiner Satiren war eine grosse Debatte des
olympischen Goettersenats ueber die Frage, ob Rom es noch ferner verdiene, des
Schutzes der Himmlischen sich zu erfreuen. Koerperschaften, Staende, Individuen
wurden ueberall einzeln mit Namen genannt; die der roemischen Buehne
verschlossene Poesie der politischen Polemik ist das rechte Element und der
Lebenshauch der Lucilischen Gedichte, die mit einer selbst in den auf uns
gekommenen Truemmern noch entzueckenden Macht des schlagendsten und
bilderreichsten Witzes "gleichwie mit gezogenem Schwerte" auf den Feind
eindringen und ihn zermalmen. Hier, in dem sittlichen Uebergewicht und dem
stolzen Freiheitsgefuehl des Dichters von Suessa, liegt der Grund, weshalb der
feine Venusianer, der in der alexandrinischen Zeit der roemischen Poesie die
Lucilische Satire wiederaufnahm, trotz aller Ueberlegenheit im Formgeschick mit
richtiger Bescheidenheit dem aelteren Poeten weicht als "seinem Besseren". Die
Sprache ist die des griechisch und lateinisch durchgebildeten Mannes, der
durchaus sich gehen laesst; ein Poet wie Lucilius, der angeblich vor Tisch
zweihundert und nach Tisch wieder zweihundert Hexameter machte, ist viel zu
eilig, um knapp zu sein; unnuetzige Weitlaeufigkeit, schluderige Wiederholung
derselben Wendung, arge Nachlaessigkeiten begegnen. haeufig; das erste Wort,
lateinisch oder griechisch, ist immer das beste. Aehnlich sind die Masse,
namentlich der sehr vorherrschende Hexameter behandelt; wenn man die Worte
umstellt, sagt sein geistreicher Nachahmer, so wuerde kein Mensch merken, dass
er etwas anderes vor sich habe als einfache Prosa; der Wirkung nach lassen sie
sich nur mit unseren Knuettelversen vergleichen 20. Die Terenzischen und die
Lucilischen Gedichte stehen auf demselben Bildungsniveau und verhalten sich wie
die sorgsam gepflegte und gefeilte literarische Arbeit zu dem mit fliegender
Feder geschriebenen Brief. Aber die unvergleichlich hoehere geistige Begabung
und freiere Lebensanschauung, die der Ritter von Suessa vor dem afrikanischen
Sklaven voraus hatte, machten seinen Erfolg ebenso rasch und glaenzend, wie der
des Terenz muehsam und zweifelhaft gewesen war; Lucilius war sofort der Liebling
der Nation und auch er konnte wie Beranger von seinen Gedichten sagen, "dass sie
allein unter allen vom Volke gelesen wuerden". Die ungemeine Popularitaet der
Lucilischen Gedichte ist auch geschichtlich ein bemerkenswertes Ereignis; man
sieht daraus, dass die Literatur schon eine Macht war, und ohne Zweifel wuerden
wir die Spuren derselben, wenn eine eingehende Geschichte dieser Zeit sich
erhalten haette, darin mehrfach antreffen. Die Folgezeit hat das Urteil der
Zeitgenossen nur bestaetigt; die antialexandrinisch gesinnten roemischen
Kunstrichter sprachen dem Lucilius den ersten Rang unter allen lateinischen
Dichtern zu. Soweit die Satire ueberhaupt als eigene Kunstform angesehen werden
kann, hat Lucilius sie erschaffen und in ihr die einzige Kunstgattung, welche
den Roemern eigentuemlich und von ihnen auf die Nachwelt vererbt worden ist.
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20 Folgendes laengere Bruchstueck ist charakteristisch fuer die
stilistische und metrische Behandlung, deren Lotterigkeit sich in deutschen
Hexametern unmoeglich wiedergeben laesst:
Virtus, Albine, est pretium persolvere verum
Queis in versamur, queis vivimu' rebu potesse;
Virtus est homini scire id quod quaeque habeat res;
Virtus scire homini rectum, utile quid sit, honestum,
Quae bona, guae mala item, quid inutile, turpe, inhonestum;
Virtus quaerendae rei finem scire modumque;
Virtus divitiis pretium persolvere posse;
Virtus id dare quod re ipsa debetur honori,
Hostem esse atque inimicum hominum morumque malorum.
Contra defensorem hominum morumque bonorum,
Hos magni facere, his bene velle, his vivere amicum;
Commoda praeterea patriae sibi prima putare,
Deinde parentum, tertia iam postremaque nostra.
