Römische Geschichte Book 8
by
Theodor Mommsen

Part 7 out of 12



als dritter Bestandteil gesellten sich dazu die nicht viel weniger zahlreichen
Juden, so dass die Bevoelkerung dieser Griechenstaedte des Partherreichs,
aehnlich wie die von Alexandreia, sich aus drei gesondert nebeneinander
stehenden Nationalitaeten zusammensetzte. Zwischen diesen kam es, eben wie in
Alexandreia, nicht selten zu Konflikten, wie zum Beispiel zur Zeit der Regierung
des Gaius unter den Augen der parthischen Regierung die drei Nationen
miteinander handgemein und schliesslich die Juden aus den groesseren Staedten
ausgetrieben wurden.
Insofern ist das Parthische Reich zu dem Roemischen das rechte Gegenstueck.
Wie in diesem das orientalische Unterkoenigtum ausnahmsweise vorkommt, so in
jenem die griechische Stadt; dem allgemeinen orientalisch-aristokratischen
Charakter des Partherregiments tun die griechischen Kaufstaedte an der
Westgrenze so wenig Eintrag wie die Lehnskoenigtuemer Kappadokien und Armenien
dem staedtisch gegliederten Roemerstaat. Waehrend in dem Staat der Caesaren das
roemisch-griechische staedtische Gemeinwesen weiter und weiter um sich greift
und allmaehlich zur allgemeinen Verwaltungsform wird, so reisst die
Staedtegruendung, das rechte Merkzeichen der hellenisch-roemischen Zivilisation,
welche die griechischen Kaufstaedte und die Militaerkolonien Roms ebenso
umspannt wie die grossartigen Ansiedlungen Alexanders und der Alexandriden, mit
dem Eintreten des Partherregiments im Osten ploetzlich ab, und auch die
bestehenden Griechenstaedte des Partherreichs verkuemmern im weiteren Lauf der
Entwicklung. Dort wie hier draengt die Regel mehr und mehr die Ausnahmen
zurueck.
Irans Religion, mit ihrer dem Monotheismus sich naehernden Verehrung des
"hoechsten der Goetter, der Himmel und Erde und die Menschen und fuer diese
alles Gute geschaffen hat", mit ihrer Bildlosigkeit und Geistigkeit, mit ihrer
strengen Sittlichkeit und Wahrhaftigkeit, ihrer Hinwirkung auf praktische
Taetigkeit und energische Lebensfuehrung, hat die Gemueter ihrer Bekenner in
ganz anderer und tieferer Weise gepackt, als die Religionen des Okzidents es je
vermochten, und wenn vor der entwickelten Zivilisation weder Zeus noch Jupiter
standgehalten haben, ist der Glaube bei den Parsen ewig jung geblieben, bis er
einem anderen Evangelium, dem der Bekenner des Mohammed erlag oder doch vor ihm
nach Indien entwich. Wie sich der alte Mazda-Glaube, zu dem die Achaemeniden
sich bekannten und dessen Entstehung in die vorgeschichtliche Zeit faellt, zu
demjenigen verhielt, den als Lehre des weisen Zarathustra die wahrscheinlich
unter den spaeteren Achaemeniden entstandenen heiligen Buecher der Perser, das
Awesta, verkuenden, ist nicht unsere Aufgabe darzustellen; fuer die Epoche, wo
der Okzident mit dem Orient in Beruehrung steht, kommt nur die spaetere
Religionsform in Betracht, wie sie, entstanden vielleicht im Osten Irans, in
Baktrien, insbesondere vom Westen her, von Medien aus dem Okzident
gegenuebertrat und in ihn eindrang. Enger aber als selbst bei den Kelten sind in
Iran die nationale Religion und der nationale Staat miteinander verwachsen. Es
ist schon hervorgehoben worden, dass das legitime Koenigtum im Iran zugleich
eine religioese Institution, der oberste Herrscher des Landes als durch die
oberste Landesgottheit besonders zum Regiment berufen und selbst gewissermassen
goettlich gedacht wird. Auf den Muenzen nationalen Gepraeges erscheint
regelmaessig der grosse Feueraltar und ueber ihm schwebend der gefluegelte Gott
Ahura Mazda, neben ihm in kleinerer Gestalt und in betender Stellung der Koenig
und dem Koenig gegenueber das Reichsbanner. Dem entsprechend geht auch die
Uebermacht des Adels im Partherreich Hand in Hand mit der privilegierten
Stellung des Klerus. Die Priester dieser Religion, die Magier, erscheinen schon
in den Urkunden der Achaemeniden und in den Erzaehlungen Herodots und haben,
wahrscheinlich mit Recht, den Okzidentalen immer als national persische
Institution gegolten. Das Priestertum ist erblich und wenigstens in Medien,
vermutlich auch in anderen Landschaften, galt die Gesamtheit der Priester, etwa
wie die Leviten in dem spaeteren Israel, als ein besonderer Volksteil. Auch
unter der Herrschaft der Griechen haben die alte Religion des Staates und das
nationale Priestertum ihren Platz behauptet. Als der erste Seleukos die neue
Hauptstadt seines Reiches, das schon erwaehnte Seleukeia gruenden wollte, liess
er die Magier Tag und Stunde dafuer bestimmen, und erst nachdem diese Perser,
nicht gern, das verlangte Horoskop gestellt hatten, vollzogen ihrer Anweisung
gemaess der Koenig und sein Heer die feierliche Grundsteinlegung der neuen
Griechenstadt. Also auch ihm standen beratend die Priester des Ahura Mazda zur
Seite und sie, nicht die des hellenischen Olymp, wurden bei den oeffentlichen
Angelegenheiten insoweit befragt, als diese goettliche Dinge betrafen.
Selbstverstaendlich gilt dies um so mehr von den Arsakiden. Dass bei der
Koenigswahl neben dem Adelsrat der der Priester mitwirkte, wurde schon bemerkt.
Koenig Tiridates von Armenien, aus dem Haus der Arsakiden, kam nach Rom unter
Geleit eines Gefolges von Magiern, und nach deren Vorschrift reiste und speiste
er, auch in Gemeinschaft mit dem Kaiser Nero, der gern sich von den fremden
Weisen ihre Lehre verkuenden und die Geister beschwoeren liess. Daraus folgt
allerdings noch nicht, dass der Priesterstand als solcher auf die Fuehrung des
Staats wesentlich bestimmend eingewirkt hat; aber keineswegs ist der Mazda-
Glaube erst durch die Sassaniden wiederhergestellt worden; vielmehr ist bei
allem Wechsel der Dynastien und bei aller eigenen Entwicklung die Landesreligion
im Iran in ihren Grundzuegen die gleiche geblieben.
Die Landessprache im Partherreich ist die einheimische Irans. Keine Spur
fuehrt darauf, dass unter den Arsakiden jemals eine Fremdsprache in
oeffentlichem Gebrauch gewesen ist. Vielmehr ist es der iranische Landesdialekt
Babyloniens und die diesem eigentuemliche Schrift, wie beide vor und in der
Arsakidenzeit unter dem Einfluss von Sprache und Schrift der aramaeischen
Nachbarn sich entwickelten, welche mit der Benennung Pahlavi, das heisst
Parthava, belegt und damit bezeichnet werden als die des Reiches der Parther.
Auch das Griechische ist in demselben nicht Reichssprache geworden. Keiner der
Herrscher fuehrt auch nur als zweiten Namen einen griechischen; und haetten die
Arsakiden diese Sprache zu der ihrigen gemacht, so wuerden uns griechische
Inschriften in ihrem Reiche nicht fehlen. Allerdings zeigen ihre Muenzen bis auf
die Zeit des Claudius ausschliesslich ^11 und auch spaeter ueberwiegend
griechische Aufschrift, wie sie auch keine Spur der Landesreligion aufweisen und
im Fuss sich der oertlichen Praegung der roemischen Ostprovinzen anschliessen,
ebenso die Jahrteilung so wie die Jahrzaehlung so beibehalten haben, wie sie
unter den Seleukiden geregelt worden waren. Aber es wird dies vielmehr dahin
aufzufassen sein, dass die Grosskoenige selber ueberhaupt nicht praegten ^12 und
diese Muenzen, die ja wesentlich fuer den Verkehr mit den westlichen Nachbarn
dienten, von den griechischen Staedten des Reiches auf den Namen des Landesherrn
geschlagen worden sind. Die Bezeichnung des Koenigs auf diesen Muenzen als
"Griechenfreund" (philell/e/n), die schon frueh begegnet ^13 und seit
Mithradates I., das heisst seit der Ausdehnung des Staates bis an den Tigris,
stehend wird, hat einen Sinn nur, wenn auf diesen Muenzen die parthische
Griechenstadt redet. Vermutlich war der griechischen Sprache im Partherreich
neben der persischen eine aehnliche sekundaere Stellung im oeffentlichen
Gebrauch eingeraeumt, wie sie sie im Roemerstaat neben der lateinischen besass.
Das allmaehliche Schwinden des Griechentums unter der parthischen Herrschaft
laesst sich auf diesen staedtischen Muenzen deutlich verfolgen, sowohl in dem
Auftreten der einheimischen Sprache neben und statt der griechischen wie auch in
der mehr und mehr hervortretenden Sprachzerruettung ^14.
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^11 Die aelteste bekannte Muenze mit Pahlavischrift ist zu Claudius' Zeit
unter Volagasos I. geschlagen; sie ist zweisprachig und gibt dem Koenig
griechisch den vollen Titel, aber nur den Namen Arsakes, iranisch bloss den
einheimischen Individualnamen abgekuerzt (Vol.).
^12 Gewoehnlich beschraenkt man dies auf die Grosssilbermuenze und
betrachtet das Kleinsilber und das meiste Kupfer als koenigliche Praegung. Indes
damit wird dem Grosskoenig eine seltsame sekundaere Rolle in der Praegung
zugeteilt. Richtiger wird wohl jene Praegung aufgefasst als ueberwiegend fuer
das Ausland, diese als ueberwiegend fuer den inneren Verkehr bestimmt; die
zwischen beiden Gattungen bestehenden Verschiedenheiten erklaeren sich auf diese
Weise auch.
^13 Der erste Herrscher, der sie fuehrt, ist Phraapates um 188 v. Chr. (P.
Gardner, Parthian coinage, S. 27).
^14 So steht auf den Muenzen des Gotarzes (unter Claudius): G/o/terz/e/s
basile?s basile/o/n yos kekaloymenos Artabanoy. Auf den spaeteren ist die
griechische Aufschrift oft ganz unverstaendlich.
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Dem Umfang nach stand das Reich der Arsakiden weit zurueck nicht bloss
hinter dem Weltstaat der Achaemeniden, sondern auch hinter dem ihrer
unmittelbaren Vorgaenger, dem Seleukidenstaat. Von dessen urspruenglichem Gebiet
besassen sie nur die groessere oestliche Haelfte; nach der Schlacht, in welcher
Koenig Antiochos Sidetes, ein Zeitgenosse der Gracchen, gegen die Parther fiel,
haben die syrischen Koenige nicht wieder ernstlich versucht, ihre Herrschaft
jenseits des Euphrat geltend zu machen; aber das Land diesseits des Euphrat
blieb den Okzidentalen.
Von dem Persischen Meerbusen waren beide Kuesten, auch die arabische, im
Besitz der Parther, die Schiffahrt auf demselben also vollstaendig in ihrer
Gewalt; die uebrige arabische Halbinsel gehorchte weder den Parthern noch den
ueber Aegypten gebietenden Roemern.
Das Ringen der Nationen um den Besitz des Industals und der westlich und
oestlich angrenzenden Landschaften zu schildern, soweit die gaenzlich zerrissene
Ueberlieferung ueberhaupt eine Schilderung zulaesst, ist die Aufgabe unserer
Darstellung nicht; aber die Hauptzuege dieses Kampfes, welcher dem um das
Euphrattal gefuehrten stetig zur Seite geht, duerfen auch in diesem Zusammenhang
um so weniger fehlen, als unsere Ueberlieferung uns nicht gestattet, die
Verhaeltnisse Irans nach Osten in ihrem Eingreifen in die westlichen Beziehungen
im einzelnen zu verfolgen und es daher notwendig erscheint, wenigstens die
Grundlinien derselben uns zu vergegenwaertigen. Bald nach dem Tode des grossen
Alexander wurde durch das Abkommen seines Marschalls und Teilerben Seleukos mit
dem Gruender des Inderreiches, Tschandragupta oder griechisch Sandrakottos, die
Grenze zwischen Iran und Indien gezogen. Danach herrschte der letztere nicht
bloss ueber das Gangestal in seiner ganzen Ausdehnung und das gesamte noerdliche
Vorderindien, sondern im Gebiet des Indus wenigstens ueber einen Teil des
Hochtals des heutigen Kabul, ferner ueber Arachosien oder Afghanistan,
vermutlich auch ueber das wueste und wasserarme Gedrosien, das heutige
Belutschistan, sowie ueber das Delta und die Muendungen des Indus; die in Stein
gehauenen Urkunden, durch welche Tschandraguptas Enkel, der glaeubige
Buddhaverehrer Asoka, das allgemeine Sittengesetz seinen Untertanen
einschaerfte, sind wie in diesem ganzen weit ausgedehnten Gebiet, so namentlich
noch in der Gegend von Peschawar gefunden worden ^15. Der Hindukusch, der
Parapanisos der Alten, und dessen Fortsetzung nach Osten und Westen schieden
also mit ihrer gewaltigen, nur von wenigen Paessen durchsetzten Kette Iran und
Indien. Aber langen Bestand hat dies Abkommen nicht gehabt.
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^15 Waehrend das Reich des Dareios, seinen Inschriften zufolge, die Gadara
(die Gandara der Inder, Gandarai der Griechen, am Kabulfluss) und die Hindu (die
Indusanwohner) in sich schliesst, werden die ersteren in einer der Inschriften
des Asoka unter seinen Untertanen aufgefuehrt, und ein Exemplar seines grossen
Edikts hat sich in Kapurdi Giri oder vielmehr in Schahbaz Garhi (Yusufzai-
Distrikt) gefunden, nahezu sechs deutsche Meilen nordwestlich von der Muendung
des Kabulflusses in den Indus bei Atak. Der Sitz der Regierung dieser
nordwestlichen Provinzen von Asokas Reich war (nach der Inschrift CI Indicar. I
p. 91) Takkhasi-la, Taxila der Griechen, etwa neun deutsche Meilen OSO von Atak,
der Regierungssitz fuer die suedwestlichen Landschaften Udjdjeni (Ox/e/n/e/).
Der oestliche Teil des Kabultals gehoerte also auf jeden Fall zu Asokas Reich.
Dass der Khaiberpass die Grenze gebildet habe, ist nicht geradezu unmoeglich;
wahrscheinlich aber gehoerte das ganze Kabultal zu Indien und machte die Grenze
suedlich von Kabul die scharfe Linie der Sulaiman-Kette und weiter suedwestlich
der Bolanpass. Von dem spaeteren indoskythischen Koenig Huvischka (Ooerke der
Muenzen), der an der Yamuna in Mathura residiert zu haben scheint, hat sich eine
Inschrift bei Wardak, nicht weit noerdlich von Kabul, gefunden (nach
Mitteilungen Oldenbergs).
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In der frueheren Diadochenzeit brachten die griechischen Herrscher des
Reiches von Baktra, das von dem Seleukidenstaat geloest einen maechtigen
Aufschwung nahm, das Grenzgebirge ueberschreitend einen grossen Teil des
Industals in ihre Gewalt und setzten vielleicht noch weiter hinein in
Vorderindien sich fest, so dass das Schwergewicht dieses Reiches sich aus dem
westlichen Iran nach dem oestlichen Indien verschob und der Hellenismus dem
Indertum wich. Die Koenige dieses Reiches heissen indische und fuehren
spaeterhin ungriechische Namen; auf den Muenzen erscheint neben und statt der
griechischen die einheimisch indische Sprache und Schrift, aehnlich wie in der
parthisch-persischen Praegung neben dem Griechischen das Pahlavi emporkommt.
Es trat dann eine Nation mehr in den Kampf ein: die Skythen oder, wie sie
in Iran und in Indien heissen, die Saker brachen aus ihren Stammsitzen am
Jaxartes ueber das Gebirge nach Sueden vor. Die baktrische Landschaft kam
wenigstens grossenteils in ihre Gewalt, und etwa im letzten Jahrhundert der
roemischen Republik muessen sie sich in dem heutigen Afghanistan und
Belutschistan festgesetzt haben. Darum heisst in der fruehen Kaiserzeit die
Kueste zu beiden Seiten der Indusmuendung um Minnagara Skythien und fuehrt im
Binnenlande die westlich von Kandahar gelegene Landschaft der Dranger spaeter
den Namen "Sakerland", Sakastane, das heutige Sedjistan. Diese Einwanderung der
Skythen in die Landschaften des baktro-indischen Reiches hat dasselbe wohl
eingeschraenkt und geschaedigt, etwa wie die ersten Wanderungen der Germanen das
roemische, aber es nicht zerstoert; noch unter Vespasian hat ein wahrscheinlich
selbstaendiger baktrischer Staat bestanden ^16.
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^16 Der Anm. 18 genannte aegyptische Kaufmann gedenkt c. 47 "des
streitbaren Volks der Baktrianer, die ihren eigenen Koenig haben". Damals also
war Baktrien von dem unter parthischen Fuersten stehenden Indusreich getrennt.
Auch Strabon (11, 11, 1 p. 516) behandelt das baktrisch-indische Reich als der
Vergangenheit angehoerig.
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Unter den Juliern und den Claudiern scheinen dann an der Indusmuendung die
Parther die Vormacht gewesen zu sein. Ein zuverlaessiger Berichterstatter aus
augustischer Zeit fuehrt eben jenes Sakastane unter den parthischen Provinzen
auf und nennt den Koenig der Saker-Skythen einen Unterkoenig der Arsakiden; als
letzte parthische Provinz gegen Osten bezeichnet er Arachosien mit der
Hauptstadt Alexandropolis, wahrscheinlich Kandahar. Ja, bald darauf, in
vespasianischer Zeit, herrschen in Minnagara parthische Fuersten. Indes war dies
fuer das Reich am Indusstrom mehr ein Wechsel der Dynastie als eine eigentliche
Annexion an den Staat von Ktesiphon. Der Partherfuerst Gondopharos, den die
christliche Legende mit dem Apostel der Parther und der Inder, dem heiligen
Thomas, verknuepft ^17, hat allerdings von Minnagara aus bis nach Peschawar und
Kabul hinauf geherrscht; aber diese Herrscher gebrauchen, wie ihre Vorherrscher
im indischen Reich, neben der griechischen die indische Sprache und nennen sich
Grosskoenige wie diejenigen von Ktesiphon; sie scheinen mit den Arsakiden darum
nicht weniger rivalisiert zu haben, weil sie demselben Fuerstengeschlecht
angehoerten ^18.