Tugend ist zahlen den rechten Preis
Zu koennen nach ihrer Art und Weis
Fuer jede Sach' in unserm Kreis;
Tugend, zu wissen, was jedes Ding
Mit sich fuer den Menschen bring';
Tugend, zu wissen, was nuetzlich und recht,
Was gut und uebel, unnuetz und schlecht;
Tugend, wenn man dem Erwerb und Fleiss
Zu setzen die rechte Grenze weiss
Und dem Reichtum den rechten Preis;
Tugend, dem Rang zu geben sein Recht,
Feind zu sein Menschen und Sitten schlecht,
Freund Menschen und Sitten gut und recht;
Vor solchen zu hegen Achtung und Scheu,
Zu ihnen zu halten in Lieb' und Treu;
Immer zu sehen am ersten Teil
Auf des Vaterlandes Heil,
Sodann auf das, was den Eltern frommt,
Und drittens der eigene Vorteil kommt.
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Von der an den Alexandrinismus anknuepfenden Poesie ist in Rom in dieser
Epoche noch nichts zu nennen als kleinere, nach alexandrinischen Epigrammen
uebersetzte oder ihnen nachgebildete Gedichte, welche nicht ihrer selbst wegen,
aber wohl als der erste Vorbote der juengeren Literaturepoche Roms Erwaehnung
verdienen. Abgesehen von einigen wenig bekannten und auch der Zeit nach nicht
mit Sicherheit zu bestimmenden Dichtern gehoeren hierher Quintus Catulus (Konsul
622 102) und Lucius Manlius, ein angesehener Senator, der im Jahre 657 (97)
schrieb. Der letztere scheint manche der bei den Griechen landlaeufigen
geographischen Maerchen, zum Beispiel die delische Latonasage, die Fabeln von
der Europa und von dem Wundervogel Phoenix zuerst bei den Roemern in Umlauf
gebracht zu haben; wie es denn auch ihm vorbehalten war, auf seinen Reisen in
Dodona jenen merkwuerdigen Dreifuss zu entdecken und abzuschreiben, worauf das
den Pelasgern vor ihrer Wanderung in das Land der Sikeler und Aboriginer
erteilte Orakel zu lesen war - ein Fund, den die roemischen Geschichtsbuecher
nicht versaeumten, andaechtig zu registrieren.
Die Geschichtschreibung dieser Epoche ist vor allen Dingen bezeichnet durch
einen Schriftsteller, der zwar weder durch Geburt noch nach seinem geistigen und
literarischen Standpunkt der italischen Entwicklung angehoert, der aber zuerst
oder vielmehr allein die Weltstellung Roms zur schriftstellerischen Geltung und
Darstellung gebracht hat und dem alle spaeteren Geschlechter und auch wir das
Beste verdanken, was wir von der roemischen Entwicklung wissen. Polybios (ca.
546 - ca. 627 208-127) von Megalopolis im Peloponnes, des achaeischen
Staatsmannes Lykortas Sohn, machte, wie es scheint, schon 565 (189) den Zug der
Roemer gegen die kleinasiatischen Kelten mit und ward spaeter, vielfach
namentlich waehrend des Dritten Makedonischen Krieges, von seinen Landsleuten in
militaerischen und diplomatischen Geschaeften verwendet. Nach der durch diesen
Krieg in Hellas herbeigefuehrten Krise wurde er mit den anderen achaeischen
Geiseln nach Italien abgefuehrt, wo er siebzehn Jahre (587-604 167-150) in der
Konfinierung lebte und durch die Soehne des Paullus in die vornehmen
hauptstaedtischen Kreise eingefuehrt ward. Die Ruecksendung der achaeischen
Geiseln fuehrte ihn in die Heimat zurueck, wo er fortan den stehenden Vermittler
zwischen seiner Eidgenossenschaft und den Roemern machte. Bei der Zerstoerung
von Karthago und von Korinth (608 146) war er gegenwaertig. Er schien vom
Schicksal gleichsam dazu erzogen, Roms geschichtliche Stellung deutlicher zu
erfassen, als die damaligen Roemer selbst es vermochten. Auf dem Platze, wo er
stand, ein griechischer Staatsmann und ein roemischer Gefangener, seiner
hellenischen Bildung wegen geschaetzt und gelegentlich beneidet von Scipio
Aemilianus und ueberhaupt den ersten Maennern Roms, sah er die Stroeme, die so
lange getrennt geflossen waren, zusammenrinnen in dasselbe Bett und die
Geschichte der Mittelmeerstaaten zusammengehen in die Hegemonie der roemischen
Macht und der griechischen Bildung. So ward Polybios der erste namhafte Hellene,
der mit ernster Ueberzeugung auf die Weltanschauung des Scipionischen Kreises
einging und die Ueberlegenheit des Hellenismus auf dem geistigen, des Roemertums
auf dem politischen Gebiet als Tatsachen anerkannte, ueber die die Geschichte in
letzter Instanz gesprochen hatte und denen man beiderseits sich zu unterwerfen
berechtigt und verpflichtet war. In diesem Sinne handelte er als praktischer