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^17 Wahrscheinlich ist er der Kaspar - in aelterer Tradition Gathaspar -,
der unter den heiligen drei Koenigen aus dem Morgenland auftritt (Gutschmid,
Rheinisches Museum N. F. 19, 1861, S. 162).
^18 Das bestimmteste Zeugnis der Partherherrschaft in diesen Gegenden
findet sich in der unter Vespasian von einem aegyptischen Kaufmann aufgesetzten
Kuestenbeschreibung des Roten Meeres c. 38: "Hinter der Indusmuendung im
Binnenland liegt die Hauptstadt von Skythien Minnagara; beherrscht aber wird
diese von den Parthern, die bestaendig einander verjagen (ypo Parth/o/n
synech/o/s all/e/loys endi/o/kont/o/n). Dasselbe wird in etwas verwirrter Weise
c. 41 wiederholt; es kann hier scheinen, als laege Minnagara in Indien selbst
oberhalb Barygaza, und schon Ptolemaeos ist dadurch irregefuehrt worden; aber
gewisshat der Schreiber, der ueber das Binnenland nur von Hoerensagen spricht,
nur sagen wollen, dass eine grosse Stadt Minnagara im Binnenland nicht fern von
Barygaza liege und von da viel Baumwolle nach Barygaza gefuehrt werde. Auch
koennen die nach demselben Gewaehrsmann in Minnagara zahlreich begegnenden
Spuren Alexanders nur am Indus, nicht in Gudjarat sich gefunden haben. Die Lage
Minnagaras am unteren Indus, unweit Haiderabad, und die Existenz einer
parthischen Herrschaft daselbst unter Vespasian erscheint hierdurch gesichert.
Damit werden verbunden werden duerfen die Muenzen des Koenigs Gondopharos
oder Hyndopherres, welcher in einer sehr alten christlichen Legende von dem
Apostel der Parther und der Inder, dem heiligen Thomas, zum Christentum bekehrt
wird und in der Tat der ersten roemischen Kaiserzeit anzugehoeren scheint
(Sallet, Zeitschrift fuer Numismatik 6, 1879, S. 355; Gutschmid, Rheinisches
Museum N. F. 19, 1861, S. 162); seines Brudersohns Abdagases (Sauet, a. a. O.,
S. 365), welcher mit dem parthischen Fuersten dieses Namens bei Tacitus (ann. 6,
36) identisch sein kann, auf jeden Fall einen parthischen Namen traegt, endlich
des Koenigs Sanabaros, der kurz nach Hyndopherres regiert haben muss, vielleicht
sein Nachfolger gewesen ist. Dazu gehoeren noch eine Anzahl anderer mit
parthischen Namen, Arsakes, Pakoros, Vonones, bezeichneten Muenzen. Diese
Praegung stellt sich entschieden zu der der Arsakiden (Sallet, a. a. O., S.
277); die Silberstuecke des Gondopharos und des Sanabaros - von den uebrigen
gibt es fast nur Kupfer -entsprechen genau den Arsakidendrachmen. Allem Anschein
nach gehoeren diese den Partherfuersten von Minnagara; dass neben der
griechischen hier indische Aufschrift erscheint, wie bei den spaeten Arsakiden
Pahlavischrift, passt dazu. Aber es sind dies nicht Muenzen von Satrapen,
sondern, wie dies auch der Aegypter andeutet, mit den ktesiphontischen
rivalisierender Grosskoenige; Hyndopherres nennt sich in sehr verdorbenem
Griechisch basile?s basile/o/n megas aytokr und in gutem Indisch "Maharadja
Radjadi Radja". Wenn, wie dies nicht unwahrscheinlich ist, in dem Mambaros oder
Akabaros, den der Periplus c. 41. 52 als Herrscher der Kueste von Barygaza
nennt, der Sanabaros der Muenzen steckt, so gehoert dieser in die Zeit Neros
oder Vespasians und herrschte nicht bloss an der Indusmuendung, sondern auch
ueber Gudjarat. Wenn ferner eine unweit Peschawar gefundene Inschrift mit Recht
auf den Koenig Gondopharos bezogen wird, so muss dessen Herrschaft bis dort
hinauf, wahrscheinlich bis nach Kabul hin sich erstreckt haben.
Dass Corbulo im Jahre 60 die Gesandtschaft der von den Parthern
abgefallenen Hyrkaner, damit sie von jenen nicht aufgegriffen wuerden, an die
Kueste des Roten Meeres schickte, von wo sie, ohne parthisches Gebiet zu
betreten, die Heimat erreichen konnten (Tac. 15, 25), spricht dafuer, dass das
Industal damals dem Herrscher von Ktesiphon nicht botmaessig war.
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Auf diese parthische Dynastie folgt dann in dem indischen Reich nach kurzer
Zwischenzeit die in der indischen Ueberlieferung als die der Saker oder die des
Koenigs Kanerku oder Kanischka bezeichnete, welche mit dem Jahre 78 n. Chr.
beginnt und wenigstens bis in das dritte Jahrhundert bestanden hat ^19. Sie
gehoeren zu den Skythen, deren Einwanderung frueher erwaehnt ward, und auf ihren
Muenzen tritt an die Stelle der indischen die skythische Sprache ^20. So haben
im Indusgebiet nach den Indern und den Hellenen in den ersten drei Jahrhunderten
unserer Zeitrechnung Parther und Skythen das Regiment gefuehrt. Aber auch unter
den auslaendischen Dynastien hat dort dennoch eine national-indische
Staatenbildung sich vollzogen und behauptet und der parthisch-persischen
Machtentwicklung im Osten eine nicht minder dauernde Schranke entgegengestellt
wie der Roemerstaat im Westen.
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^19 Dass das Grosskoenigtum der Arsakiden von Minnagara nicht viel ueber
die neronische Zeit hinaus bestanden hat, ist nach den Muenzen wahrscheinlich.
Was fuer Herrscher auf sie gefolgt sind, ist fraglich. Die baktrisch-indischen
Herrscher griechischen Namens gehoeren ueberwiegend, vielleicht saemtlich der
voraugustischen Epoche an; auch manche einheimischen Namens, zum Beispiel Maues
und Azes, fallen nach Sprache und Schrift (zum Beispiel der Form des m S2) vor
diese Zeit. Dagegen sind die Muenzen der Koenige Kozulokadphises und
Ooemokadphises und diejenigen der Sakerkoenige, des Kanerku und seiner
Nachfolger, welche alle namentlich durch den bis dahin in der indischen Praegung
nicht begegnenden Goldstater vom Gewicht des roemischen Aureus sich deutlich als
einheitliche Praegung charakterisieren, allem Anschein nach spaeter als
Gondopharos und Sanabaros. Sie zeigen, wie der Staat des Industals sich in immer
steigendem Mass im Gegensatz gegen die Hellenen wie gegen die Iranier national-
indisch gestaltet hat. Die Regierung dieser Kadphises wird also zwischen die
indo-parthischen Herrscher und die Dynastie der Saker fallen welche letztere mit
dem Jahre 78 n. Chr. beginnt (Oldenberg in Sallets Zeitschrift fuer Numismatik
8, 1881, S. 292). In dem Schatz von Peschawar gefundene Muenzen dieser
Sakerkoenige nennen merkwuerdigerweise griechische Goetter in verstuemmelter
Form /E/rakilo, Sarapo, neben dem nationalen Boydo. Die spaetesten ihrer Muenzen
zeigen den Einfluss der aeltesten Sassanidenpraegung und duerften der zweiten
Haelfte des dritten Jahrhunderts angehoeren (Sallet, Zeitschrift fuer Numismatik
6, 1879, S. 225).
^20 Die indo-griechischen und die indo-parthischen Herrscher, ebenso die
Kadphises bedienen sich auf ihren Muenzen in grossem Umfang neben der
griechischen der einheimischen indischen Sprache und Schrift; die Sakerkoenige
dagegen haben niemals indische Sprache und indisches Alphabet gebraucht, sondern
verwenden ausschliesslich die griechischen Buchstaben, und die nicht
griechischen Aufschriften ihrer Muenzen sind ohne Zweifel skythisch. So steht
auf Kanerkus Goldstuecken bald basile?s basile/o/n Kan/e/rkoy, bald rao nanorao
kan/e/rki korano wo die ersten beiden Woerter eine skythisierte Form des
indischen Rbdjbdi Rbdja sein werden, die beiden folgenden den Eigen- und den
Stammnamen (Guschana) des Koenigs enthalten (Oldenberg, a. a. O., S. 294). Also
waren diese Saker in anderem Sinne Fremdherrscher in Indien als die baktrischen
Hellenen und die Parther. Doch sind die unter ihnen in Indien gesetzten
Inschriften nicht skythisch, sondern indisch.
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Gegen Norden und Nordosten grenzte Iran mit Turan. Wie das westliche und
suedliche Ufer des Kaspischen Meeres und die oberen Taeler des Oxos und Jaxartes
der Zivilisation eine geeignete Staette bieten, so gehoert die Steppe um den
Aralsee und das dahinter sich ausbreitende weite Flachland von Rechts wegen den
schweifenden Leuten. Es sind unter diesen Nomaden wohl einzelne den Iraniern
verwandte Voelkerschaften gewesen; aber auch diese haben keinen Teil an der
iranischen Zivilisation, und es ist das bestimmende Moment fuer die
geschichtliche Stellung Irans, dass es die Vormauer der Kulturvoelker bildet
gegen diejenigen Horden, die als Skythen, Saken, Hunnen, Mongolen, Tuerken keine
andere weltgeschichtliche Bestimmung zu haben scheinen als die der
Kulturvernichtung. Baktra, das grosse Bollwerk Irans gegen Turan, hat in der
nachalexandrischen Epoche unter seinen griechischen Herrschern laengere Zeit
dieser Abwehr genuegt; aber es ist schon erwaehnt worden, dass es spaeterhin
zwar nicht unterging, aber das Vordringen der Skythen nach Sueden nicht laenger
zu hindern vermochte. Mit dem Rueckgang der baktrischen Macht ging die gleiche
Aufgabe ueber auf die Arsakiden. Wie weit dieselben ihr entsprochen haben, ist
schwierig zu sagen. In der ersten Kaiserzeit scheinen die Grosskoenige von
Ktesiphon, wie suedlich vom Hindukusch so auch in den noerdlichen Landschaften,
die Skythen zurueckgedraengt oder sich botmaessig gemacht zu haben; einen Teil
des baktrischen Gebiets haben sie ihnen wieder entrissen. Aber welche und ob
ueberhaupt dauernde Grenzen hier sich feststellten, ist zweifelhaft. Der Kriege
der Parther und der Skythen wird oft gedacht. Die letzteren, hier zunaechst die
Umwohner des Aralsees, die Vorfahren der heutigen Turkmenen, sind regelmaessig
die Angreifenden, indem sie teils zu Wasser ueber das Kaspische Meer in die
Taeler des Kyros und des Araxes einfallen, teils von ihrer Steppe aus die
reichen Fluren Hyrkaniens und die fruchtbare Oase der Margiana (Merw) ausrauben.
Die Grenzgebiete verstanden sich dazu, die willkuerliche Brandschatzung mit
Tributen abzukaufen, welche regelmaessig in festen Terminen eingefordert wurden,
wie heute die Beduinen Syriens von den Bauern daselbst die Kubba erheben. Das
parthische Regiment also vermochte wenigstens in der frueheren Kaiserzeit so
wenig wie das heutige tuerkische, hier dem friedlichen Untertan die Fruechte
seiner Arbeit zu sichern und einen dauernden Friedensstand an der Grenze
herzustellen. Auch fuer die Reichsgewalt selbst blieben diese Grenzwirren eine
offene Wunde; oftmals haben sie in die Sukzessionskriege der Arsakiden so wie in
ihre Streitigkeiten mit Rom eingegriffen.
Wie das Verhaeltnis der Parther zu den Roemern sich gestaltet und die
Grenzen der beiden Grossmaechte sich festgestellt hatten, ist seinerzeit
dargelegt worden. Waehrend die Armenier mit den Parthern rivalisiert hatten und
das Koenigtum am Araxes sich anschickte, in Vorderasien die Grosskoenigsrolle zu
spielen, hatten die Parther im allgemeinen freundliche Beziehungen zu den
Roemern unterhalten als den Feinden ihrer Feinde. Aber nach der Niederwerfung
des Mithradates und des Tigranes hatten die Roemer, namentlich durch die von
Pompeius getroffenen Organisationen, eine Stellung genommen, die mit ernstlichem
und dauerndem Frieden zwischen den beiden Staaten sich schwer vertrug. Im Sueden
stand Syrien jetzt unter unmittelbarer roemischer Herrschaft, und die roemischen
Legionen hielten Wacht an dem Saume der grossen Wueste, die das Kuestenland vom
Euphrattal scheidet. Im Norden waren Kappadokien und Armenien roemische
Lehnsfuerstentuemer. Die nordwaerts an Armenien grenzenden Voelkerschaften, die
Kolcher, Iberer, Albaner, waren damit notwendig dem parthischen Einfluss
entzogen und, wenigstens nach roemischer Auffassung, ebenfalls roemische
Lehnsstaaten. Das suedoestlich an Armenien angrenzende, durch den Araxes von ihm
getrennte Klein-Medien oder Atropatene (Aserbeidschan) hatte schon den
Seleukiden gegenueber unter seiner alteinheimischen Dynastie seine Nationalitaet
behauptet und sogar sich selbstaendig gemacht; unter den Arsakiden erscheint der
Koenig dieser Landschaft je nach Umstaenden als Lehnstraeger der Parther oder
als unabhaengig von diesen durch Anlehnung an die Roemer. Somit reichte der
bestimmende Einfluss Roms bis zum Kaukasus und zum westlichen Ufer des
Kaspischen Meeres. Es lag hierin ein Uebergreifen ueber die durch die nationalen
Verhaeltnisse angezeigten Grenzen. Das hellenische Volkstum hatte wohl an der
Suedkueste des Schwarzen Meeres und im Binnenland in Kappadokien und Kommagene
so weit Fuss gefasst, dass hier die roemische Vormacht an ihm einen Rueckhalt
fand; aber Armenien ist auch unter der langjaehrigen roemischen Herrschaft immer
ein ungriechisches Land geblieben, durch die Gemeinschaft der Sprache und des
Glaubens, die zahlreichen Zwischenheiraten der Vornehmen, die gleiche Kleidung
und gleiche Bewaffnung ^21 an den Partherstaat mit unzerreissbaren Banden
geknuepft. Die roemische Aushebung und die roemische Besteuerung sind nie auf
Armenien erstreckt worden; hoechstens bestritt das Land die Aufstellung und die
Unterhaltung der eigenen Truppen und die Verpflegung der daselbst liegenden
roemischen. Die armenischen Kaufleute vermittelten den Warentausch ueber den
Kaukasus mit Skythien, ueber das Kaspische Meer mit Ostasien und China, den
Tigris hinab mit Babylonien und Indien, nach Westen hin mit Kappadokien; nichts
haette naeher gelegen, als das politisch abhaengige Land in das roemische
Steuer- und Zollgebiet einzuschliessen; dennoch ist nie dazu geschritten worden.
Die Inkongruenz der nationalen und der politischen Zugehoerigkeit Armeniens
bildet ein wesentliches Moment in dem durch die ganze Kaiserzeit sich
hinziehenden Konflikt mit dem oestlichen Nachbarn. Man erkannte es wohl auf
roemischer Seite, dass die Annektierung jenseits des Euphrat ein Uebergriff in
das Stammgebiet der orientalischen Nationalitaet und fuer Rom kein eigentlicher
Machtzuwachs war. Der Grund aber oder wenn man will die Entschuldigung dafuer,
dass diese Uebergriffe dennoch sich fortsetzten, liegt darin, dass das
Nebeneinanderstehen gleichberechtigter Grossstaaten mit dem Wesen der
roemischen, man darf vielleicht sagen mit der Politik des Altertums ueberhaupt
unvereinbar ist. Das roemische Reich kennt als Grenze genaugenommen nur das Meer
oder das wehrlose Landgebiet. Dem schwaecheren, aber doch wehrhaften Staatswesen
der Parther goennten die Roemer die Machtstellung nicht und nahmen ihm, worauf
diese wieder nicht verzichten konnten; und darum ist das Verhaeltnis zwischen
Rom und Iran durch die ganze Kaiserzeit eine nur durch Waffenstillstaende
unterbrochene ewige Fehde um das linke Ufer des Euphrat.
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^21 Arrian, der als Statthalter von Kappadokien selbst ueber die Armenier
das Kommando gefuehrt hatte (Alan. 29), nennt in der Taktik Armenier und Parther
immer zusammen (4, 3; 44, 1 wegen der schweren Reiterei, der gepanzerten
kontophoroi und der leichten Reiterei, der akrobolistai oder ippotoxotai; 35, 7
wegen der Pluderhosen), und wo er von Hadrians Einfuehrung der barbarischen
Kavallerie in das roemische Heer spricht, fuehrt er die berittenen Schuetzen
zurueck auf das Muster "der Parther oder Armenier" (44, 1).