Staatsmann und schrieb er seine Geschichte. Mochte er in der Jugend dem
ehrenwerten, aber unhaltbaren achaeischen Lokalpatriotismus gehuldigt haben, so
vertrat er in seinen spaeteren Jahren, in deutlicher Einsicht der
unvermeidlichen Notwendigkeit, in seiner Gemeinde die Politik des engsten
Anschlusses an Rom. Es war das eine hoechst verstaendige und ohne Zweifel
wohlgemeinte, aber nichts weniger als hochherzige und stolze Politik. Auch von
der Eitelkeit und Kleinlichkeit des derzeitigen hellenischen Staatsmannstums hat
Polybios nicht vermocht, sich persoenlich voellig frei zu machen. Kaum aus der
Konfinierung entlassen, stellte er an den Senat den Antrag, dass er den
Entlassenen, jedem in seiner Heimat, den ehemaligen Rang noch foermlich
verbriefen moege, worauf Cato treffend bemerkte, ihm komme das vor, als wenn
Odysseus noch einmal in die Hoehle des Polyphemos zurueckkehre, um sich von dem
Riesen Hut und Guertel auszubitten. Sein Verhaeltnis zu den roemischen Grossen
hat er oft zum Besten seiner Landsleute benutzt, aber die Art, wie er der hohen
Protektion sich unterwirft und sich beruehmt, naehert sich doch einigermassen
dem Oberkammerdienertum. Durchaus denselben Geist, den seine praktische, atmet
auch seine literarische Taetigkeit. Es war die Aufgabe seines Lebens, die
Geschichte der Einigung der Mittelmeerstaaten unter der Hegemonie Roms zu
schreiben. Vom ersten Punischen Krieg bis zur Zerstoerung von Karthago und
Korinth fasst sein Werk die Schicksale der saemtlichen Kulturstaaten, das heisst
Griechenlands, Makedoniens, Kleinasiens, Syriens, Aegyptens, Karthagos und
Italiens zusammen und stellt deren Eintreten in die roemische Schutzherrschaft
im ursaechlichen Zusammenhang dar; insofern bezeichnet er es als sein Ziel, die
Zweck- und Vernunftmaessigkeit der roemischen Hegemonie zu erweisen. In der
Anlage wie in der Ausfuehrung steht diese Geschichtschreibung in scharfem und
bewusstem Gegensatz gegen die gleichzeitige roemische wie gegen die
gleichzeitige griechische Historiographie. In Rom stand man noch vollstaendig
auf dem Chronikenstandpunkt; hier gab es wohl einen bedeutungsvollen
geschichtlichen Stoff, aber die sogenannte Geschichtschreibung beschraenkte sich
- mit Ausnahme der sehr achtbaren, aber rein individuellen und doch auch nicht
ueber die Anfaenge der Forschung wie der Darstellung hinausgelangten Schriften
Catos - teils auf Ammenmaerchen, teils auf Notizenbuendel. Die Griechen hatten
eine Geschichtsforschung und eine Geschichtschreibung allerdings gehabt; aber
der zerfahrenen Diadochenzeit waren die Begriffe von Nation und Staat so
vollstaendig abhanden gekommen, dass es keinem der zahllosen Historiker gelang,
der Spur der grossen attischen Meister im Geiste und in der Wahrheit zu folgen
und den weltgeschichtlichen Stoff der Zeitgeschichte weltgeschichtlich zu
behandeln. Ihre Geschichtschreibung war entweder rein aeusserliche Aufzeichnung,
oder es durchdrang sie der Phrasen- und Luegenkram der attischen Rhetorik, und
nur zu oft die Feilheit und die Gemeinheit, die Speichelleckerei und die
Erbitterung der Zeit. Bei den Roemern wie bei den Griechen gab es nichts als
Stadt- oder Stammgeschichten. Zuerst Polybios, ein Peloponnesier, wie man mit
Recht erinnert hat, und geistig den Attikern wenigstens ebensofern stehend wie
den Roemern, ueberschritt diese kuemmerlichen Schranken, behandelte den
roemischen Stoff mit hellenisch gereifter Kritik und gab zwar nicht eine
universale, aber doch eine von den Lokalstaaten losgeloeste und den im Werden
begriffenen roemisch-griechischen Staat erfassende Geschichte. Vielleicht
niemals hat ein Geschichtschreiber so vollstaendig wie Polybios alle Vorzuege
eines Quellenschriftstellers in sich vereinigt. Der Umfang seiner Aufgabe ist
ihm vollkommen deutlich und jeden Augenblick gegenwaertig; und durchaus haftet
der Blick auf dem wirklich geschichtlichen Hergang. Die Sage, die Anekdote, die
Masse der wertlosen Chroniknotizen wird beiseite geworfen; die Schilderung der
Laender und Voelker, die Darstellung der staatlichen und merkantilen
Verhaeltnisse, all die so unendlich wichtigen Tatsachen, die dem Annalisten
entschluepfen, weil sie sich nicht auf ein bestimmtes Jahr aufnageln lassen,