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In den von Lucullus und Pompeius mit den Parthern abgeschlossenen
Vertraegen war die Euphratgrenze anerkannt, also Mesopotamien ihnen zugestanden
worden. Aber dies hinderte die Roemer nicht, die Herrscher von Edessa in ihre
Klientel aufzunehmen und, wie es scheint durch Erstreckung der Grenzen Armeniens
gegen Sueden, einen grossen Teil des noerdlichen Mesopotamien wenigstens fuer
ihre mittelbare Herrschaft in Anspruch zu nehmen. Deswegen hatte nach einigem
Zaudern die parthische Regierung den Krieg gegen die Roemer in der Form
begonnen, dass sie ihn den Armeniern erklaerte. Die Antwort darauf war der
Feldzug des Crassus und nach der Niederlage bei Karrhae die Zurueckfuehrung
Armeniens unter parthische Gewalt; man kann hinzusetzen: die Wiederaufnahme der
Ansprueche auf die westliche Haelfte des Seleukidenstaats, deren Durchfuehrung
freilich damals misslang. Waehrend des ganzen zwanzigjaehrigen Buergerkriegs, in
dem die roemische Republik zugrunde ging und schliesslich der Prinzipat sich
feststellte, dauerte der Kriegsstand zwischen Roemern und Parthern, und nicht
selten griffen beide Kaempfe ineinander ein. Pompeius hatte vor der
Entscheidungsschlacht versucht, den Koenig Orodes als Verbuendeten zu gewinnen;
aber als dieser die Abtretung Syriens forderte, vermochte er es nicht ueber
sich, die durch ihn selbst roemisch gewordene Provinz auszuliefern. Nach der
Katastrophe hatte er dennoch sich dazu entschlossen; aber Zufaelligkeiten
lenkten seine Flucht statt nach Syrien vielmehr nach Aegypten, wo er dann sein
Ende fand. Die Parther schienen im Begriff, abermals in Syrien einzubrechen; und
die spaeteren Fuehrer der Republikaner verschmaehten den Beistand der
Landesfeinde nicht. Noch bei Caesars Lebzeiten hatte Caecilius Bassus, als er
die Fahne des Aufstands in Syrien erhob, sofort die Parther herbeigerufen. Sie
waren diesem Ruf auch gefolgt; des Orodes Sohn Pakoros hatte den Statthalter
Caesars geschlagen und die von ihm in Apameia belagerte Truppe des Bassus
befreit (709 45). Sowohl aus diesem Grunde, wie um fuer Karrhae Revanche zu
nehmen, hatte Caesar beschlossen, im naechsten Fruehling persoenlich nach Syrien
und ueber den Euphrat zu gehen; aber die Ausfuehrung dieses Planes verhinderte
sein Tod. Als dann Cassius in Syrien ruestete, knuepfte er auch mit dem
Partherkoenig an, und in der Entscheidungsschlacht bei Philippi (712 42) haben
parthische berittene Schuetzen mit fuer die Freiheit Roms gestritten. Da die
Republikaner unterlagen, verhielt der Grosskoenig zunaechst sich ruhig, und auch
Antonius hatte wohl die Absicht, des Diktators Plaene auszufuehren, aber
zunaechst mit der Ordnung des Orients genug zu tun. Der Zusammenstoss konnte
nicht ausbleiben; der Angreifende war diesmal der Partherkoenig. Als im Jahre
713 (41) Caesar der Sohn in Italien mit den Feldherren und der Gemahlin des
Antonius schlug und dieser in Aegypten bei der Koenigin Kleopatra untaetig
verweilte, entsprach Orodes dem Draengen eines bei ihm im Exil lebenden Roemers,
des Quintus Labienus, und sandte diesen, einen Sohn des erbitterten Gegners des
Diktators Titus Labienus und ehemaligen Offizier im Heere des Brutus, sowie (713
41) seinen Sohn Pakoros mit einer starken Armee ueber die Grenze. Der
Statthalter Syriens, Decidius Saxa, unterlag dem unvermuteten Angriff; die
roemischen Besatzungen, grossenteils gebildet aus alten Soldaten der
republikanischen Armee, stellten sich unter den Befehl ihres frueheren
Offiziers; Apameia und Antiocheia, ueberhaupt alle Staedte Syriens mit Ausnahme
der ohne Flotte nicht zu bezwingenden Inselstadt Tyros, unterwarfen sich; auf
der Flucht nach Kilikien gab sich Saxa, um nicht gefangen zu werden, selber den
Tod. Nach der Einnahme Syriens wandte sich Pakoros gegen Palaestina, Labienus
nach der Provinz Asia; auch hier unterwarfen sich weithin die Staedte oder
wurden mit Gewalt bezwungen, mit Ausnahme des karischen Stratonikeia. Antonius,
durch die italischen Verwicklungen in Anspruch genommen, sandte seinen
Statthaltern keinen Sukkurs, und fast zwei Jahre (Ende 713 bis Fruehjahr 715 41-
39) geboten in Syrien und einem grossen Teil Kleinasiens die parthischen
Feldherren und der republikanische Imperator Labienus -der Parthiker, wie er mit
schamloser Ironie sich nannte, nicht der Roemer, der die Parther, sondern der
Roemer, der mit den Parthern die Seinigen ueberwand. Erst nachdem der drohende
Bruch zwischen den beiden Machthabern abgewandt war, sandte Antonius ein neues
Heer unter Fuehrung des Publius Ventidius Bassus, dem er das Kommando in den
Provinzen Asia und Syrien uebergab. Der tuechtige Feldherr traf in Asia den
Labienus allein mit seinen roemischen Truppen und schlug ihn rasch aus der
Provinz hinaus. An der Scheide von Asia und Kilikien, in den Paessen des Taurus,
wollte eine Abteilung der Parther die fliehenden Verbuendeten aufnehmen; aber
auch sie wurden geschlagen, bevor sie sich mit Labienus vereinigen konnten, und
darauf dieser auf der Flucht in Kilikien aufgegriffen und getoetet. Mit gleichem
Glueck erstritt Ventidius die Paesse des Amanos an der Grenze von Kilikien und
Syrien; hier fiel Pharnapates, der beste der parthischen Generale (715 39).
Damit war Syrien vom Feinde befreit. Allerdings ueberschritt im Jahre darauf
Pakoros noch einmal den Euphrat, aber nur um in einem entscheidenden Treffen bei
Gindaros nordoestlich von Antiocheia (9. Juni 716 38) mit dem groessten Teil
seines Heeres den Untergang zu finden. Es war ein Sieg, der den Tag bei Karrhae
einigermassen aufwog und von dauernder Wirkung: auf lange hinaus haben die
Parther nicht wieder ihre Truppen am roemischen Ufer des Euphrat gezeigt.
Wenn es im Interesse Roms lag, die Eroberungen gegen Osten auszudehnen und
die Erbschaft des grossen Alexander hier in ihrem vollen Umfang anzutreten, so
lagen dafuer die Verhaeltnisse nie guenstiger als im Jahre 716 (38). Die
Beziehungen der Zweiherrscher zueinander hatten zur rechten Zeit dafuer sich neu
befestigt, und auch Caesar wuenschte damals wahrscheinlich aufrichtig eine
ernstliche und glueckliche Kriegfuehrung seines Herrschaftsgenossen und neuen
Schwagers. Die Katastrophe von Gindaros hatte bei den Parthern eine schwere
dynastische Krise hervorgerufen. Koenig Orodes legte, tief erschuettert durch
den Tod seines aeltesten und tuechtigsten Sohnes, das Regiment zu Gunsten seines
zweitgeborenen, Phraates, nieder. Dieser fuehrte, um sich den Thron besser zu
sichern, ein Regiment des Schreckens, dem seine zahlreichen Brueder und der alte
Vater selbst so wie eine Anzahl der hohen Adligen des Reiches zum Opfer fielen;
andere derselben traten aus und suchten Schutz bei den Roemern, unter ihnen der
maechtige und angesehene Monaeses. Nie hat Rom im Orient ein Heer von gleicher
Zahl und Tuechtigkeit gehabt wie in dieser Zeit: Antonius vermochte nicht
weniger als sechzehn Legionen, gegen 70000 Mann roemischer Infanterie, gegen
40000 der Hilfsvoelker, 10000 spanische und gallische, 6000 armenische Reiter
ueber den Euphrat zu fuehren; wenigstens die Haelfte derselben waren
altgediente, aus dem Westen herangefuehrte Truppen, alle bereit, ihrem geliebten
und verehrten Fuehrer, dem Sieger von Philippi, wo immer hin zu folgen und die
glaenzenden Siege, die nicht durch, aber fuer ihn ueber die Parther bereits
erfochten waren, unter seiner eigenen Fuehrung mit noch groesseren Erfolgen zu
kroenen.
In der Tat fasste Antonius die Aufrichtung eines asiatischen
Grosskoenigtums nach dem Muster Alexanders ins Auge. Wie Crassus vor seinem
Einruecken verkuendigt hatte, dass er die roemische Herrschaft bis nach Baktrien
und Indien ausdehnen werde, so nannte Antonius den ersten Sohn, den die
aegyptische Koenigin ihm gebar, mit dem Namen Alexanders. Er scheint geradezu
beabsichtigt zu haben, einerseits mit Ausschluss der vollstaendig hellenisierten
Provinzen Bithynien und Asia das gesamte Reichsgebiet im Osten, so weit es nicht
schon unter abhaengigen Kleinfuersten stand, in diese Form zu bringen,
andererseits alle einstmals von den Okzidentalen besetzten Landschaften des
Ostens in Form von Satrapien sich untertaenig zu machen. Von dem oestlichen
Kleinasien wurde der groesste Teil und der militaerische Primat dem
streitbarsten der dortigen Fuersten, dem Galater Amyntas, zugewiesen. Neben dem
galatischen standen die Fuersten von Paphlagonien, die von Galatien verdraengten
Nachkommen des Delotarus; Polemon, der neue Fuerst im Pontos und der Gemahl der
Enkelin des Antonius Pythodoris; ferner wie bisher die Koenige von Kappadokien
und Kommagene. Einen grossen Teil Kilikiens und Syriens sowie Kypros und Kyrene
vereinigte Antonius mit dem aegyptischen Staat, dem er also fast die Grenzen
wiedergab, wie sie unter den Ptolemaeern gewesen waren, und wie er die Buhle
Caesars, die Koenigin Kleopatra, zu der seinigen oder vielmehr zu seiner Gattin
gemacht hatte, so erhielt ihr Bastard von Caesar, Caesarion, schon frueher
anerkannt als Mitherrscher in Aegypten ^22, die Anwartschaft auf das alte
Ptolemaeerreich, die auf Syrien ihr Bastard von Antonius, Ptolemaeos
Philadelphos. Einem anderen Sohn, den sie dem Antonius geboren hatte, dem schon
erwaehnten Alexander, ward fuer jetzt Armenien zugeteilt als Abschlagzahlung auf
die ihm weiter zugedachte Herrschaft des Ostens. Mit diesem nach orientalischer
Art geordneten Grosskoenigtum ^23 dachte er den Prinzipat ueber den Okzident zu
vereinigen. Er selbst hat nicht den Koenigsnamen angenommen, vielmehr seinen
Landsleuten und den Soldaten gegenueber nur diejenigen Titel gefuehrt, die auch
Caesar zukamen. Aber auf Reichsmuenzen mit lateinischer Aufschrift heisst
Kleopatra Koenigin der Koenige, ihre Soehne von Antonius wenigstens Koenige; den
Kopf seines aeltesten Sohnes zeigen die Muenzen neben dem des Vaters, als
verstaende die Erblichkeit sich von selbst; die Ehe und die Erbfolge der echten
und der Bastardkinder wird von ihm behandelt, wie es bei den Grosskoenigen des
Ostens Gebrauch ist oder, wie er selbst sagte, mit der goettlichen Freiheit
seines Ahnherrn Herakles ^24; jenen Alexander und dessen Zwillingsschwester
Kleopatra nannte er den ersteren Helios, die letztere Selene nach dem Muster
eben dieser Grosskoenige, und wie einst der Perserkoenig dem fluechtigen
Themistokles eine Anzahl asiatischer Staedte, so schenkte er dem zu ihm
uebergetretenen Parther Monaeses drei Staedte Syriens. Auch in Alexander gingen
der Koenig der Makedonier und der Koenig der Koenige des Ostens einigermassen
nebeneinander her, und auch ihm war fuer das Lagerzelt von Gaugamela das
Brautbett in Susa der Lohn; aber seine roemische Kopie zeigt in ihrer
Genauigkeit ein starkes Element der Karikatur.
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^22 Als Mitherrscher Aegyptens ist der Bastard Caesars Ptolemaios o kai
Kaisar theos philopat/o/r philom/e/t/o/r, wie seine Koenigsbenennung lautet (CIG
4717), eingetreten in dem aegyptischen Jahr 29. Aug. 711/12, wie die
Jahresrechnung ausweist (Westher Bullettino dell' Instituto 1866, S. 199; Krall,
Wiener Studien 5, S. 313). Da er an den Platz des Gatten und Bruders seiner
Mutter Ptolemaeos des Juengeren tritt, so wird dessen Beseitigung durch
Kleopatra, deren naehere Umstaende nicht bekannt sind, eben damals erfolgt sein
und den Anlass gegeben haben, ihn als Koenig von Aegypten zu proklamieren. Auch
Dio (47, 31) setzt seine Ernennung in den Sommer des Jahres 712 vor die Schlacht
von Philippi. Dieselbe ist also nicht Antonius' Werk, sondern von den beiden
Herrschern gemeinschaftlich genehmigt zu einer Zeit, wo ihnen daran gelegen sein
musste, der Koenigin von Aegypten, die allerdings von Anfang an auf ihrer Seite
gestanden hatte, entgegenzukommen.
^23 Das meint Augustus, wenn er sagt, dass er die grossenteils unter
Koenige verteilten Provinzen des Orients wieder zum Reiche gebracht habe (Mop.
Ancyr. 5, 41: provincias omnis, quae trans Hadrianum mare vergunt ad orientem,
Cyrenasque, iam ex parte magna regibus eas possidentibus . . . reciperavi).
^24 Die Dezenz, die fuer Augustus ebenso charakteristisch ist wie fuer
seinen Kollegen das Gegenteil, verleugnet sich auch hier nicht. Nicht bloss
wurde in Betreff Caesarions die Vaterschaft, die der Diktator selbst so gut wie
anerkannt hatte, spaeterhin offiziell verleugnet; auch die Kinder des Antonius
von der Kleopatra, wo freilich nichts zu verleugnen war, sind wohl als Glieder
des kaiserlichen Hauses betrachtet, aber nie foermlich als Kinder des Antonius
anerkannt worden. Im Gegenteil heisst der Sohn der Tochter des Antonius von
Kleopatra, der spaetere Koenig von Mauretanien Ptolemaeos in der athenischen
Inschrift CIA III, 555 Enkel des Ptolemaeos; denn Ptolemaioy ekgonos kann in
diesem Zusammenhang nicht wohl anders gefasst werden. Man erfand in Rom diesen
muetterlichen Grossvater, um den wirklichen offiziell verschweigen zu koennen.
Wer es vorzieht, was O. Hirschfeld vorschlaegt, ekgonos als Urenkel zu nehmen
und auf den muetterlichen Urgrossvater zu beziehen, kommt zu demselben Resultat;
denn dann ist der Grossvater uebergangen, weil die Mutter im Rechtssinne
vaterlos war.
Ob die Fiktion, die mir wahrscheinlicher ist, so weit ging, einen
bestimmten Ptolemaeos zu bezeichnen, etwa dem im Jahre 712 gestorbenen letzten
Lagiden das Leben zu verlaengern, oder ob man sich begnuegte, im allgemeinen den
Vater zu fingieren, ist nicht zu entscheiden. Aber auch darin hielt man die
Fiktion fest, dass der Sohn der Tochter des Antonius den Namen des fiktiven
Grossvaters erhielt. Dass dabei der Herkunft von den Lagiden vor derjenigen von
Massinissa der Vorzug gegeben ward, mag wohl mehr durch die Ruecksicht auf das
kaiserliche Haus herbeigefuehrt sein, welches das Bastardkind als zugehoerig
behandelte, als durch die hellenischen Neigungen des Vaters.
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Ob Antonius gleich bei der Uebernahme des Regiments im Osten seine Stellung
in dieser Weise aufgefasst, ist nicht zu entscheiden; vermutlich ist die
Schaffung eines neuen orientalischen Grosskoenigtums in Verbindung mit dem
okzidentalischen Prinzipat allmaehlich in ihm gereift und der Gedanke erst
voellig zu Ende gedacht worden, nachdem er im Jahre 717 (37) bei seiner
Rueckkehr aus Italien nach Asien abermals das Verhaeltnis mit der letzten
Koenigin des Lagidenhauses angeknuepft hatte, um es nicht wieder zu zerreissen.
Aber sein Naturell war solchem Unterfangen nicht gewachsen. Eine jener
militaerischen Kapazitaeten, die dem Feind gegenueber und besonders in
schwieriger Lage besonnen und kuehn zu schlagen wissen, fehlte ihm der
staatsmaennische Wille, das sichere Erfassen und entschlossene Verfolgen des
politischen Ziels. Haette der Diktator Caesar ihm die Unterwerfung des Ostens
zur Aufgabe gestellt, so wuerde er sie wohl geloest haben; zum Herrscher taugte
der Marschall nicht. Nach der Vertreibung der Parther aus Syrien verstrichen
fast zwei Jahre (Sommer 716 bis Sommer 718 38-36), ohne dass irgendein Schritt
zum Ziele getan ward. Antonius selbst, auch darin untergeordnet, dass er seinen
Generalen bedeutende Erfolge ungern goennte, hatte den Besieger des Labienus und
des Pakoros, den tuechtigen Ventidius sofort nach diesem letzten Erfolg entfernt
und selbst den Oberbefehl uebernommen, um die armselige Ehre der Einnahme
Samosatas, der Hauptstadt des kleinen syrischen Dependenzstaats Kommagene, zu
verfolgen und zu verfehlen; aergerlich darueber verliess er den Osten, um in
Italien mit seinem Schwager ueber die kuenftige Ordnung zu verhandeln oder mit
seiner jungen Gattin Octavia sich des Lebens zu freuen. Seine Statthalter im
Osten waren nicht untaetig. Publius Canidius Crassus ging von Armenien aus gegen
den Kaukasus vor und unterwarf daselbst den Koenig der Iberer, Pharnabazos, und
den der Albaner, Zober. Gaius Sossius nahm in Syrien die letzte noch zu den
Parthern haltende Stadt Arados; er stellte ferner in Judaea die Herrschaft des
Herodes wieder her und liess den von den Parthern eingesetzten
Thronpraetendenten, den Hasmonaeer Antigonos, hinrichten. Die Konsequenzen des
Sieges auf roemischem Gebiet wurden also gezogen und bis zum Kaspischen Meer und
der syrischen Wueste die roemische Herrschaft zur Anerkennung gebracht. Aber die
Kriegfuehrung gegen die Parther zu beginnen, hatte sich Antonius selbst
vorbehalten, und er kam nicht.