werden eingesetzt in ihr lange verkuemmertes Recht. In der Herbeischaffung des
historischen Materials zeigt Polybios eine Umsicht und Ausdauer, wie sie im
Altertum vielleicht nicht wiedererscheinen; er benutzt die Urkunden,
beruecksichtigt umfassend die Literatur der verschiedenen Nationen, macht von
seiner guenstigen Stellung zum Einziehen der Nachrichten von Mithandelnden und
Augenzeugen den ausgedehntesten Gebrauch, bereist endlich planmaessig das ganze
Gebiet der Mittelmeerstaaten und einen Teil der Kueste des Atlantischen Ozeans
21. Die Wahrhaftigkeit ist ihm Natur; in allen grossen Dingen hat er kein
Interesse fuer diesen oder gegen jenen Staat, fuer diesen oder gegen jenen Mann,
sondern einzig und allein fuer den wesentlichen Zusammenhang der Ereignisse, den
im richtigen Verhaeltnis der Ursachen und Wirkungen darzulegen ihm nicht bloss
die erste, sondern die einzige Aufgabe des Geschichtschreibers scheint. Die
Erzaehlung endlich ist musterhaft vollstaendig, einfach und klar. Aber alle
diese ungemeinen Vorzuege machen noch keineswegs einen Geschichtschreiber ersten
Ranges. Polybios fasst seine literarische Aufgabe, wie er seine praktische
fasste, mit grossartigem Verstand, aber auch nur mit dem Verstande. Die
Geschichte, der Kampf der Notwendigkeit und der Freiheit, ist ein sittliches
Problem; Polybios behandelt sie, als waere sie ein mechanisches. Nur das Ganze
gilt fuer ihn, in der Natur wie im Staat; das besondere Ereignis, der
individuelle Mensch, wie wunderbar sie auch erscheinen moegen, sind doch
eigentlich nichts als einzelne Momente, geringe Raeder in dem hoechst
kuenstlichen Mechanismus, den man den Staat nennt. Insofern war Polybios
allerdings wie kein anderer geschaffen zur Darstellung der Geschichte des
roemischen Volkes, welches in der Tat das einzige Problem geloest hat, sich zu
beispielloser innerer und aeusserer Groesse zu erheben ohne auch nur einen im
hoechsten Sinne genialen Staatsmann, und das auf seinen einfachen Grundlagen mit
wunderbarer fast mathematischer Folgerichtigkeit sich entwickelt. Aber das
Moment der sittlichen Freiheit waltet in jeder Volksgeschichte und wurde auch in
der roemischen von Polybios nicht ungestraft verkannt. Polybios' Behandlung
aller Fragen, in denen Recht, Ehre, Religion zur Sprache kommen, ist nicht bloss
platt, sondern auch gruendlich falsch. Dasselbe gilt ueberall, wo eine
genetische Konstruktion erfordert wird; die rein mechanischen
Erklaerungsversuche, die Polybios an deren Stelle setzt, sind mitunter geradezu
zum Verzweifeln, wie es denn kaum eine toerichtere politische Spekulation gibt,
als die vortreffliche Verfassung Roms aus einer verstaendigen Mischung
monarchischer, aristokratischer und demokratischer Elemente her- und aus der
Vortrefflichkeit der Verfassung die Erfolge Roms abzuleiten. Die Auffassung der
Verhaeltnisse ist ueberall bis zum Erschrecken nuechtern und phantasielos, die
geringschaetzige und superkluge Art, die religioesen Dinge zu behandeln,
geradezu widerwaertig. Die Darstellung, in bewusster Opposition gegen die
uebliche, kuenstlerisch stilisierte griechische Historiographie gehalten, ist
wohl richtig und deutlich, aber duenn und matt, oefter als billig in polemische
Exkurse oder in memoirenhafte, nicht selten recht selbstgefaellige Schilderung
der eigenen Erlebnisse sich verlaufend. Ein oppositioneller Zug geht durch die
ganze Arbeit; der Verfasser bestimmte seine Schrift zunaechst fuer die Roemer
und fand doch auch hier nur einen sehr kleinen Kreis, der ihn verstand; er
fuehlte es, dass er den Roemern ein Fremder, seinen Landsleuten ein Abtruenniger
blieb und dass er mit seiner grossartigen Auffassung der Verhaeltnisse mehr der
Zukunft als der Gegenwart angehoerte. Darum blieb er nicht frei von einer
gewissen Verstimmtheit und persoenlichen Bitterkeit, die in seiner Polemik gegen
die fluechtigen oder gar feilen griechischen und die unkritischen roemischen
Historiker oefters zaenkisch und kleinlich auftritt und aus dem
Geschichtschreiber- in den Rezensententon faellt. Polybios ist kein
liebenswuerdiger Schriftsteller; aber wie die Wahrheit und Wahrhaftigkeit mehr
ist als alle Zier und Zierlichkeit, so ist vielleicht kein Schriftsteller des
Altertums zu nennen, dem wir so viele ernstliche Belehrung verdanken wie ihm.