Als er endlich im Jahre 718 (36) sich nicht Octavias, sondern Kleopatras
Armen entwand und die Heersaeulen in Marsch setzte, war bereits ein guter Teil
der geeigneten Jahreszeit verstrichen. Noch viel auffallender als die Saeumnis
ist die Richtung, welche Antonius waehlte. Frueher und spaeter haben alle
Angriffskriege der Roemer gegen die Parther den Weg auf Ktesiphon eingeschlagen,
die Hauptstadt des Reiches und zugleich an dessen Westgrenze gelegen, also fuer
die am Euphrat oder am Tigris hinabmarschierenden Heere das natuerliche und
naechste Operationsziel. Auch Antonius konnte, nachdem er durch das noerdliche
Mesopotamien ungefaehr auf dem Wege, den Alexander beschritten hatte, an den
Tigris gelangt war, am Fluss hinab auf Ktesiphon und Seleukeia vorruecken. Aber
statt dessen ging er vielmehr in noerdlicher Richtung zunaechst nach Armenien
und von da, wo er seine gesamten Streitkraefte vereinigte und namentlich durch
die armenische Reiterei sich verstaerkte, in die Hochebene von Media Atropatene
(Aserbeidschan). Der verbuendete Koenig von Armenien mag diesen Feldzugsplan
wohl empfohlen haben, da die armenischen Herrscher zu allen Zeiten nach dem
Besitz dieses Nachbarlandes strebten und Koenig Artavazdes von Armenien hoffen
mochte, den gleichnamigen Satrapen von Atropatene jetzt zu bewaeltigen und
dessen Gebiet zu dem seinigen zu fuegen. Aber Antonius selbst ist durch solche
Ruecksichten unmoeglich bestimmt worden. Eher mochte er meinen, von Atropatene
aus in das Herz des feindlichen Landes vordringen zu koennen und die alten
persischen Residenzen Ekbatana und Rhagae als Marschziel betrachten. Aber wenn
er dies plante, handelte er ohne Kenntnis des schwierigen Terrains und
unterschaetzte durchaus die Widerstandskraft des Gegners, wobei die kurze fuer
Operationen in diesem Gebirgsland verfuegbare Zeit und der spaete Beginn des
Feldzugs schwer in die Waagschale fielen. Da ein geschickter und erfahrener
Offizier, wie Antonius war, sich darueber schwerlich hat taeuschen koennen, so
haben wahrscheinlich besondere politische Erwaegungen hier eingewirkt. Phraates'
Herrschaft wankte, wie gesagt ward; Monaeses, von dessen Treue Antonius sich
versichert hielt und den er vielleicht an Phraates' Stelle zu setzen hoffte, war
dem Wunsche des Partherkoenigs gemaess in sein Vaterland zurueckgekehrt ^25;
Antonius scheint auf eine Schilderhebung desselben gegen Phraates gezaehlt und
in Erwartung dieses Buergerkrieges seine Armee in die inneren parthischen
Provinzen gefuehrt zu haben. Es waere wohl moeglich gewesen, in dem befreundeten
Armenien den Erfolg dieses Anschlags abzuwarten, und wenn danach weitere
Operationen erforderlich waren, im folgenden Jahre wenigstens ueber die volle
Sommerzeit zu verfuegen; aber dies Zuwarten missfiel dem hastigen Feldherrn. In
Atropatene traf er nicht bloss auf den hartnaeckigen Widerstand des maechtigen
und halb unabhaengigen Unterkoenigs, der in seiner Hauptstadt Praaspa oder
Phraarta (suedlich vom Urmia-See, vermutlich am oberen Lauf des Djaghatu)
entschlossen die Belagerung aushielt, sondern der feindliche Angriff brachte
auch den Parthern, wie es scheint, den inneren Frieden. Phraates fuehrte ein
stattliches Heer zum Entsatz der angegriffenen Stadt heran. Antonius hatte einen
grossen Belagerungspark mitgefuehrt, aber ungeduldig vorwaerts eilend diesen in
der Obhut von zwei Legionen unter dem Legaten Oppius Stauanus zurueckgelassen.
So kam er seinerseits mit der Belagerung nicht vorwaerts; Koenig Phraates aber
sandte unter eben jenem Monaeses seine Reitermassen in den Ruecken der Feinde
gegen das muehsam nachrueckende Korps des Stauanus. Die Parther hieben die
Deckungsmannschaft nieder, darunter den Feldherrn selbst, nahmen den Rest
gefangen und vernichteten den gesamten Park von 300 Wagen. Damit war der Feldzug
verloren. Der Armenier, an dem Erfolge des Feldzugs verzweifelnd, nahm seine
Leute zusammen und ging heim. Antonius gab nicht sofort die Belagerung auf und
schlug sogar das koenigliche Heer in offener Feldschlacht, aber die flinken
Reiter entrannen ohne wesentlichen Verlust und es war ein Sieg ohne Wirkung. Ein
Versuch, von dem Koenig wenigstens die Rueckgabe der alten und der neu
verlorenen Adler zu erlangen und also wenn nicht mit Vorteil, doch mit Ehren
Frieden zu schliessen, schlug fehl; so leichten Kaufs gab der Parther den
sicheren Erfolg nicht aus der Hand. Er versicherte nur den Abgesandten des
Antonius, dass, wenn die Roemer die Belagerung aufheben wuerden, er sie auf der
Heimkehr nicht belaestigen werde. Diese weder ehrenvolle noch zuverlaessige
feindliche Zusage wird Antonius schwerlich zum Aufbruch bestimmt haben. Es lag
nahe, in Feindesland Winterquartier zu nehmen, zumal da die parthischen Truppen
dauernden Kriegsdienst nicht kannten und voraussichtlich beim Einbrechen des
Winters die meisten Mannschaften heimgegangen sein wuerden. Aber es fehlte ein
fester Stuetzpunkt, und die Zufuhr in dem ausgesogenen Land war nicht gesichert,
vor allen Dingen Antonius selbst einer solchen zaehen Kriegfuehrung nicht
faehig. Also gab er die Maschinen preis, die die Belagerten sofort verbrannten
und trat den schweren Rueckweg an, entweder zu frueh oder zu spaet. Fuenfzehn
Tagemaersche (300 roemische Meilen) durch feindliches Land trennten das Heer von
dem Araxes, dem Grenzfluss Armeniens, wohin trotz der zweideutigen Haltung des
Herrschers allein der Rueckzug gerichtet werden konnte. Ein feindliches Heer von
40000 Berittenen gab trotz der gegebenen Zusage den Abziehenden das Geleit, und
mit dem Abmarsch der Armenier hatten die Roemer den besten Teil ihrer Reiterei
verloren. Die Lebensmittel und die Zugtiere waren knapp, die Jahreszeit weit
vorgerueckt. Aber Antonius fand in der gefaehrlichen Lage seine Kraft und seine
Kriegskunst wieder, einigermassen auch sein Kriegsglueck; er hatte gewaehlt, und
der Feldherr wie die Truppen loesten die Aufgabe in ruehmlicher Weise. Haetten
sie nicht einen ehemaligen Soldaten des Crassus bei sich gehabt, der, zum
Parther geworden, Weg und Steg auf das genaueste kannte und sie statt durch die
Ebene, auf der sie gekommen waren, auf Gebirgswegen zurueckfuehrte, die den
Reiterangriffen weniger ausgesetzt waren - wie es scheint ueber die Berge um
Tabriz -, so wuerde das Heer schwerlich an das Ziel gelangt sein; und haette
nicht Monaeses, in seiner Art dem Antonius die Dankesschuld abtragend, ihn
rechtzeitig von den falschen Zusicherungen und den hinterlistigen Anschlaegen
seiner Landsleute in Kenntnis gesetzt, so waeren die Roemer wohl in einen der
Hinterhalte gefallen, die ihnen mehrfach gelegt wurden. Antonius' Soldatennatur
trat in diesen schweren Tagen oftmals glaenzend hervor, in seiner geschickten
Benutzung jedes guenstigen Moments, in seiner Strenge gegen die Feigen, in
seiner Macht ueber die Soldatengemueter, in seiner treuen Fuersorge fuer die
Verwundeten und die Kranken. Dennoch war die Rettung fast ein Wunder; schon
hatte Antonius einen treuen Leibdiener angewiesen, im aeussersten Fall ihn nicht
lebend in die Haende der Feinde fallen zu lassen. Unter stetigen Angriffen des
tueckischen Feindes, in winterlich kalter Witterung, bald ohne genuegende
Nahrung und oft ohne Wasser erreichten sie in siebenundzwanzig Tagen die
schuetzende Grenze, wo der Feind von ihnen abliess. Der Verlust war ungeheuer;
man rechnete auf jene siebenundzwanzig Tage achtzehn groessere Treffen, und in
einem einzigen derselben zaehlten die Roemer 3000 Tote und 5000 Verwundete. Es
waren eben die Besten und Bravsten, die die stetigen Nachhuts- und
Flankengefechte hinrafften. Das ganze Gepaeck, ein Drittel des Trosses, ein
Viertel der Armee, 20000 Fusssoldaten und 4000 Reiter waren auf diesem medischen
Feldzug zugrunde gegangen, zum grossen Teil nicht durch das Schwert, sondern
durch Hunger und Seuchen. Auch am Araxes waren die Leiden der ungluecklichen
Truppen noch nicht zu Ende. Artavazdes nahm sie als Freund auf und hatte auch
keine andere Wahl; es waere wohl moeglich gewesen, hier zu ueberwintern. Aber
die Ungeduld des Antonius litt dies nicht; der Marsch ging weiter, und bei der
immer rauher werdenden Jahreszeit und dem Gesundheitszustand der Soldaten
kostete dieser letzte Abschnitt der Expedition vom Araxes bis nach Antiocheia,
obwohl kein Feind ihn behinderte, noch weitere 8000 Mann. Wohl ist dieser
Feldzug ein letztes Aufleuchten dessen, was in Antonius' Charakter brav und
tuechtig war, aber politisch seine Katastrophe, um so mehr, als gleichzeitig
Caesar durch die glueckliche Beendigung des sizilischen Krieges die Herrschaft
im Okzident und das Vertrauen Italiens fuer jetzt und alle Zukunft gewann.
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^25 Es ist an sich glaublich dass Antonius dem Phraates so lange wie
moeglich die bevorstehende Invasion verbarg und darum bei Ruecksendung des
Monaeses sich bereit erklaerte, auf Grund der Rueckgabe der verlorenen
Feldzeichen Frieden zu schliessen (Plut. Ant. 37; Dio 49, 24; Florus 2, 20 [4,
101). Aber er wusste vermutlich, dass dies Anerbieten nicht wuerde angenommen
werden, und ernst kann es ihm mit diesen Antraegen auf keinen Fall gewesen sein;
ohne Zweifel wollte er den Krieg und den Sturz des Phraates.
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Die Verantwortung fuer den Misserfolg, den zu verleugnen er vergeblich
versuchte, warf Antonius auf die abhaengigen Koenige von Kappadokien und
Armenien, auf den letzteren insofern mit Recht, als dessen vorzeitiger Abmarsch
von Praaspa die Gefahren und die Verluste des Rueckzugs wesentlich gesteigert
hatte. Aber fuer den Feldzugsplan trug nicht er die Verantwortung, sondern
Antonius ^26; und das Fehlschlagen der auf Monaeses gesetzten Hoffnungen, die
Katastrophe des Stauanus, das Scheitern der Belagerung von Praaspa sind nicht
durch den Armenier herbeigefuehrt worden. Die Unterwerfung des Ostens gab
Antonius nicht auf, sondern brach im naechsten Jahre (719 35) abermals aus
Aegypten auf. Die Verhaeltnisse lagen auch jetzt noch verhaeltnismaessig
guenstig. Mit dem medischen Koenig Artavazdes wurde ein Freundschaftsbuendnis
angeknuepft; derselbe war nicht bloss mit dem parthischen Oberherrn in Streit
geraten, sondern grollte auch vor allem dem armenischen Nachbarn und durfte bei
der wohlbekannten Erbitterung des Antonius gegen diesen darauf rechnen, an dem
Feind seines Feindes eine Stuetze zu finden. Alles kam an auf das feste
Einvernehmen der beiden Machthaber, des sieggekroenten Herrn des Westens und des
geschlagenen Herrschers im Osten; und auf die Kunde hin, dass Antonius die
Fortfuehrung des Krieges beabsichtige, begab sich seine rechtmaessige Gattin,
die Schwester Caesars, von Italien nach dem Osten, um ihm neue Mannschaften
zuzufuehren und das Verhaeltnis zu ihr und zu dem Bruder neu zu befestigen. Wenn
Octavia gross genug dachte, trotz des Verhaeltnisses mit der aegyptischen
Koenigin dem Gatten die Hand zur Versoehnung zu bieten, so muss auch Caesar, wie
dies weiter die eben jetzt erfolgende Eroeffnung des Krieges an der italischen
Nordostgrenze bestaetigt, damals noch bereit gewesen sein, das bestehende
Verhaeltnis aufrechtzuerhalten. Beide Geschwister ordneten ihre persoenlichen
Interessen denen des Gemeinwesens in hochherziger Weise unter. Aber wie laut das
Interesse wie die Ehre dafuer sprachen, die hingereichte Hand anzunehmen,
Antonius konnte es nicht ueber sich gewinnen, das Verhaeltnis zu der Aegypterin
zu loesen; er wies die Gattin zurueck, und dies war zugleich der Bruch mit deren
Bruder, und, wie man hinzusetzen kann, der Verzicht auf die Fortfuehrung des
Krieges gegen die Parther. Nun musste, ehe daran gedacht werden konnte, die
Herrschaftsfrage zwischen Antonius und Caesar erledigt werden. Antonius ging
denn auch sofort aus Syrien nach Aegypten zurueck und unternahm in den folgenden
Jahren nichts weiteres zur Ausfuehrung seiner orientalischen Eroberungsplaene;
nur strafte er die, denen er die Schuld des Misserfolgs beimass. Den Koenig von
Kappadokien, Ariarathes, liess er hinrichten ^27 und gab das Koenigreich einem
illegitimen Verwandten desselben, dem Archelaos. Das gleiche Schicksal war dem
Armenier zugedacht. Wenn Antonius, wie er sagte, zur Fortfuehrung des Krieges im
Jahre 720 (34) in Armenien erschien, so hatte dies nur den Zweck, die Person des
Koenigs, der sich geweigert hatte, nach Aegypten zu gehen, in die Gewalt zu
bekommen: Dieser Akt der Rache wurde auf nichtswuerdige Weise im Wege der
Ueberlistung ausgefuehrt und in nicht minder nichtswuerdiger Weise durch eine in
Alexandreia aufgefuehrte Karikatur des kapitolinischen Triumphs gefeiert. Damals
wurde der zum Herrn des Ostens bestimmte Sohn des Antonius, wie frueher
angegeben ward, als Koenig von Armenien eingesetzt und mit der Tochter des neuen
Bundesgenossen, des Koenigs von Medien, vermaehlt, waehrend der aelteste Sohn
des gefangenen und einige Zeit spaeter auf Geheiss der Kleopatra hingerichteten
Koenigs von Armenien, Artaxes, den die Armenier anstatt des Vaters zum Koenig
ausgerufen hatten, landfluechtig zu den Parthern ging. Armenia und Media
Atropatene waren hiermit in Antonius' Gewalt oder ihm verbuendet; die
Fortfuehrung des parthischen Krieges wurde wohl angekuendigt, blieb aber
verschoben bis nach der Ueberwindung des westlichen Rivalen. Phraates
seinerseits ging gegen Medien vor, anfangs ohne Erfolg, da die in Armenien
stehenden roemischen Truppen den Medern Beistand leisteten; aber als im Verlauf
der Ruestungen gegen Caesar Antonius seine Mannschaften von dort abrief,
gewannen die Parther die Oberhand, ueberwanden die Meder und setzten in Medien
so wie auch in Armenien den Koenig Artaxes ein, der, um die Hinrichtung des
Vaters zu vergelten, saemtliche im Lande zerstreute Roemer greifen und toeten
liess. Dass Phraates die grosse Fehde zwischen Antonius und Caesar, waehrend sie
vorbereitet und ausgefochten ward, nicht voller ausnutzte, wurde wahrscheinlich
wieder einmal durch die im eigenen Lande ausbrechenden Unruhen verhindert. Diese
endigten damit, dass er ausgetrieben ward und zu den Skythen des Ostens ging; an
seiner Stelle wurde Tiridates als Grosskoenig ausgerufen. Als die entscheidende
Seeschlacht an der Kueste von Epirus geschlagen ward und dann in Aegypten die
Katastrophe des Antonius sich vollzog, sass in Ktesiphon dieser neue Grosskoenig
auf dem schwankenden Thron und schickten an der entgegengesetzten Reichsgrenze
die Scharen Turans sich an, den frueheren Herrscher wieder an seine Stelle zu
setzen, was ihnen bald darauf auch gelang.
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^26 Was darueber Strabon (11, 13, 4 p. 524) offenbar nach der von Antonius'
Waffengefaehrten Dellius und vermutlich auf dessen Geheiss aufgesetzten
Darstellung dieses Krieges (vgl. das. 11, 13 3; Dio 49, 39) berichtet, ist ein
recht klaeglicher Rechtfertigungsversuch des geschlagenen Generals. Wenn
Antonius nicht den naechsten Weg nach Ktesiphon einschlug, so kann dafuer der
Koenig Artavasdes nicht als falscher Wegweiser in Anspruch genommen werden; es
war eine militaerische und wohl mehr noch eine politische Verrechnung des
obersten Feldherrn.
^27 Die Tatsache der Absetzung und der Hinrichtung und die Zeit bezeugen
Dio (49, 32) und Valerius Maximus (9, 15 ext. 2); die Ursache oder der Vorwand
wird mit dem Armenischen Krieg zusammenhaengen.
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Der kluge und klare Mann, dem die Liquidation der Unternehmungen des
Antonius und die Feststellung des Verhaeltnisses der beiden Reichsteile zufiel,
bedurfte ebensosehr der Maessigung wie der Energie. Es wuerde der schwerste
Fehler gewesen sein, in Antonius' Gedanken eingehend den Orient oder auch nur im
Orient weiter zu erobern. Augustus erkannte dies; seine militaerischen Ordnungen
zeigen deutlich, dass er zwar den Besitz der syrischen Kueste wie den der
aegyptischen als ein unentbehrliches Komplement fuer das Reich des Mittelmeers
betrachtete, aber auf binnenlaendischen Besitz daselbst keinen Wert legte. Indes
Armenien war nun einmal seit einem Menschenalter roemisch und konnte, nach Lage
der Verhaeltnisse, nur roemisch oder parthisch sein; die Landschaft war durch
ihre Lage militaerisch fuer jede der Grossmaechte ein Ausfallstor in das Gebiet
der anderen. Augustus dachte auch nicht daran, auf Armenien zu verzichten und es
den Parthern zu ueberlassen; und wie die Dinge lagen, durfte er schwerlich daran
denken. Wenn aber Armenien festgehalten ward, konnte man dabei nicht
stehenbleiben; die oertlichen Verhaeltnisse noetigten die Roemer, weiter das
Stromgebiet des Kyros, die Landschaften der Iberer an seinem oberen, der Albaner
an seinem unteren Lauf, das heisst, die als Reiter wie zu Fuss kampftuechtigen
Bewohner des heutigen Georgien und Schirwan, unter ihren massgebenden Einfluss
zu bringen, das parthische Machtgebiet nicht noerdlich vom Araxes ueber
Atropatene hinaus sich erstrecken zu lassen. Schon die Expedition des Pompeius
hatte gezeigt, dass die Festsetzung in Armenien die Roemer notwendig einerseits
bis an den Kaukasus, andrerseits bis an das Westufer des Kaspischen Meeres
fuehrte. Die Ansaetze waren ueberall da. Antonius' Legaten hatten mit den
Iberern und den Albanern gefochten. Polemon, von Augustus in seiner Stellung
bestaetigt, herrschte nicht bloss ueber die Kueste von Pharnakeia bis Trapezunt,
sondern auch ueber das Gebiet der Kolcher an der Phasismuendung. Zu dieser
allgemeinen Sachlage kamen die besonderen Verhaeltnisse des Augenblicks, welche
es dem neuen Alleinherrscher Roms in dringendster Weise nahelegten, das Schwert
den Orientalen gegenueber nicht bloss zu zeigen, sondern auch zu ziehen. Dass
Koenig Artaxes, wie einst Mithradates, saemtliche Roemer innerhalb seiner
Grenzen umzubringen befohlen hatte, konnte nicht unvergolten bleiben. Auch der
landfluechtige Koenig von Medien hatte Hilfe jetzt bei Augustus gesucht, wie er
sie sonst bei Antonius gesucht haben wuerde. Der Buerger- und Praetendentenkrieg
im Parthischen Reiche erleichterte nicht bloss den Angriff, sondern der
vertriebene Herrscher Tiridates suchte gleichfalls Schutz bei Augustus und
erklaerte sich bereit, als roemischer Vasall das Reich von Augustus zu Lehen zu
nehmen. Die Rueckgabe der bei den Niederlagen des Crassus und der Antonianer in
die Gewalt der Parther geratenen Roemer und der verlorenen Adler mochte an sich
dem Herrscher der Kriegfuehrung nicht wert erscheinen; fallen lassen konnte der
Wiederhersteller des roemischen Staates diese militaerische und politische
Ehrenfrage nicht. Mit diesen Tatsachen musste der roemische Staatsmann rechnen;
bei der Stellung, die Augustus im Orient nahm, war die Politik der Aktion
ueberhaupt und durch die vorhergegangenen Misserfolge doppelt geboten. Ohne
Zweifel war es wuenschenswert, die Ordnung der Dinge in Rom bald vorzunehmen;
aber eine zwingende Noetigung, dies sofort zu tun, bestand fuer den
unbestrittenen Alleinherrscher nicht. Er befand sich nach den entscheidenden
Schlaegen von Aktion und Alexandreia an Ort und Stelle und an der Spitze eines
starken und siegreichen Heeres; was einmal geschehen musste, geschah am besten
gleich. Ein Herrscher vom Schlage Caesars waere schwerlich nach Rom
zurueckgegangen, ohne in Armenien die Schutzherrschaft hergestellt, die
roemische Suprematie bis zum Kaukasus und zum Kaspischen Meere zur Anerkennung
gebracht und mit dem Parther abgerechnet zu haben. Ein Herrscher von Umsicht und
Tatkraft haette die Grenzverteidigung im Osten gleich jetzt geordnet, wie die
Verhaeltnisse es erforderten; es war von vornherein klar, dass die vier
syrischen Legionen von zusammen 40000 Mann nicht genuegten, um die Interessen
Roms zugleich am Euphrat, am Araxes und am Kyros zu wahren und dass die Milizen
der abhaengigen Koenigreiche den Mangel der Reichstruppen nur verdeckten, nicht
deckten. Armenien hielt durch politische und nationale Sympathie mehr zu den
Parthern als zu den Roemern; die Koenige von Kommagene, Kappadokien, Galatien,
Pontus neigten wohl umgekehrt mehr nach der roemischen Seite, aber sie waren
unzuverlaessig und schwach. Auch die masshaltende Politik bedurfte zu ihrer
Begruendung eines energischen Schwertschlags, zu ihrer Aufrechthaltung des nahen
Arms einer ueberlegenen roemischen Militaermacht.
Augustus hat weder geschlagen noch geschirmt; gewiss nicht, weil er ueber
die Sachlage sich taeuschte, sondern weil es in seiner Art lag, das als
notwendig Erkannte zoegernd und schwaechlich durchzufuehren und die Ruecksichten
der inneren Politik auf das Verhaeltnis zum Ausland mehr als billig einwirken zu
lassen. Das Unzulaengliche des Grenzschutzes durch die kleinasiatischen
Klientelstaaten hat er wohl eingesehen; es gehoert in diesen Zusammenhang, dass
er schon im Jahre 729 (25), nach dem Tode des Koenigs Amyntas, des Herrn im
ganzen innern Kleinasien, diesem keinen Nachfolger gab, sondern das Land einem
kaiserlichen Legaten unterstellte. Vermutlich sollten auch die benachbarten
bedeutenderen Klientelstaaten, namentlich Kappadokien, in gleicher Weise nach
dem Ableben der derzeitigen Inhaber in kaiserliche Statthalterschaften
verwandelt werden. Dies war ein Fortschritt, insofern die Milizen dieser
Landschaften damit der Reichsarmee inkorporiert und unter roemische Offiziere
gestellt wurden; einen ernstlichen Druck auf die unsicheren Grenzlandschaften
oder gar auf den benachbarten Grossstaat konnten diese Truppen nicht ausueben,
wenn sie auch jetzt zu denen des Reiches zaehlten. Aber alle diese Erwaegungen
wurden ueberwogen durch die Ruecksicht auf die Herabdrueckung der Ziffer des
stehenden Heeres und der Ausgabe fuer das Heerwesen auf das moeglichst niedrige
Mass.
Ebenso ungenuegend waren den augenblicklichen Verhaeltnissen gegenueber die
auf der Heimkehr von Alexandreia von Augustus getroffenen Massregeln. Er gab dem
vertriebenen Koenig der Meder die Herrschaft von Klein-Armenien und dem
parthischen Praetendenten Tiridates ein Asyl in Syrien, um durch jenen den in
offener Feindseligkeit gegen Rom verharrenden Koenig Artaxes in Schach zu
halten, durch diesen auf den Koenig Phraates zu druecken. Die mit diesem wegen
der Rueckgabe der parthischen Siegestrophaeen angeknuepften Verhandlungen zogen
sich ergebnislos hin, obwohl Phraates im Jahre 731 (23), um die Entlassung eines
zufaellig in die Gewalt der Roemer geratenen Sohnes zu erlangen, die Rueckgabe
zugesichert hatte.
Erst als Augustus im Jahre 734 (20) sich persoenlich nach Syrien begab und
Ernst zeigte, fuegten sich die Orientalen. In Armenien, wo eine maechtige Partei
sich gegen den Koenig Artaxes erhoben hatte, warfen sich die Insurgenten den
Roemern in die Arme und erbaten fuer des Artaxes juengeren, am kaiserlichen Hof
erzogenen und in Rom lebenden Bruder Tigranes die kaiserliche Belehnung. Als des
Kaisers Stiefsohn Tiberius Claudius Nero, damals ein 22jaehriger Juengling, mit
Heeresmacht in Armenien einrueckte, wurde Koenig Artaxes von seinen eigenen
Verwandten ermordet, und Tigranes empfing die koenigliche Tiara aus der Hand des
kaiserlichen Vertreters, wie sie fuenfzig Jahre frueher sein gleichnamiger
Grossvater von Pompeius empfangen hatte. Atropatene wurde wieder von Armenien
getrennt und kam unter die Herrschaft eines ebenfalls in Rom erzogenen
Herrschers, des Ariobarzanes, Sohnes des frueher erwaehnten Artavazdes; doch
scheint dieser das Land nicht als roemisches, sondern als parthisches Lehnsreich
erhalten zu haben. Ueber die Ordnung der Dinge in den Fuerstentuemern am
Kaukasus erfahren wir nichts; aber da sie spaeter unter die roemischen
Klientelstaaten gerechnet werden, so hat wahrscheinlich damals auch hier der
roemische Einfluss obgesiegt. Selbst Koenig Phraates, jetzt vor die Wahl
gestellt, sein Wort einzuloesen oder zu schlagen, entschloss sich schweren
Herzens zu der die nationalen Gefuehle der Seinen empfindlich verletzenden
Herausgabe der wenigen noch lebenden roemischen Kriegsgefangenen und der
gewonnenen Feldzeichen.
Unendlicher Jubel begruesste diesen, von dem Fuersten des Friedens
errungenen unblutigen Sieg. Auch bestand nach demselben mit dem Partherkoenig
laengere Zeit ein freundschaftliches Verhaeltnis, wie denn die unmittelbaren
Interessen der beiden Grossstaaten sich wenig stiessen. In Armenien dagegen
hatte die roemische Lehnsherrschaft, die nur auf sich selbst ruhte, der
nationalen Opposition gegenueber einen schweren Stand. Nach dem fruehen Tode des
Koenigs Tigranes schlugen dessen Kinder oder die unter ihrem Namen regierenden
Staatsleiter sich selber zu dieser. Gegen sie wurde von den Roemerfreunden ein
anderer Herrscher, Artavazdes, aufgestellt; aber er vermochte nicht gegen die
staerkere Gegenpartei durchzudringen. Diese armenischen Wirren stoerten auch das
Verhaeltnis zu den Parthern; es lag in der Sache, dass die antiroemisch
gesinnten Armenier sich auf diese zu stuetzen suchten, und auch die Arsakiden
konnten nicht vergessen, dass Armenien frueher eine parthische Sekundogenitur
gewesen war. Unblutige Siege sind oft schwaechliche und gefaehrliche. Es kam so
weit, dass die roemische Regierung im Jahre 748 (6) demselben Tiberius, der
vierzehn Jahre zuvor den Tigranes als Lehnskoenig von Armenien eingesetzt hatte,
den Auftrag erteilte, abermals mit Heeresmacht dort einzuruecken und die
Verhaeltnisse noetigenfalls mit Waffengewalt zu ordnen. Aber das Zerwuerfnis in
der kaiserlichen Familie, welches die Unterwerfung der Germanen unterbrochen
hatte, griff auch hier ein und hatte die gleiche ueble Wirkung. Tiberius lehnte
den Auftrag des Stiefvaters ab, und in Ermangelung eines geeigneten prinzlichen
Feldherrn sah die roemische Regierung einige Jahre hindurch wohl oder uebel dem
Schalten der antiroemischen Partei in Armenien unter Parthisches Schutz untaetig
zu. Endlich im Jahre 753 (1) wurde dem aelteren Adoptivsohn des Kaisers, dem
zwanzigjaehrigen Gaius Caesar, nicht bloss derselbe Auftrag erteilt, sondern es
sollte, wie der Vater hoffte, die Unterwerfung Armeniens der Anfang groesserer
Dinge sein, der Orientfeldzug des zwanzigjaehrigen Kronprinzen man moechte fast
sagen die Alexanderfahrt fortsetzen. Vom Kaiser beauftragte oder dem Hofe
nahestehende Literaten, der Geograph Isidoros, selber an der Euphratmuendung zu
Hause, und der Vertreter der griechischen Gelehrsamkeit unter den
Fuerstlichkeiten des Augustischen Kreises, Koenig Juba von Mauretanien,
widmeten, jener seine im Orient selbst eingezogenen Erkundigungen, dieser
literarische Kollektaneen ueber Arabien, dem jungen Prinzen, der vor Begierde zu
brennen schien, mit der Eroberung Arabiens, ueber welche Alexander weggestorben
war, einen vor laengerer Zeit dort eingetretenen Misserfolg des Augustfischen
Regiments glaenzend zu begleichen. Zunaechst fuer Armenien war diese Sendung
ebenso von Erfolg wie die des Tiberius. Der roemische Kronprinz und der
parthische Grosskoenig Phraatakes trafen persoenlich auf einer Insel des Euphrat
zusammen; die Parther gaben wieder einmal Armenien auf und die nahegerueckte
Gefahr eines parthischen Krieges ward abgewandt, das gestoerte Einvernehmen
wenigstens aeusserlich wiederhergestellt. Den Armeniern setzte Gaius den
Ariobarzanes, einen Prinzen aus dem medischen Fuerstenhause, zum Koenig, und die
Oberherrschaft Roms wurde abermals befestigt. Indes fuegten die antiroemisch
gesinnten Armenier sich nicht ohne Widerstand; es kam nicht bloss zum Einruecken
der Legionen, sondern auch zum Schlagen. Vor den Mauern des armenischen Kastells
Artageira empfing der junge Kronprinz von einem parthischen Offizier durch
tueckische List die Wunde (2 n. Chr.), an der er nach monatelangem Siechen
hinstarb. Die Verschlingung der Reichs- und der dynastischen Politik bestrafte
sich aufs neue. Der Tod eines jungen Mannes aenderte den Gang der grossen
Politik; die so zuversichtlich dem Publikum angekuendigte arabische Expedition
fiel weg, nachdem ihr Gelingen dem Sohn des Kaisers nicht mehr den Weg zur
Nachfolge ebnen konnte. Auch an weitere Unternehmungen am Euphrat wurde nicht
mehr gedacht; das Naechste, die Besetzung Armeniens und die Wiederherstellung
der Beziehungen zu den Parthern war erreicht, wie truebe Schatten auch durch den
Tod des Kronprinzen auf diesen Erfolg fielen.
Bestand hatte derselbe so wenig wie der der glaenzenderen Expedition des
Jahres 734 (20). Die von Rom eingesetzten Herrscher Armeniens wurden bald von
denen der Gegenpartei unter versteckter oder offener Beteiligung der Parther
bedraengt oder verdraengt. Als der in Rom erzogene parthische Prinz Vonones auf
den erledigten parthischen Thron berufen ward, hofften die Roemer an ihm eine
Stuetze zu finden; allein eben deswegen musste er bald ihn raeumen, und an seine
Stelle kam Koenig Artabanos von Medien, ein muetterlicherseits den Arsakiden
entsprossener, aber dem skythischen Volke der Daker angehoeriger und in
einheimischer Sitte aufgewachsener tatkraeftiger Mann (um 10 n. Chr.). Vonones
ward damals von den Armeniern als Herrscher aufgenommen und damit diese unter
roemischem Einfluss gehalten. Aber um so weniger konnte Artabanos seinen
verdraengten Nebenbuhler als Nachbarfuersten dulden; die roemische Regierung
haette, um den fuer seine Stellung in jeder Hinsicht ungeeigneten Mann zu
halten, Waffengewalt gegen die Parther wie gegen seine eigenen Untertanen
anwenden muessen. Tiberius, der inzwischen zur Regierung gekommen war, liess
nicht sofort einruecken, und fuer den Augenblick siegte in Armenien die
antiroemische Partei; aber es war nicht seine Absicht, auf das wichtige
Grenzland zu verzichten. Im Gegenteil wurde die wahrscheinlich laengst
beschlossene Einziehung des Koenigreichs Kappadokien im Jahre 17 zur Ausfuehrung
gebracht: der alte Archelaos, der dort seit dem Jahre 718 (36) den Thron
einnahm, ward nach Rom berufen und ihm hier angekuendigt, dass er aufgehoert
habe zu regieren. Ebenso kam das kleine, aber wegen der Euphratuebergaenge
wichtige Koenigreich Kommagene damals unter unmittelbare kaiserliche Verwaltung.
Damit war die unmittelbare Reichsgrenze bis an den mittleren Euphrat
vorgeschoben. Zugleich ging der Kronprinz Germanicus, der soeben am Rhein mit
grosser Auszeichnung kommandiert hatte, mit ausgedehnter Machtvollkommenheit
nach dem Osten, um die neue Provinz Kappadokien zu ordnen und das gesunkene
Ansehen der Reichsgewalt wiederherzustellen. Auch diese Sendung kam bald und
leicht zum Ziel. Germanicus, obwohl von dem Statthalter Syriens, Gnaeus Piso,
nicht mit derjenigen Truppenmacht unterstuetzt, die er fordern durfte und
gefordert hatte, ging nichtsdestoweniger nach Armenien und brachte durch das
blosse Gewicht seiner Persoenlichkeit und seiner Stellung das Land zum Gehorsam
zurueck. Den unfaehigen Vonones liess er fallen und setzte den Armeniern, den
Wuenschen der roemisch gesinnten Vornehmen entsprechend, zum Herrscher einen
Sohn jenes Polemon, den Antonius zum Koenig im Pontus gemacht hatte, den Zenon
oder, wie er als Koenig von Armenien heisst, Artaxias; dieser war einerseits dem
kaiserlichen Hause verbunden durch seine Mutter, die Koenigin Pythodoris, eine
Enkelin des Triumvirn Antonius, andererseits nach Landesart erzogen, ein
tuechtiger Waidmann und bei dem Gelag ein tapferer Zecher. Auch der Grosskoenig
Artabanos kam dem roemischen Prinzen in freundschaftlicher Weise entgegen und
bat nur um Entfernung seines Vorgaengers Vonones aus Syrien, um den zwischen
diesem und den unzufriedenen Parthern sich anspinnenden Zettelungen zu steuern.
Da Germanicus dieser Bitte entsprach und den unbequemen Fluechtling nach
Kilikien schickte, wo er bald darauf bei einem Fluchtversuch umkam, stellten
zwischen den beiden Grossstaaten die besten Beziehungen sich her. Artabanos
wuenschte sogar, mit Germanicus am Euphrat persoenlich zusammenzukommen, wie
dies auch Phraatakes und Gaius getan hatten; dies aber lehnte Germanicus ab,
wohl mit Ruecksicht auf Tiberius' leicht erregten Argwohn. Freilich fiel auf
diese orientalische Expedition derselbe truebe Schatten wie auf die
letztvorhergehende; auch von dieser kam der Kronprinz des Roemischen Reiches
nicht lebend heim.