Seine Buecher sind wie die Sonne auf diesem Gebiet; wo sie anfangen, da heben
sich die Nebelschleier, die noch die Samnitischen und den Pyrrhischen Krieg
bedecken, und wo sie endigen, beginnt eine neue, womoeglich noch laestigere
Daemmerung.
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21 Dergleichen gelehrte Reisen waren uebrigens bei den Griechen dieser Zeit
nichts Seltenes. So fragt bei Plautus (Men. 248 vgl. 235) jemand, der das ganze
Mittellaendische Meer durchschifft hat:
Warum geh' ich nicht
nach Hause, da ich doch keine Geschichte schreiben will?
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In einem seltsamen Gegensatz zu dieser grossartigen Auffassung und
Behandlung der roemischen Geschichte durch einen Auslaender steht die
gleichzeitige einheimische Geschichtsliteratur. Im Anfang dieser Periode
begegnen noch einige griechisch geschriebene Chroniken, wie die schon erwaehnte
des Aulus Postumius (Konsul 603 151), voll uebler Pragmatik, und die des Gaius
Acilius (schloss in hohem Alter um 612 142); doch gewann unter dem Einfluss
teils des catonischen Patriotismus, teils der feineren Bildung des Scipionischen
Kreises die lateinische Sprache auf diesem Gebiet so entschieden die Vorhand,
dass nicht bloss unter den juengeren Geschichtswerken kaum ein oder das andere
griechisch geschriebene vorkommt 22, sondern auch die aelteren griechischen
Chroniken ins Lateinische uebersetzt und wahrscheinlich vorwiegend in diesen
Uebersetzungen gelesen wurden. Leider ist nur an den lateinisch geschriebenen
Chroniken dieser Epoche ausser dem Gebrauch der Muttersprache kaum weiter etwas
zu loben. Sie waren zahlreich und ausfuehrlich genug - genannt werden zum
Beispiel die des Lucius Cassius Hemina (um 608 146), des Lucius Calpurnius Piso
(Konsul 621 188), des Gaius Sempronius Tuditanus (Konsul 625 129), des Gaius
Fannius (Konsul 632 122). Dazu kommt die Redaktion der offiziellen Stadtchronik
in achtzig Buechern, welche Publius Mucius Scaevola (Konsul 621 133), ein auch
als Jurist angesehener Mann, als Oberpontifex veranstaltete und veroeffentlichte
und damit dem Stadtbuch insofern seinen Abschluss gab, als die
Pontifikalaufzeichnungen seitdem, wenn nicht gerade aufhoerten, doch wenigstens
bei der steigenden Betriebsamkeit der Privatchronisten nicht weiter literarisch
in Betracht kamen. Alle diese Jahrbuecher, mochten sie nun als Privat- oder als
offizielle Werke sich ankuendigen, waren wesentlich gleichartige
Zusammenarbeitungen des vorhandenen geschichtlichen und quasigeschichtlichen
Materials; und der Quellen- wie der formelle Wert sank ohne Zweifel in demselben
Masse, wie ihre Ausfuehrlichkeit stieg. Allerdings gibt es in der Chronik
nirgends Wahrheit ohne Dichtung, und es waere sehr toericht, mit Naevius und
Pictor zu rechten, dass sie es nicht anders gemacht als Hekataeos und Saxo
Grammaticus; aber die spaeteren Versuche, aus solchen Nebelwolken Haeuser zu
bauen, stellen auch die gepruefteste Geduld auf eine harte Probe. Keine Luecke
der Ueberlieferung klafft so tief, dass diese glatte und platte Luege sie nicht
mit spielender Leichtigkeit ueberkleisterte. Ohne Anstoss werden die
Sonnenfinsternisse, Zensuszahlen, Geschlechtsregister, Triumphe vom laufenden
Jahre bis auf Anno eins rueckwaerts gefuehrt; es steht geschrieben zu lesen, in
welchem Jahr, Monat und Tag Koenig Romulus gen Himmel gefahren ist und wie
Koenig Servius Tullius zuerst am 25. November 183 (571) und wieder am 25. Mai
187 (567) ueber die Etrusker triumphiert hat. Damit steht es denn im besten
Einklang, dass man in den roemischen Docks den Glaeubigen das Fahrzeug wies, auf
welchem Aeneas von Ilion nach Latium gefahren war, ja sogar ebendieselbe Sau,
welche Aeneas als Wegweiser gedient hatte, wohl eingepoekelt im roemischen
Vestatempel konservierte. Mit dem Luegemut eines Dichters verbinden diese
vornehmen Chronikschreiber die langweiligste Kanzlistengenauigkeit und behandeln
durchaus ihren grossen Stoff mit derjenigen Plattheit, die aus dem Austreiben
zugleich aller poetischen und aller historischen Elemente notwendig resultiert.