Eine Zeitlang taten die getroffenen Einrichtungen ihren Dienst. So lange
Tiberius mit sicherer Hand die Herrschaft fuehrte und so lange Koenig Artaxias
von Armenien lebte, blieb im Orient Ruhe; aber in den letzten Jahren des alten
Kaisers, als derselbe von seiner einsamen Insel aus die Dinge gehen liess und
vor jedem Eingreifen zurueckscheute, und insbesondere nach dem Tode des Artaxias
(um 34) begann das alte Spiel abermals. Koenig Artabanos, gehoben durch sein
langes und glueckliches Regiment und durch vielfache, gegen die Grenzvoelker
Irans erstrittene Erfolge und ueberzeugt, dass der alte Kaiser keine Neigung
haben werde, einen schweren Krieg im Orient zu beginnen, bewog die Armenier,
seinen eigenen aeltesten Sohn, den Arsakes, zum Herrscher auszurufen, das heisst
die roemische Oberherrlichkeit mit der parthischen zu vertauschen. Ja er schien
es geradezu auf den Krieg mit Rom anzulegen; er forderte die Verlassenschaft
seines in Kilikien umgekommenen Vorgaengers und Rivalen Vonones von der
roemischen Regierung, und seine Schreiben an diese sprachen ebenso unverhuellt
aus, dass der Orient den Orientalen gehoere, wie sie die Greuel am kaiserlichen
Hofe, die man in Rom sich nur im vertrautesten Kreise zuzufluestern wagte, bei
ihrem rechten Namen nannten. Er soll sogar einen Versuch gemacht haben, sich in
Besitz von Kappadokien zu setzen. Aber indem alten Loewen hatte er sich
verrechnet. Tiberius war auch auf Capreae nicht bloss den Hofleuten furchtbar
und nicht der Mann, sich und in sich Rom ungestraft verhoehnen zu lassen. Er
sandte den Lucius Vitellius, den Vater des spaetem Kaisers, einen entschlossenen
Offizier und geschickten Diplomaten, nach dem Orient mit aehnlicher
Machtvollkommenheit, wie sie frueher Gaius Caesar und Germanicus gehabt hatten,
und mit dem Auftrag, noetigenfalls die syrischen Legionen ueber den Euphrat zu
fuehren. Zugleich wandte er das oft erprobte Mittel an, den Herrschern des
Ostens durch Insurrektionen und Praetendenten in ihrem eigenen Lande zu schaffen
zu machen. Dem Partherprinzen, den die armenischen Nationalen zum Herrscher
ausgerufen hatten, stellte er einen Fuersten aus dem Koenigshaus der Iberer
entgegen, den Mithradates, des Ibererkoenigs Pharasmanes Bruder, und wies diesen
sowie den Fuersten der Albaner an, den roemischen Praetendenten fuer Armenien
mit Heeresmacht zu unterstuetzen. Von den streitbaren und fuer jeden Werber
leicht zugaenglichen transkaukasischen Sarmaten wurden grosse Scharen mit
roemischem Golde fuer den Einfall in Armenien gedungen. Es gelang auch dem
roemischen Praetendenten, seinen Nebenbuhler durch bestochene Hofleute zu
vergiften und sich des Landes und der Hauptstadt Artaxata zu bemaechtigen.
Artabanos sandte an des Ermordeten Stelle einen anderen Sohn, Orodes, nach
Armenien und versuchte auch seinerseits transkaukasische Hilfstruppen zu
beschaffen; aber nur wenige kamen nach Armenien durch, und die parthischen
Reiterscharen waren der guten Infanterie der Kaukasusvoelker und den
gefuerchteten sarmatischen berittenen Schuetzen nicht gewachsen. Orodes wurde in
harter Feldschlacht ueberwunden und selbst im Zweikampf mit seinem Rivalen
schwer verwundet. Da brach Artabanos selber nach Armenien auf. Nun aber setzte
auch Vitellius die syrischen Legionen in Bewegung, um den Euphrat zu
ueberschreiten und in Mesopotamien einzufallen; und dies brachte die lange
gaerende Insurrektion im Partherreiche zum Ausbruch. Das energische und mit den
Erfolgen selbst immer schroffere Auftreten des skythischen Herrschers hatte
viele Personen und Interessen verletzt, insbesondere die mesopotamischen
Griechen und die maechtige Stadtgemeinde von Seleukeia, welcher er ihre nach
griechischer Art demokratische Gemeindeverfassung genommen hatte, ihm abwendig
gemacht. Das roemische Gold naehrte die sich vorbereitende Bewegung.
Unzufriedene Adlige hatten schon frueher sich mit der roemischen Regierung in
Verbindung gesetzt und einen echten Arsakiden von dieser erbeten. Tiberius hatte
des Phraates einzigen ueberlebenden, dem Vater gleichnamigen Sohn und, nachdem
der alte roemisch gewoehnte Mann den Anstrengungen noch in Syrien erlegen war,
an dessen Stelle einen ebenfalls in Rom lebenden Enkel des Phraates namens
Tiridates geschickt. Der parthische Fuerst Sinnakes, der Fuehrer dieser
Zettelungen, kuendigte jetzt dem Skythen den Gehorsam und pflanzte das Banner
der Arsakiden auf. Vitellius ueberschritt mit den Legionen den Euphrat und in
seinem Gefolge der neue Grosskoenig von roemischen Gnaden. Der parthische
Statthalter von Mesopotamien, Ornospades, der einst als Verbannter unter
Tiberius den pannonischen Krieg mitgemacht hatte, stellte sich und seine Truppen
sofort dem neuen Herrn zur Verfuegung des Sinnakes Vater Abdagaeses lieferte den
Reichsschatz aus; in kuerzester Zeit sah sich Artabanos von dem ganzen Lande
verlassen und gezwungen, in seine skythische Heimat zu fluechten, wo er als
unsteter Mann in den Waeldern herumirrte und mit seinem Bogen sich das Leben
fristete, waehrend dem Tiridates von den nach parthischer Staatsordnung zur
Kroenung des Herrschers berufenen Fuersten in Ktesiphon feierlich die Tiara aufs
Haupt gesetzt ward. Indes die Herrschaft des von dem Reichsfeind geschickten
neuen Grosskoenigs waehrte nicht lange. Das Regiment, welches weniger er
fuehrte, ein junger unerfahrener und untuechtiger Mann, als die ihn zum Koenig
gemacht hatten, vornehmlich Abdagaeses, rief bald Opposition hervor. Einige der
vornehmsten Satrapen waren schon bei der Kroenungsfeier ausgeblieben und zogen
den vertriebenen Herrscher wieder aus der Verbannung hervor; mit ihrem Beistand
und den von seinen skythischen Landsleuten gestellten Mannschaften kehrte
Artabanos zurueck, und schon im folgenden Jahre (36) war das ganze Reich mit
Ausnahme von Seleukeia wieder in seiner Gewalt, Tiridates ein fluechtiger Mann
und genoetigt, bei seinen roemischen Beschuetzern die Zuflucht zu heischen, die
ihm nicht versagt werden konnte. Vitellius fuehrte die Legionen abermals an den
Euphrat; aber da der Grosskoenig persoenlich erschien und sich zu allem
Verlangten bereit erklaerte, falls die roemische Regierung von Tiridates
abstehe, war der Friede bald geschlossen. Artabanos erkannte nicht bloss den
Mithradates als Koenig von Armenien an, sondern brachte auch dem Bildnis des
roemischen Kaisers die Huldigung dar, die von den Lehnsmannen gefordert zu
werden pflegte, und stellte seinen Sohn Dareios den Roemern als Geisel. Darueber
war der alte Kaiser gestorben; aber diesen so unblutigen wie vollstaendigen Sieg
seiner Politik ueber die Auflehnung des Orients hat er noch erlebt.
Was die Klugheit des Greises erreicht hatte, verdarb sofort der Unverstand
des Nachfolgers. Abgesehen davon, dass er verstaendige Einrichtungen des
Tiberius rueckgaengig machte, zum Beispiel das eingezogene Koenigreich Kommagene
wiederherstellte, goennte sein toerichter Neid dem toten Kaiser den erreichten
Erfolg nicht; den tuechtigen Statthalter von Syrien wie den neuen Koenig von
Armenien lud er zur Verantwortung nach Rom vor, setzte den letzteren ab und
schickte ihn, nachdem er ihn eine Zeitlang gefangen gehalten hatte, ins Exil.
Selbstverstaendlich griff die parthische Regierung zu und nahm das herrenlose
Armenien wiederum in Besitz ^28. Claudius hatte, als er im Jahre 41 zur
Regierung kam, die getane Arbeit von neuem zu beginnen. Er verfuhr nach dem
Beispiel des Tiberius. Mithradates, aus dem Exil zurueckgerufen, wurde wieder
eingesetzt und angewiesen, mit Hilfe seines Bruders sich Armeniens zu
bemaechtigen. Der damals zwischen den drei Soehnen des Koenigs Artabanos III.
gefuehrte Bruderkrieg im Partherreich ebnete den Roemern den Weg. Nach der
Ermordung des aeltesten Sohnes stritten Jahre lang Gotarzes und Vardanes um den
Thron; Seleukeia, das schon dem Vater den Gehorsam aufgekuendigt hatte, trotzte
sieben Jahre hindurch ihm und nachher den Soehnen; die Voelker Turans griffen
wie immer auch in diesen Hader der Fuersten Irans ein. Mithradates vermochte mit
Hilfe der Truppen seines Bruders und der Garnisonen der benachbarten roemischen
Provinzen die parthisch Gesinnten in Armenien zu ueberwaeltigen und sich wieder
zum Herrn daselbst zu machen ^29; das Land erhielt roemische Besatzung. Nachdem
Vardanes sich mit dem Bruder verglichen und endlich Seleukeia wieder eingenommen
hatte, machte er Miene, in Armenien einzuruecken; aber die drohende Haltung des
roemischen Legaten von Syrien hielt ihn ab und sehr bald brach der Bruder den
Vergleich und begann der Buergerkrieg aufs neue. Nicht einmal die Ermordung des
tapferen und im Kampf mit den Voelkern Turans siegreichen Vardanes setzte
demselben ein Ziel; die Gegenpartei wendete sich nun nach Rom und erbat sich von
der dortigen Regierung den dort lebenden Sohn des Vonones, den Prinzen
Meherdates, welcher dann auch vom Kaiser Claudius vor dem versammelten Senat den
Seinigen zur Verfuegung gestellt und nach Syrien entlassen ward mit der
Ermahnung, sein neues Reich gut und gerecht zu verwalten und der roemischen
Schutzfreundschaft eingedenk zu bleiben (Jahr 49). Er kam nicht in die Lage, von
diesen Ermahnungen Anwendung zu machen. Die roemischen Legionen, die ihm bis zum
Euphrat das Geleit gaben, uebergaben ihn dort denen, die ihn gerufen hatten, dem
Haupt des maechtigen Fuerstengeschlechts der Karen und den Koenigen Abgaros von
Edessa und Izates von Adiabene. Der unerfahrene und unkriegerische Juengling war
der Aufgabe so wenig gewachsen wie alle anderen von den Roemern aufgestellten
parthischen Herrscher; eine Anzahl seiner namhaftesten Anhaenger verliessen ihn,
so wie sie ihn kennenlernten und gingen zu Gotarzes; in der entscheidenden
Schlacht gab der Fall des tapferen Karen den Ausschlag. Meherdates wurde
gefangen und nicht einmal hingerichtet, sondern nur nach orientalischer Sitte
durch Verstuemmelung der Ohren regierungsunfaehig gemacht.
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^28 Der Bericht ueber die Besitzergreifung Armeniens fehlt, aber die
Tatsache geht aus Tac. ann. 11, 9 deutlich hervor. Wahrscheinlich gehoert
hierher, was Josephus (bel. Iud. 20 3, 3) von der Absicht des Nachfolgers des
Artabanos erzaehlt, gegen die Roemer Krieg zu fuehren wovon der Satrap von
Adiabene, Izates, ihn vergebens abmahnt. Josephus nennt diesen Nachfolger wohl
irrig Bardanes. Artabanos' III. unmittelbarer Nachfolger war nach Tac. ann. 11,
8 sein gleichnamiger Sohn, den nebst seinem Sohn dann Gotarzes aus dem Wege
raeumte; und dieser Artabanos IV. wird hier gemeint sein.
^29 Die Meldung des Petrus Patricius (fr. 3 Muell.), dass der Koenig
Mithradates von Iberien den Abfall von Rom geplant, aber, um den Schein der
Treue zu wahren, seinen Bruder Kotys an Claudius gesandt habe und dann, da
dieser dem Kaiser von jenen Umtrieben Anzeige gemacht, abgesetzt und durch den
Bruder ersetzt worden sei vertraegt sich nicht mit der gesicherten Tatsache,
dass in Iberien wenigstens vom Jahr 35 (Tac. ann. 6, 32) bis zum Jahr 60 (Tac.
ann. 14, 26) Pharasmanes, im Jahre 75 dessen Sohn Mithradates (CIL III, 6052)
geherrscht hat. Ohne Zweifel hat Petrus den Mithradates von Iberien und den
gleichnamigen Koenig des Bosporus zusammengeworfen und liegt hier die Erzaehlung
zu Grunde, welche Tacitus (ann. 12, 18) voraussetzt.
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Trotz dieser Niederlage der roemischen Politik im Partherreich blieb
Armenien den Roemern, solange der schwache Gotarzes ueber die Parther herrschte.
Aber sowie eine kraeftigere Hand die Zuegel der Herrschaft fasste und die
inneren Kaempfe ruhten, ward auch der Kampf um jenes Land wieder aufgenommen.
Koenig Vologasos, der nach dem Tode des Gotarzes und dem kurzen Regiment
Vonones' II, diesem seinem Vater im Jahre 51 sukzedierte ^30, bestieg den Thron
ausnahmsweise in vollem Einverstaendnis mit seinen beiden Bruedern Pakoros und
Tiridates. Er war ein faehiger und umsichtiger Regent - auch als Staedtegruender
finden wir ihn und mit Erfolg bemueht, den Handel von Palmyra nach seiner Stadt
Vologasias am unteren Euphrat zu lenken -, raschen und extremen Entschluessen
abgeneigt und bemueht, mit dem maechtigen Nachbarn womoeglich Frieden zu halten.
Aber die Rueckgewinnung Armeniens war der leitende politische Gedanke der
Dynastie und auch er bereit, jede Gelegenheit zu seiner Verwirklichung zu
benutzen. Diese Gelegenheit schien jetzt sich zu bieten. Der armenische Hof war
der Schauplatz einer der entsetzlichsten Familientragoedien geworden, die die
Geschichte verzeichnet. Der alte Koenig der Iberer, Pharasmanes, unternahm es,
seinen Bruder, den Koenig von Armenien Mithradates, vom Thron zu stossen und
seinen eigenen Sohn Rhadamistos an dessen Stelle zu setzen. Unter dem Vorwande
eines Zerwuerfnisses mit dem Vater erschien Rhadamistos bei seinem Oheim und
Schwiegervater und knuepfte mit angesehenen Armeniern Verhandlungen in jenem
Sinne an. Nachdem er sich eines Anhangs versichert hatte, ueberzog Pharasmanes
im Jahre 52 unter nichtigen Vorwaenden den Bruder mit Krieg und brachte auch das
Land in seine oder vielmehr seines Sohnes Gewalt. Mithradates stellte sich unter
den Schutz der roemischen Besatzung des Kastells Gorneae ^31. Diese anzugreifen
wagte Rhadamistos nicht; aber der Kommandant Caelius Pollio war als
nichtswuerdig und feil bekannt. Der unter ihm den Befehl fuehrende Centurio
begab sich zu Pharasmanes, um ihn zur Zurueckrufung seiner Truppen zu bestimmen,
was dieser wohl versprach, aber nicht hielt. Waehrend der Abwesenheit des
Zweitkommandierenden noetigte Pollio den Koenig, der wohl ahnte, was ihm
bevorstand, durch die Drohung, ihn im Stiche zu lassen, sich dem Rhadamistos in
die Haende zu liefern. Von diesem wurde er umgebracht, mit ihm seine Gattin, des
Rhadamistos' Schwester und die Kinder derselben, weil sie im Anblick der Leichen
ihrer Eltern in Jammergeschrei ausbrachen. Auf diese Weise gelangte Rhadamistos
zur Herrschaft von Armenien. Die roemische Regierung durfte weder solchen, von
ihren Offizieren mitverschuldeten Greueln zusehen noch dulden, dass einer ihrer
Lehnstraeger den andern mit Krieg ueberzog. Nichtsdestoweniger erkannte der
Statthalter von Kappadokien, Iulius Paelignus, den neuen Koenig von Armenien an.
Auch im Rat des Statthalters von Syrien, Ummidius Quadratus, ueberwog die
Meinung, dass es den Roemern gleichgueltig sein koenne, ob der Oheim oder der
Neffe ueber Armenien herrsche; der nach Armenien mit einer Legion gesendete
Legat erhielt nur den Auftrag, den Status quo bis auf weiteres aufrecht zu
halten. Da hielt der Partherkoenig, in der Voraussetzung, dass die roemische
Regierung sich nicht beeifern werde, fuer den Koenig Rhadamistos einzutreten,
den Moment fuer geeignet, seine alten Ansprueche auf Armenien wieder
aufzunehmen. Er belehnte mit Armenien seinen Bruder Tiridates, und die
einrueckenden parthischen Truppen bemaechtigten sich fast ohne Schwertstreich
der beiden Hauptstaedte Tigranokerta und Artaxata und des ganzen Landes. Als
Rhadamistos einen Versuch machte, den Preis seiner Bluttaten festzuhalten,
schlugen die Armenier selbst ihn zum Lande hinaus. Die roemische Besatzung
scheint nach der Uebergabe von Gorneae Armenien verlassen zu haben; die aus
Syrien in Marsch gesetzte Legion zog der Statthalter zurueck, um nicht mit den
Parthern in Konflikt zu geraten.
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^30 Wenn die Muenzen, die freilich meistens nur nach der
Bildnisaehnlichkeit sich scheiden lassen, richtig attributiert sind, so reichen
die des Gotarzes bis Sel. 362 Daesius = n. Chr. 51, Juni und beginnen die des
Volagasos (von Vonones II. kennen wir keine) mit Sel. 362 Gorpiaeus = n. Chr.
51, September (Gardner, Parthian coinage, S. 50, 51), was mit Tacitus (ann. 12,
14, 44) uebereinstimmt.
^31 Gorneae, bei den Armeniern Garhni, wie die Ruine (nahe, oestlich von
Eriwan) noch jetzt genannt wird. Kiepert.