Wenn wir zum Beispiel bei Piso lesen, dass Romulus sich gehuetet habe, dann zu
pokulieren, wenn er den andern Tag eine Sitzung gehabt; dass die Tarpeia die
Burg den Sabinern aus Vaterlandsliebe verraten habe, um die Feinde ihrer Schilde
zu berauben: so kann das Urteil verstaendiger Zeitgenossen ueber diese ganze
Schreiberei nicht befremden, "dass das nicht heisse Geschichte schreiben,
sondern den Kindern Geschichten erzaehlen". Weit vorzueglicher waren einzelne
Werke ueber die Geschichte der juengsten Vergangenheit und der Gegenwart,
namentlich die Geschichte des Hannibalischen Krieges von Lucius Coelius
Antipater (um 633 121) und des wenig juengeren Publius Sempronius Asellio
Geschichte seiner Zeit. Hier fand sich wenigstens schaetzbares Material und
ernster Wahrheitssinn, bei Antipater auch eine lebendige, wenngleich stark
manierierte Darstellung; doch reichte, nach allen Zeugnissen und Bruchstuecken
zu schliessen, keines dieser Buecher weder in markiger Form noch in
Originalitaet an die "Ursprungsgeschichten" Catos, der leider auf dem
historischen Gebiet so wenig wie auf dem politischen Schule gemacht hat. Stark
vertreten sind auch, wenigsten der Masse nach, die untergeordneten, mehr
individuellen und ephemeren Gattungen der historischen Literatur, die Memorien,
die Briefe, die Reden. Schon zeichneten die ersten Staatsmaenner Roms selbst
ihre Erlebnisse auf: so Marcus Scaurus (Konsul 639 115), Publius Rufus (Konsul
649 105), Quintus Catulus (Konsul 652 102), selbst der Regent Sulla; doch
scheint keine dieser Produktionen anders als durch ihren stofflichen Gehalt fuer
die Literatur von Bedeutung gewesen zu sein. Die Briefsammlung der Cornelia, der
Mutter der Gracchen, ist bemerkenswert teils durch die musterhaft reine Sprache
und den hohen Sinn der Schreiberin, teils als die erste in Rom publizierte
Korrespondenz und zugleich die erste literarische Produktion einer roemischen
Frau. Die Redeschriftstellerei bewahrte in dieser Periode den von Cato ihr
aufgedrueckten Stempel; Advokatenplaedoyers wurden noch nicht als literarische
Produktion angesehen, und was von Reden veroeffentlicht ward, waren politische
Pamphlete. Waehrend der revolutionaeren Bewegung nahm diese Broschuerenliteratur
an Umfang und Bedeutung zu, und unter der Masse ephemerer Produkte fanden sich
auch einzelne, die, wie Demosthenes' Philippiken und Couriers fliegende
Blaetter, durch die bedeutende Stellung ihrer Verfasser und durch ihr eigenes
Schwergewicht einen bleibenden Platz in der Literatur sich erwarben. So die
Staatsreden des Gaius Laelius und des Scipio Aemilianus, Musterstuecke des
trefflichsten Latein wie des edelsten Vaterlandsgefuehls; so die sprudelnden
Reden des Gaius Titius, von deren drastischen Lokal- und Zeitbildern - die
Schilderung des senatorischen Geschworenen ward frueher mitgeteilt - das
nationale Lustspiel manches entlehnt hat; so vor allem die zahlreichen Reden des
Gaius Gracchus, deren flammende Worte den leidenschaftlichen Ernst, die baldige
Haltung und das tragische Verhaengnis dieser hohen Natur im treuen Spiegelbild
bewahrten.
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22 Die einzige wirkliche Ausnahme, soweit wir wissen, ist die griechische
Geschichte des Gnaeus Aufidius, der in Ciceros (Tusc. 5, 38, 112) Knabenzeit,
also um 660 (90) bluehte. Die griechischen Memoiren des Publius Rutilius Rufus
(Konsul 649 105) sind kaum als Ausnahme anzusehen, da ihr Verfasser sie im Exil
zu Smyrna schrieb.
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In der wissenschaftlichen Literatur begegnet in der juristischen
Gutachtensammlung des Marcus Brutus, die um das Jahr 600 (150) veroeffentlicht
ward, ein bemerkenswerter Versuch, die bei den Griechen uebliche dialogische
Behandlung fachwissenschaftlicher Stoffe nach Rom zu verpflanzen und durch eine
nach Personen, Zeit und Ort bestimmte Szenerie des Gespraechs der Abhandlung
eine kuenstlerische, halb dramatische Form zu geben. Indes die spaeteren
Gelehrten, schon der Philolog Stilo und der Jurist Scaevola, liessen sowohl in
den allgemeinen Bildungs- wie in den spezielleren Fachwissenschaften diese mehr
poetische als praktische Methode fallen. Der steigende Wert der Wissenschaft als
solcher und das in Rom ueberwiegende stoffliche Interesse an derselben spiegelt
sich deutlich in diesem raschen Abwerfen der Fessel kuenstlerischer Form. Im
einzelnen ist von den allgemein humanen Wissenschaften, der Grammatik oder
vielmehr der Philologie, der Rhetorik und der Philosophie, insofern schon
gesprochen worden, als dieselben jetzt wesentliche Bestandteile der
gewoehnlichen roemischen Bildung wurden und dadurch jetzt zuerst von den
eigentlichen Fachwissenschaften anfingen sich abzusondern. Auf dem literarischen
Gebiet blueht die lateinische Philologie froehlich auf, im engen Anschluss an
die laengst sicher gegruendete philologische Behandlung der griechischen
Literatur. Es ward bereits erwaehnt, dass um den Anfang dieses Jahrhunderts auch
die lateinischen Epiker ihre Diaskeuasten und Textrevisoren fanden; ebenso ward
hervorgehoben, dass nicht bloss der Scipionische Kreis ueberhaupt vor allem
andern auf Korrektheit drang, sondern auch einzelne der namhaftesten Poeten, zum
Beispiel Accius und Lucilius, sich mit Regulierung der Orthographie und der
Grammatik beschaeftigten. Gleichzeitig begegnen einzelne Versuche, von der
historischen Seite her die Realphilologie zu entwickeln; freilich werden die
Abhandlungen der unbeholfenen Annalisten dieser Zeit, wie die des Hemina 'ueber
die Zensoren', des Tuditanus 'ueber die Beamten' schwerlich besser geraten sein
als ihre Chroniken. Interessanter sind die Buecher ueber die Aemter von dem
Freunde des Gaius Gracchus, Marcus Iunius, als der erste Versuch, die
Altertumsforschung fuer politische Zwecke nutzbar zu machen 23, und die metrisch
abgefassten Didaskalien des Tragikers Accius, ein Anlauf zu einer
Literargeschichte des lateinischen Dramas. Indes jene Anfaenge einer
wissenschaftlichen Behandlung der Muttersprache tragen noch ein sehr
dilettantisches Gepraege und erinnern lebhaft an unsere Orthographieliteratur
der Bodmer-Klopstockischen Zeit; auch die antiquarischen Untersuchungen dieser
Epoche wird man ohne Unbilligkeit auf einen bescheidenen Platz verweisen
duerfen. Derjenige Roemer, der die lateinische Sprach- und Altertumsforschung im
Sinne der alexandrinischen Meister wissenschaftlich begruendete, war Lucius
Aelius Stilo um 650 (100). Er zuerst ging zurueck auf die aeltesten
Sprachdenkmaeler und kommentierte die Saliarischen Litaneien und das roemische
Stadtrecht. Er wandte der Komoedie des sechsten Jahrhunderts seine besondere
Aufmerksamkeit zu und stellte zuerst ein Verzeichnis der nach seiner Ansicht
echten Plautinischen Stuecke auf. Er suchte nach griechischer Art die Anfaenge
einer jeden einzelnen Erscheinung des roemischen Lebens und Verkehrs
geschichtlich zu bestimmen und fuer jede den "Erfinder" zu ermitteln, und zog
zugleich die gesamte annalistische Ueberlieferung in den Kreis seiner Forschung.