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Als diese Kunde nach Rom kam (Ende 54), war Kaiser Claudius eben gestorben
und regierten fuer den jungen siebzehnjaehrigen Nachfolger tatsaechlich die
Minister Burrus und Seneca. Das Vorgehen des Vologasos konnte nur mit der
Kriegserklaerung beantwortet werden. In der Tat sandte die roemische Regierung
nach Kappadokien, das sonst Statthalterschaft zweiten Ranges und nicht mit
Legionen belegt war, ausnahmsweise den konsularischen Legaten Gnaeus Domitius
Corbulo. Er war als Schwager des Kaisers Gaius rasch vorwaerts gekommen, dann
unter Claudius im Jahre 47 Legat von Untergermanien gewesen und galt seitdem als
einer der damals nicht zahlreichen tuechtigen, die vielfach verfallene Disziplin
energisch handhabenden Heerfuehrer, selbst eine herkulische Gestalt, jeder
Strapaze gewachsen und nicht bloss dem Feind, sondern auch seinen eigenen
Soldaten gegenueber von ruecksichtslosem Mut. Es schien ein Zeichen des
Besserwerdens der Dinge, dass die Neronische Regierung das erste von ihr zu
besetzende wichtige Kommando an ihn vergab. Der unfaehige syrische Legat von
Syrien, Quadratus, wurde nicht abgerufen, aber angewiesen, zwei von seinen vier
Legionen dem Statthalter der Nachbarprovinz zur Verfuegung zu stellen. Die
Legionen alle wurden an den Euphrat herangezogen und die sofortige Schlagung der
Bruecken ueber den Fluss angeordnet. Die beiden westlich zunaechst an Armenien
grenzenden Landschaften Klein-Armenien und Sophene wurden zwei zuverlaessigen
syrischen Fuersten, dem Aristobulos aus einem Seitenzweig des herodischen Hauses
und dem Sohaemos aus der Herrscherfamilie von Hemesa zugeteilt und beide unter
Corbulos Befehle gestellt. Der Koenig des damals noch uebrigen Restes des
Judenstaats Agrippa und der Koenig von Kommagene Antiochos erhielten ebenfalls
Marschbefehl. Indes zunaechst kam es nicht zum Schlagen. Die Ursache lag zum
Teil in dem Zustand der syrischen Legionen; es war ein schlimmes Armutszeugnis
fuer die bisherige Verwaltung, dass Corbulo die ihm ueberwiesenen Truppen
geradezu als unbrauchbar bezeichnen musste. Die in den griechischen Provinzen
ausgehobenen und garnisonierenden Legionen waren immer geringer gewesen als die
okzidentalischen; jetzt hatte die entnervende Gewalt des Orients bei dem langen
Friedensstand und der schlaffen Heereszucht dieselben voellig demoralisiert. Die
Soldaten hielten mehr in den Staedten sich auf als in den Lagern; nicht wenige
derselben waren des Waffentragens entwoehnt und wussten nichts von Lagerschlagen
und Wachdienst; die Regimenter waren lange nicht ergaenzt und enthielten
zahlreiche alte unbrauchbare Leute; Corbulo hatte zunaechst eine grosse Anzahl
von Soldaten zu entlassen und in noch viel groesserer Zahl Rekruten auszuheben
und auszubilden. Der Wechsel der bequemen Winterquartiere am Orontes mit denen
in den rauben armenischen Bergen, die ploetzliche Einfuehrung unerbittlich
strenger Lagerzucht fuehrte vielfach Erkrankungen herbei und veranlasste
zahlreiche Desertionen. Trotz allem dem sah sich der Feldherr, als es Ernst
ward, genoetigt, um Zusendung einer der besseren Legionen des Okzidents zu
bitten. Unter diesen Umstaenden beeilte er sich nicht, seine Soldaten an den
Feind zu bringen; indes waren doch dabei ueberwiegend politische Ruecksichten
massgebend.
Waere es die Absicht der roemischen Regierung gewesen, den parthischen
Herrscher sofort aus Armenien zu vertreiben, und zwar nicht den Rhadamistos, mit
dessen Blutschuld die Roemer keine Veranlassung hatten, sich zu beflecken, aber
irgendeinen anderen Fuersten ihrer Wahl an dessen Stelle zu setzen, so haetten
dazu die Streitkraefte Corbulos wohl sofort ausgereicht, da Koenig Vologasos,
wieder einmal durch innere Unruhen abgezogen, seine Truppen aus Armenien
weggefuehrt hatte. Aber dies lag nicht im Plane der Roemer; man wollte dort
vielmehr das Regiment des Tiridates sich gefallen lassen und ihn nur zur
Anerkennung der roemischen Oberherrlichkeit bestimmen und noetigenfalls zwingen;
nur zu diesem Zweck sollten aeussersten Falls die Legionen marschieren. Es kam
dies der Sache nach der Abtretung Armeniens an die Parther sehr nahe. Was fuer
diese sprach und was sie verhinderte, ist frueher entwickelt worden. Wurde jetzt
Armenien als parthische Sekundogenitur geordnet, so war die Anerkennung des
roemischen Lehnsrechts wenig mehr als eine Formalitaet, genau genommen nichts
als eine Deckung der militaerischen und politischen Ehre. Also hat die Regierung
der frueheren neronischen Zeit, der notorisch an Einsicht und Energie wenige
gleich kamen, beabsichtigt, sich Armeniens in schicklicher Weise zu entledigen;
und es kann das nicht verwundern. Man schoepfte hier in der Tat in das Sieb. Der
Besitz Armeniens war wohl im Jahre 20 v. Chr. durch Tiberius, dann durch Gaius
im Jahre 2, durch Germanicus im Jahre 18, durch Vitellius im Jahre 36 im Lande
selbst wie bei den Parthern zur Geltung und Anerkennung gebracht worden. Aber
eben diese regelmaessig sich wiederholenden und regelmaessig von Erfolg
gekroenten und doch niemals zu dauernder Wirkung gelangenden ausserordentlichen
Expeditionen gaben den Parthern recht, wenn sie in den Verhandlungen unter Nero
behaupteten, dass die roemische Oberherrschaft ueber Armenien ein leerer Name,
das Land nun einmal parthisch sei und sein wolle. Zur Geltendmachung der
roemischen Obergewalt bedurfte es immer wenn nicht der Kriegfuehrung, doch der
Kriegdrohung, und die dadurch bedingte stetige Reibung machte den dauernden
Friedensstand zwischen den beiden benachbarten Grossmaechten unmoeglich. Die
Roemer hatten, wenn sie folgerichtig verfuhren, nur die Wahl, Armenien und das
linke Euphratufer ueberhaupt entweder durch Beseitigung der bloss mittelbaren
Herrschaft effektiv in ihre Gewalt zu bringen oder es soweit den Parthern zu
ueberlassen, als dies mit dem obersten Grundsatz des roemischen Regiments, keine
gleichberechtigte Grenzmacht anzuerkennen, sich vertrug. Augustus und die
bisherigen Regenten hatten die erstere Alternative entschieden abgelehnt, und
sie haetten also den zweiten Weg einschlagen sollen; aber auch diesen
abzulehnen, hatten sie wenigstens versucht und das parthische Koenigshaus von
der Herrschaft ueber Armenien ausschliessen wollen, ohne es zu koennen. Dies
muessen die leitenden Staatsmaenner der frueheren neronischen Zeit als einen
Fehler betrachtet haben, da sie Armenien den Arsakiden ueberliessen und sich auf
das denkbar geringste Mass von Rechten daran beschraenkten. Wenn die Gefahren
und die Nachteile, welche das Festhalten dieser nur aeusserlich dem Reich
anhaftenden Landschaft dem Staate brachte, gegen diejenigen abgewogen wurden,
welche die Partherherrschaft ueber Armenien fuer die Roemer nach sich zog, so
konnte, zumal bei der geringen Offensivkraft des Parthischen Reiches, die
Entscheidung wohl in dem letzteren Sinne gefunden werden: Unter allen Umstaenden
aber war diese Politik konsequent und suchte das auch von Augustus verfolgte
Ziel in klarerer und verstaendigerer Weise zu erreichen.
Von diesem Standpunkt aus versteht man, weshalb Corbulo und Quadratus,
statt den Euphrat zu ueberschreiten, mit Vologasos Verhandlungen anknuepften und
nicht minder, dass dieser, ohne Zweifel von den wirklichen Absichten der Roemer
unterrichtet, sich dazu verstand, in aehnlicher Weise wie sein Vorgaenger den
Roemern sich zu beugen und ihnen als Friedenspfand eine Anzahl dem koeniglichen
Hause nahestehender Geiseln zu ueberliefern. Die stillschweigend vereinbarte
Gegenleistung dafuer war die Duldung der Herrschaft des Tiridates ueber Armenien
und die Nichtaufstellung eines roemischen Praetendenten. So gingen einige Jahre
in faktischem Friedensstand hin. Aber da Vologasos und Tiridates sich nicht dazu
verstanden, um die Belehnung des letzteren mit Armenien bei der roemischen
Regierung einzukommen ^32, ergriff Corbulo im Jahre 58 gegen Tiridates die
Offensive. Eben die Politik des Zurueckweichens und Nachgehens bedurfte, wenn
sie bei Freund und Feind nicht als Schwaeche erscheinen sollte, der Folie, also
entweder der foermlichen und feierlichen Anerkennung der roemischen Obergewalt
oder besser noch des mit den Waffen gewonnenen Sieges.
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^32 Noch nach dem Angriff beschwerte Tiridates sich, cur datis nuper
obsidibus redintegrataque amicitia . . . vetere Armeniae possessione
depelleretur, und Corbulo stellte ihm, falls er sich bittweise an den Kaiser
wende, ein regnum stabile in Aussicht (Tac. ann. 12 37). Auch anderswo wird als
der eigentliche Kriegsgrund die Weigerung des Lehnseides bezeichnet (Tac. ann.
12, 34).
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Im Sommer des Jahres 58 fuehrte Corbulo eine leidlich schlagfaehige Armee
von mindestens 30000 Mann ueber den Euphrat. Die Reorganisation und die
Abhaertung der Truppen wurde durch die Kampagne selbst vollendet und das erste
Winterquartier auf armenischem Boden genommen. Im Fruehjahr 59 ^33 begann er den
Vormarsch in der Richtung auf Artaxata. Zugleich brachen in Armenien von Norden
her die Iberer ein, deren Koenig Pharasmanes, um seine eigenen Frevel zu
bedecken, seinen Sohn Rhadamistos hatte hinrichten lassen und nun weiter bemueht
war, durch gute Dienste seine Verschuldung in Vergessenheit zu bringen; nicht
minder ihre nordwestlichen Nachbarn, die tapferen Moscher, von Sueden Koenig
Antiochos von Kommagene. Koenig Vologasos war durch den Aufstand der Hyrkaner an
der entgegengesetzten Seite des Reiches festgehalten und konnte oder wollte in
den Kampf nicht unmittelbar eingreifen. Tiridates leistete mutigen Widerstand;
aber er vermochte nichts gegen die erdrueckende Uebermacht. Vergeblich versuchte
er sich auf die Verbindungslinien der Roemer zu werfen, die ihre Beduerfnisse
ueber das Schwarze Meer und den Hafen von Trapezus bezogen. Die Burgen Armeniens
fielen unter den Angriffen der stuermenden Roemer, und die Besatzungen wurden
bis auf den letzten Mann niedergemacht. In einer Feldschlacht unter den Mauern
von Artaxata geschlagen, gab Tiridates den ungleichen Kampf auf und ging zu den
Parthern. Artaxata ergab sich und hier, im Herzen von Armenien, ueberwinterte
das roemische Heer. Im Fruehjahr 60 brach Corbulo von dort auf, nachdem er die
Stadt niedergebrannt hatte, und marschierte quer durch das Land auf dessen
zweite Hauptstadt Tigranokerta oberhalb Nisibis im Tigrisgebiet. Der Schrecken
ueber die Zerstoerung Artaxatas ging ihm voraus; ernstlicher Widerstand wurde
nirgends geleistet; auch Tigranokerta oeffnete dem Sieger freiwillig die Tore,
der hier in wohlberechneter Weise die Gnade walten liess. Tiridates machte noch
einen Versuch, zurueckzukehren und den Kampf wieder aufzunehmen, wurde aber ohne
besondere Anstrengung abgewiesen. Am Ausgang des Sommers 60 war ganz Armenien
unterworfen und stand zur Verfuegung der roemischen Regierung.
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^33 Der Bericht bei Tacitus (ann. 13, 34-41) umfasst ohne Zweifel die
Kampagnen der Jahre 58 und 59, da Tacitus unter dem Jahr 59 von dem armenischen
Feldzug schweigt, unter dem Jahr 60 aber (ann. 14, 23) unmittelbar an 13, 41
anknuepft und offenbar nur einen einzigen Feldzug schildert, ueberhaupt, wo er
in dieser Weise zusammenfasst, in der Regel antizipiert. Dass der Krieg nicht
erst 59 angefangen haben kann, bestaetigt weiter die Tatsache, dass Corbulo die
Sonnenfinsternis vom 30. April 59 auf armenischem Boden beobachtete (Plin. nat.
2, 70, 180); waere er erst 59 eingerueckt, so konnte er so frueh im Jahre kaum
die feindliche Grenze ueberschritten haben. Einen Jahreinschnitt zeigt die
Erzaehlung des Tacitus (ann. 13, 34-41) an sich nicht, wohl aber laesst sie bei
seiner Art zu berichten die Moeglichkeit zu dass das erste Jahr mit dem
Ueberschreiten des Euphrat und der Festsetzung in Armenien verging, also der c.
35 erwaehnte Winter der des Jahres 58/59 ist, zumal da bei der Beschaffenheit
des Heeres eine derartige Kriegseinleitung wohl am Platze und bei dem kurzen
armenischen Sommer es militaerisch zweckmaessig war, den Einmarsch und die
eigentliche Kriegfuehrung also zu trennen.
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Es ist begreiflich, dass man in Rom jetzt von Tiridates absah. Der Prinz
Tigranes, ein Urenkel von vaeterlicher Seite Herodes' des Grossen, von
muetterlicher des Koenigs Archelaos von Kappadokien, auch dem alten armenischen
Koenigshause von weiblicher Seite verwandt und ein Neffe eines der ephemeren
Herrscher Armeniens aus den letzten Jahren des Augustus, in Rom erzogen und
durchaus ein Werkzeug der roemischen Regierung, wurde jetzt (60) von Nero mit
dem Koenigreich Armenien belehnt und auf des Kaisers Befehl von Corbulo in die
Herrschaft eingesetzt. Im Lande blieb roemische Besatzung, 1000 Legionarier und
drei- bis viertausend Reiter und Infanterie der Auxilien. Ein Teil der
Grenzlandschaften ward von Armenien abgetrennt und verteilt unter die
benachbarten Koenige Polemon von Pontus und Trapezus, Aristobulos von Klein-
Armenien, Pharasmanes von Iberien und Antiochos von Kommagene. Dagegen rueckte
der neue Herr von Armenien, natuerlich mit Einwilligung der Roemer, in die
angrenzende parthische Provinz Adiabene ein, schlug den dortigen Statthalter
Monobazos und schien auch diese Landschaft vom parthischen Staat abreissen zu
wollen.
Diese Wendung der Dinge noetigte die parthische Regierung, aus ihrer
Passivitaet herauszutreten; es handelte sich nun nicht mehr um die
Wiedergewinnung Armeniens, sondern um die Integritaet des Parthischen Reiches.
Die lange drohende Kollision zwischen den beiden Grossstaaten schien
unvermeidlich. Vologasos bestaetigte in einer Versammlung der Grossen des
Reiches den Tiridates wiederholt als Koenig von Armenien und sandte mit ihm den
Feldherrn Monaeses gegen den roemischen Usurpator des Landes, der in
Tigranokerta, welches die roemischen Truppen besetzt hielten, von den Parthern
belagert ward. Vologasos selbst zog die parthische Hauptmacht in Mesopotamien
zusammen und bedrohte (Anfang 61) Syrien. Corbulo, der nach Quadratus' Tode zur
Zeit in Kappadokien wie in Syrien das Kommando fuehrte, aber von der Regierung
die Ernennung eines anderen Statthalters fuer Kappadokien und Armenien erbeten
hatte, sandte vorlaeufig zwei Legionen nach Armenien, um Tigranes Beistand zu
leisten, waehrend er selbst an den Euphrat rueckte, um den Partherkoenig zu
empfangen. Indes es kam wieder nicht zum Schlagen, sondern zum Vertrag.
Vologasos, wohl wissend, wie gefaehrlich das beginnende Spiel sei, erklaerte
sich jetzt bereit, auf die vor dem Ausbruch des armenischen Krieges von den
Roemern vergeblich angebotenen Bedingungen einzugehen und die Belehnung des
Bruders durch den roemischen Kaiser zu gestatten. Corbulo ging auf den Vorschlag
ein. Er liess den Tigranes fallen, zog die roemischen Truppen aus Armenien
zurueck und liess es geschehen, dass Tiridates daselbst sich festsetzte,
waehrend die parthischen Hilfstruppen ebenfalls abzogen; dagegen schickte
Vologasos eine Gesandtschaft an die roemische Regierung und erklaerte die
Bereitwilligkeit seines Bruders, das Land von Rom zu Lehen zu nehmen.
Diese Massnahmen Corbulos waren bedenklicher Art ^34 und fuehrten zu einer
ueblen Verwicklung. Der roemische Feldherr mag wohl mehr noch als die
Staatsmaenner in Rom von der Nutzlosigkeit des Festhaltens von Armenien
durchdrungen gewesen sein; aber nachdem die roemische Regierung den Tigranes als
Koenig von Armenien eingesetzt hatte, durfte er nicht von sich aus auf die
frueher gestellten Bedingungen zurueckgreifen, am wenigsten seine eigenen
Eroberungen preisgeben und die roemischen Truppen aus Armenien zurueckziehen. Er
war dazu um so weniger berechtigt, als er Kappadokien und Armenien nur
interimistisch verwaltete und selbst der Regierung erklaert hatte, dass er nicht
imstande sei, zugleich dort und in Syrien das Kommando zu fuehren; woraufhin der
Konsular Lucius Caesennius Paetus zum Statthalter von Kappadokien ernannt und
auch dorthin bereits unterwegs war. Der Verdacht ist kaum abzuweisen, dass
Corbulo diesem die Ehre der schliesslichen Unterwerfung Armeniens nicht goennte
und durch den faktischen Friedensschluss mit den Parthern vor seinem Eintreffen
ein Definitivum herzustellen wuenschte. Die roemische Regierung lehnte denn auch
die Antraege des Vologasos ab und bestand auf der Festhaltung Armeniens, das,
wie der neue, im Laufe des Sommers 61 in Kappadokien eingetroffene Statthalter
erklaerte, sogar in unmittelbare roemische Verwaltung genommen werden sollte. Ob
die roemische Regierung in der Tat sich entschlossen hatte, so weit zu gehen,
ist nicht auszumachen; aber es lag dies allerdings in der Konsequenz ihrer
Politik. Die Einsetzung eines von Rom abhaengigen Koenigs war nur die
Verlaengerung des bisherigen unhaltbaren Zustandes; wer die Abtretung Armeniens
an die Parther nicht wollte, musste die Umwandlung des Koenigreichs in eine
roemische Provinz ins Auge fassen. Der Krieg hatte also seinen Fortgang; es
wurde darum auch eine der moesischen Legionen dem kappadokischen Heer zugesandt.