Von dem Erfolg, der ihm bei seinen Zeitgenossen ward, zeugen die Widmungen des
bedeutendsten dichterischen und des bedeutendsten Geschichtswerkes seiner Zeit,
der Satiren des Lucilius und der Geschichtsbuecher des Antipater; und auch fuer
die Zukunft hat dieser erste roemische Philolog die Studien seiner Nation
bestimmt, indem er seine zugleich sprachliche und sachliche Forschung auf seinen
Schueler Varro vererbte.
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23 Die Behauptung zum Beispiel, dass die Quaestoren in der Koenigszeit von
der Buergerschaft, nicht vom Koenig ernannt seien, ist ebenso sicher falsch als
sie den Parteicharakter an der Stirn traegt.
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Mehr untergeordneter Art war begreiflicherweise die literarische Taetigkeit
auf dem Gebiet der lateinischen Rhetorik; es gab hier nichts zu tun als Hand-
und Uebungsbuecher nach dem Muster der griechischen Kompendien des Hermagoras
und anderer zu schreiben, woran es denn freilich die Schulmeister, teils um des
Beduerfnisses, teils um der Eitelkeit und des Geldes willen, nicht fehlen
liessen. Von einem unbekannten Verfasser, der nach der damaligen Weise zugleich
lateinische Literatur und lateinische Rhetorik lehrte und ueber beide schrieb,
ist uns ein solches, unter Sullas Diktatur abgefasstes Handbuch der Redekunst
erhalten; eine nicht bloss durch die knappe, klare und sichere Behandlung des
Stoffes, sondern vor allem durch die verhaeltnismaessige Selbstaendigkeit den
griechischen Mustern gegenueber bemerkenswerte Lehrschrift. Obwohl in der
Methode gaenzlich abhaengig von den Griechen, weist der Roemer doch bestimmt und
sogar schroff alles das ab, "was die Griechen an nutzlosem Kram zusammengetragen
haben, einzig damit die Wissenschaft schwerer zu lernen erscheine". Der
bitterste Tadel trifft die haarspaltende Dialektik, diese "geschwaetzige
Wissenschaft der Redeunkunst", deren vollendeter Meister, vor lauter Angst, sich
zweideutig auszudruecken, zuletzt nicht mehr seinen eigenen Namen auszusprechen
wagt. Die griechische Schulterminologie wird durchgaengig und absichtlich
vermieden. Sehr ernstlich warnt der Verfasser vor der Viellehrerei und schaerft
die goldene Regel ein, dass der Schueler von dem Lehrer vor allem dazu
anzuleiten sei, sich selbst zu helfen; ebenso ernstlich erkennt er es an, dass
die Schule Neben-, das Leben die Hauptsache ist, und gibt in seinen durchaus
selbstaendig gewaehlten Beispielen den Widerhall derjenigen Sachwalterreden, die
waehrend der letzten Dezennien in der roemischen Advokatenwelt Aufsehen gemacht
hatten. Es verdient Aufmerksamkeit, dass die Opposition gegen die Auswuechse des
Hellenismus, die frueher gegen das Aufkommen einer eigenen lateinischen
Redekunst sich gerichtet hatte, nach deren Aufkommen in dieser selbst sich
fortsetzt und damit der roemischen Beredsamkeit im Vergleich mit der
gleichzeitigen griechischen theoretisch und praktisch eine hoehere Wuerde und
eine groessere Brauchbarkeit sichert.
Die Philosophie endlich ist in der Literatur noch nicht vertreten, da weder
sich aus innerem Beduerfnis eine nationalroemische Philosophie entwickelte noch
aeussere Umstaende eine lateinische philosophische Schriftstellerei
hervorriefen. Mit Sicherheit als dieser Zeit angehoerig sind nicht einmal
lateinische Uebersetzungen populaerer philosophischer Kompendien nachzuweisen;
wer Philosophie trieb, las und disputierte griechisch.
In den Fachwissenschaften ist die Taetigkeit gering. So gut man auch in Rom
verstand zu ackern und zu rechnen, so fand doch die physikalische und
mathematische Forschung dort keinen Boden. Die Folgen der vernachlaessigten
Theorie zeigen sich praktisch in dem niedrigen Stande der Arzneikunde und
einesteils der militaerischen Wissenschaften. Unter allen Fachwissenschaften
blueht nur die Jurisprudenz. Wir koennen ihre innerliche Entwicklung nicht
chronologisch genau verfolgen; im ganzen trat das Sakralrecht mehr und mehr
zurueck und stand am Ende dieser Periode ungefaehr wie heutzutage das
kanonische; die feinere und tiefere Rechtsauffassung dagegen, welche an die
Stelle der aeusserlichen Kennzeichen die innerlich wirksamen Momente setzt, zum


 


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