Als Paetus eintraf, lagerten die beiden von Corbulo ihm zugewiesenen Legionen
diesseits des Euphrat in Kappadokien; Armenien war geraeumt und musste wieder
erobert werden. Paetus ging sofort an das Werk, ueberschritt bei Melitene
(Malatia) den Euphrat, rueckte in Armenien ein und bezwang die naechsten Burgen
an der Grenze. Indes die vorgerueckte Jahreszeit noetigte ihn bald, die
Operationen einzustellen und auf die beabsichtigte Wiederbesetzung Tigranokertas
fuer dies Jahr zu verzichten; doch nahm er, um im naechsten Fruehjahr den Marsch
sogleich wieder aufzunehmen, nach Corbulos Beispiel die Winterquartiere in
Feindesland bei Rhandeia, an einem Nebenfluss des Euphrat, dem Arsanias, unweit
des heutigen Charput, waehrend der Tross und die Weiber und Kinder unweit davon
in dem festen Kastell Arsamosata untergebracht wurden. Aber er hatte die
Schwierigkeit des Unternehmens unterschaetzt. Die eine und die beste seiner
Legionen, die moesische, war noch auf dem Marsch und ueberwinterte diesseits des
Euphrat im pontischen Gebiet; die beiden anderen waren nicht diejenigen, welche
Corbulo kriegen und siegen gelehrt hatte, sondern die frueheren syrischen des
Quadratus, unvollzaehlig und ohne durchgreifende Reorganisation kaum brauchbar.
Dabei stand er nicht wie Corbulo den Armeniern allein, sondern der Hauptmasse
der Parther gegenueber; Vologasos hatte, als es mit dem Kriege Ernst ward, den
Kern seiner Truppen aus Mesopotamien nach Armenien gefuehrt und den
strategischen Vorteil, dass er die inneren und kuerzeren Linien beherrschte,
verstaendig zur Geltung gebracht. Corbulo haette, zumal da er den Euphrat
ueberbrueckt und am anderen Ufer Brueckenkoepfe angelegt hatte, diesen Abmarsch
durch einen rechtzeitigen Einfall in Mesopotamien wenigstens erschweren oder
doch wettmachen koennen; aber er ruehrte sich nicht aus seinen Stellungen und
ueberliess es Paetus, sich der Gesamtmacht der Feinde zu erwehren, wie er
konnte. Dieser war weder selber Militaer noch bereit, militaerischen Rat
anzunehmen und zu befolgen, nicht einmal ein Mann von entschlossenem Charakter,
uebermuetig und ruhmredig im Anlauf, verzagt und kleinmuetig gegenueber dem
Misserfolg. Also kam, was kommen musste. Im Fruehling 62 griff nicht Paetus an,
sondern Vologasos; die vorgeschobenen Truppen, welche den Parthern den Weg
verlegen sollten, wurden von der Uebermacht erdrueckt; der Angriff verwandelte
sich rasch in eine Belagerung der roemischen weit auseinandergezogenen
Stellungen in dem Winterlager und dem Kastell. Die Legionen konnten weder
vorwaerts noch zurueck; die Soldaten desertierten massenweise; die einzige
Hoffnung ruhte auf Corbulos fern im noerdlichen Syrien, ohne Zweifel bei Zeugma,
untaetig lagernden Legionen. In die Schuld der Katastrophe teilten sich beide
Generale, Corbulo wegen des verspaeteten Aufbruchs zur Hilfe ^35, obwohl er
dann, als er den ganzen Umfang der Gefahr erkannte, den Marsch nach Moeglichkeit
beschleunigte, Paetus, weil er den kuehnen Entschluss, lieber unterzugehen als
zu kapitulieren, nicht zu fassen vermochte und damit die nahe Rettung
verscherzte; noch drei Tage laenger und die 5000 Mann, welche Corbulo
heranfuehrte, haetten die ersehnte Hilfe gebracht. Die Bedingungen der
Kapitulation waren freier Abzug fuer die Roemer und Raeumung Armeniens unter
Auslieferung aller von ihnen besetzten Kastelle und aller in ihren Haenden
befindlichen Vorraete, deren die Parther dringend benoetigt waren. Dagegen
erklaerte Vologasos sich bereit, trotz dieses militaerischen Erfolges Armenien
als roemisches Lehen fuer den Bruder von der kaiserlichen Regierung zu erbitten
und deswegen Gesandte an Nero zu senden ^36. Die Maessigung des Siegers kann
darauf beruhen, dass er von Corbulos Annaehern bessere Kunde hatte als die
eingeschlossene Armee; aber wahrscheinlicher lag dem vorsichtigen Mann gar
nichts daran, die Katastrophe des Crassus zu erneuern und wiederum roemische
Adler nach Ktesiphon zu bringen. Die Niederlage einer roemischen Armee, das
wusste er, war nicht die Ueberwaeltigung Roms und die reale Konzession, welche
in der Anerkennung des Tiridates lag, ward durch die Nachgiebigkeit in der Form
nicht allzu teuer erkauft.
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^34 Aus der Darstellung des Tacitus (ann. 15, 6) sieht die Parteilichkeit
und die Verlegenheit deutlich heraus. Die Auslieferung Armeniens an Tiridates
auszusprechen, wagt er nicht und laesst sie den Leser nur schliessen.
^35 Das sagt Tacitus selbst (arm. 15, 10): nec a Corbulone properatum, quo
gliscentibus periculis etiam subsidii laus augeretur, in naiver Unbefangenheit
ueber den schweren Tadel, den dieses Lob in sich traegt. Wie parteiisch der
ganze, auf Corbulos Depeschen beruhende Bericht gehalten ist, beweist unter
anderem, dass dem Paetus in einem Atem die ungenuegende Verproviantierung des
Lagers (15, 8) und die Uebergabe desselben trotz reichlicher Vorraete (15 16)
zum Vorwurf gemacht und die letztere Tatsache daraus geschlossen wird, dass die
abziehenden Roemer die nach der Kapitulation den Parthern auszuliefernden
Vorraete lieber zerstoerten. Wie die Erbitterung gegen Tiberius in der
Schoenfaerberei des Germanicus, so hat die gegen Nero in der des Corbulo ihren
Ausdruck gefunden.
^36 Corbulos Angabe, dass Paetus in Gegenwart seiner Soldaten und der
parthischen Abgesandten sich eidlich verpflichtet habe, bis zum Eintreffen der
Antwort Neros keine Truppen nach Armenien zu schicken, erklaert Tacitus (ann.
15, 16) fuer unglaubwuerdig; der Sachlage entspricht sie, und es ist auch nicht
dagegen gehandelt worden.
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Die roemische Regierung lehnte das Anerbieten des Partherkoenigs abermals
ab und befahl die Fortsetzung des Krieges. Sie konnte nicht wohl anders; war die
Anerkennung des Tiridates vor dem Wiederbeginn des Krieges bedenklich und nach
der parthischen Kriegserklaerung kaum annehmbar, so erschien sie jetzt, als
Konsequenz der Kapitulation von Rhandeia, geradezu als deren Ratifikation. Von
Rom aus wurde die Wiederaufnahme des Kampfes gegen die Parther in energischer
Weise betrieben. Paetus wurde abberufen; Corbulo, in dem die durch die
schimpfliche Kapitulation erregte oeffentliche Meinung nur den Besieger
Armeniens sah und den auch die, welche die Sachlage genau kannten und scharf
beurteilten, nicht umhin konnten, als den faehigsten und fuer diesen Krieg
einzig geeigneten Feldherrn zu bezeichnen, uebernahm wieder die
Statthalterschaft von Kappadokien, aber zugleich das Kommando ueber saemtliche
fuer diesen Feldzug verwendbare Truppen, welche noch weiter durch eine siebente,
aus Pannonien herbeigerufene Legion verstaerkt wurden; demnach wurde alle
Statthalter und Fuersten des Orients angewiesen, in militaerischen
Angelegenheiten seinen Anordnungen Folge zu leisten, so dass seine Amtsgewalt
derjenigen, welche den Kronprinzen Gaius und Germanicus fuer ihre Sendungen in
den Orient beigelegt worden war, ziemlich gleichkam. Wenn diese Massregeln eine
ernste Reparation der roemischen Waffenehre herbeifuehren sollten, so verfehlten
sie ihren Zweck. Wie Corbulo die Sachlage ansah, zeigte schon das Abkommen, das
er nicht lange nach der Katastrophe von Rhandeia mit dem Partherkoenig traf:
dieser zog die parthischen Besatzungen aus Armenien zurueck, die Roemer raeumten
die auf mesopotamischem Gebiet zum Schutz der Bruecken angelegten Kastelle. Fuer
die roemische Offensive waren die parthischen Besatzungen in Armenien ebenso
gleichgueltig wie die Euphratbruecken wichtig; sollte dagegen Tiridates als
roemischer Lehnskoenig in Armenien anerkannt werden, so waren allerdings die
letzteren ueberfluessig und parthische Besatzungen in Armenien unmoeglich. Im
naechsten Fruehjahr 63 schritt Corbulo allerdings zu der ihm anbefohlenen
Offensive und fuehrte die vier besten seiner Legionen bei Melitene ueber den
Euphrat gegen die in der Gegend von Arsamosata stehende parthisch-armenische
Hauptmacht. Aber aus dem Schlagen ward nicht viel; nur einige Schloesser
armenischer, antiroemisch gesinnter Adliger wurden zerstoert. Dagegen fuehrte
auch diese Begegnung zum Vertragen. Corbulo nahm die frueher von seiner
Regierung zurueckgewiesenen parthischen Antraege an und zwar, wie der weitere
Verlauf der Dinge zeigte, in dem Sinne, dass Armenien ein fuer allemal eine
parthische Sekundogenitur ward und die roemische Regierung, wenigstens nach dem
Geiste des Abkommens, darauf einging, diese Krone in Zukunft nur an einen
Arsakiden zu verleihen. Hinzugefuegt wurde nur, dass Tiridates sich verpflichten
solle, in Rhandeia, eben da, wo die Kapitulation geschlossen worden war,
oeffentlich unter den Augen der beiden Armeen das koenigliche Diadem vom Haupte
zu nehmen und es vor dem Bildnis des Kaisers niederzulegen, gelobend, es nicht
wieder aufzusetzen, bevor er es aus seiner Hand und zwar in Rom selbst empfangen
haben werde. So geschah es (63). Durch diese Demuetigung wurde daran nichts
geaendert, dass der roemische Feldherr, statt den ihm aufgetragenen Krieg zu
fuehren, auf die von seiner Regierung verworfenen Bedingungen Frieden schloss
^37. Aber die frueher leitenden Staatsmaenner waren inzwischen gestorben oder
zurueckgetreten und das persoenliche Regiment des Kaisers dafuer installiert,
und auf das Publikum und vor allem auf den Kaiser persoenlich verfehlte der
feierliche Akt in Rhandeia und das in Aussicht gestellte Schaugepraenge der
Belehnung des parthischen Fuersten mit der Krone von Armenien in der
Reichshauptstadt seine Wirkung nicht. Der Friede wurde ratifiziert und erfuellt.
Im Jahre 66 erschien der parthische Fuerst versprochenermassen in Rom, geleitet
von 3000 parthischen Reitern, als Geiseln die Kinder der drei Brueder so wie die
des Monobazos von Adiabene heranfuehrend. Er begruesste kniefaellig seinen auf
dem Markte der Hauptstadt auf dem Kaiserstuhl sitzenden Lehnsherrn und hier
knuepfte dieser ihm vor allem Volke die koenigliche Binde um die Stirn.
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^37 Da nach Tacitus (ann. 15, 25; vgl. Dio 62, 22) Nero die Gesandten des
Vologasos wohlwollend entliess und die Moeglichkeit einer Verstaendigung, wenn
Tiridates persoenlich erscheine, durchblicken liess, so kann Corbulo in diesem
Fall nach seinen Instruktionen gehandelt haben; aber eher moechte dies zu den im
Interesse Corbulos hinzugesetzten Wendungen gehoeren. Dass bei dem Prozess, der
diesem einige Jahre nachher gemacht ward, diese Vorgaenge zur Sprache gekommen
sind, ist wahrscheinlich nach der Notiz, dass einer der Offiziere von der
armenischen Kampagne sein Anklaeger wurde. Die Identitaet des Kohortenpraefekten
Arrius Varus bei Tacitus (ann. 13, 9) und des Primipilen (hist. 3, 6) ist mit
Unrecht bestritten worden; vgl. zu CIL V, 867.
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Die von beiden Seiten zurueckhaltende, man moechte sagen friedliche
Fuehrung des letzten, nominell zehnjaehrigen Krieges und der entsprechende
Abschluss desselben durch den faktischen Uebergang Armeniens an die Parther
unter Schonung der Suszeptibilitaeten des maechtigeren Westreiches trug gute
Frucht. Armenien war unter der nationalen von den Roemern anerkannten Dynastie
mehr von ihnen abhaengig als frueher unter den dem Lande aufgedrungenen
Herrschern. Wenigstens in der zunaechst an den Euphrat grenzenden Landschaft
Sophene blieb roemische Besatzung ^38. Fuer die Wiederherstellung von Artaxata
wurde die Erlaubnis des Kaisers erbeten und gewaehrt, und der Bau von Kaiser
Nero mit Geld und Arbeitern gefoerdert. Zwischen den beiden maechtigen Staaten,
die der Euphrat voneinander schied, hat zu keiner Zeit ein gleich gutes
Verhaeltnis bestanden wie nach dem Abschluss des Vertrages von Rhandeia in den
letzten Jahren Neros und weiter unter den drei Herrschern des Flavischen Hauses.
Noch andere Umstaende trugen dazu bei. Die transkaukasischen Voelkermassen,
vielleicht gelockt durch ihre Beteiligung an den letzten Kriegen, waehrend
welcher sie als Soeldner teils der Iberer, teils der Parther den Weg nach
Armenien gefunden hatten, fingen damals an, vor allem die westlichen parthischen
Provinzen, aber zugleich die oestlichen des Roemischen Reiches zu bedrohen.
Wahrscheinlich um ihnen zu wehren, wurde unmittelbar nach dem Armenischen Kriege
im Jahre 63 die Einziehung des sogenannten Pontischen Koenigreichs verfuegt, das
heisst der Suedostecke der Kueste des Schwarzen Meeres mit der Stadt Trapezus
und dem Phasisgebiet. Die grosse orientalische Expedition, welche Kaiser Nero
eben anzutreten im Begriff war, als ihn die Katastrophe ereilte (68), und fuer
welche er bereits die Kerntruppen des Westens teils nach Aegypten, teils an die
Donau in Marsch gesetzt hatte, sollte freilich auch nach anderen Seiten hin die
Reichsgrenze vorschieben ^39; aber der eigentliche Zielpunkt waren die
Kaukasuspaesse oberhalb Tiflis und die am Nordabhang ansaessigen skythischen
Staemme, zunaechst die Alanen ^40. Eben diese berannten einerseits Armenien,
andererseits Medien. Jene Neronische Expedition richtete sich so wenig gegen die
Parther, dass sie vielmehr aufgefasst werden konnte als diesen zur Hilfe
unternommen; den wilden Horden des Nordens gegenueber war fuer die beiden
Kulturstaaten des Westens und des Ostens gemeinsame Abwehr allerdings angezeigt.
Vologasos lehnte freilich die freundschaftliche Aufforderung seines roemischen
Kollegen, ihn ebenso wie der Bruder in Rom zu besuchen, in gleicher
Freundschaftlichkeit ab, da ihn keineswegs geluestete, auch seinerseits als
Lehnstraeger des roemischen Herrschers auf dem roemischen Markt zu figurieren;
aber er erklaerte sich bereit, dem Kaiser sich vorzustellen, wenn dieser im
Orient eintreffen werde, und nicht die Roemer, aber wohl die Orientalen haben
Nero aufrichtig betrauert. Koenig Vologasos richtete an den Senat offiziell das
Ersuchen, Neros Gedaechtnis in Ehren zu halten, und als spaeterhin ein Pseudo-
Nero auftrat, fand er vor allem im Partherstaat Sympathien.
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^38 In Ziata (Charput) haben sich zwei Inschriften eines Kastells gefunden,
welches eine der von Corbulo ueber den Euphrat gefuehrten Legionen, die 3.
Gallica, dort auf Corbulos Geheiss im Jahre 64 anlegte (Eph. epigr. V, p. 25).
^39 Nero beabsichtigte inter reliqua bella auch einen aethiopischen (Plin.
nat. 6, 29, 182, vgl. 184). Darauf beziehen sich die Truppensendungen nach
Alexandreia (Tac. hist. 1, 31, 70).
^40 Als Zielpunkt der Expedition bezeichnen sowohl Tacitus (hist. 1, 6) wie
Sueton (Nero 19) die kaspischen Tore, d. h. den Kaukasuspass zwischen Tiflis und
Wladi-Kawkas bei Darial, welchen nach der Sage Alexander mit eisernen Pforten
schloss (Plin. nat. 6, 11, 30; Ios. bel. Iud. 7, 7, 4; Prok. Pers. 1, 10).
Sowohl nach dieser Lokalitaet wie nach der ganzen Anlage der Expedition kann
dieselbe unmoeglich gegen die Albaner am westlichen Ufer des Kaspischen Meeres
sich gerichtet haben; hier sowohl wie an einer anderen Stelle (arm. 2, 68: ad
Armenios, inde Albanos Heniochosque) koennen nur die Alanen gemeint sein, die
bei Josephus a. a. O. und sonst eben an dieser Stelle erscheinen und oefter mit
den kaukasischen Albanern verwechselt worden sind. Verwirrt ist freilich auch
der Bericht des Josephus. Wenn hier die Alanen mit Genehmigung des Koenigs der
Hyrkaner durch die kaspischen Tore in Medien und dann in Armenien einfallen, so
hat der Schreiber an das andere kaspische Tor oestlich von Rhagae gedacht; aber
dies wird sein Versehen sein, da der letztere im Herzen des Parthischen Reichs
gelegene Pass unmoeglich das Ziel der Neronischen Expedition gewesen sein kann
und die Alanen nicht am oestlichen Ufer des Kaspischen Meeres, sondern
nordwaerts vom Kaukasus sassen. Dieser Expedition wegen wurde die beste der
roemischen Legionen, die 14., aus Britannien abgerufen, die freilich nur bis
Pannonien kam (Tac. hist. 2, 11, vgl. 27. 66), und eine neue Legion, die 1.
italische, von Nero gebildet (Suet. Nero 19). Man sieht daraus, in welchem
Rahmen sie entworfen war.
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Indes war es dem Parther nicht so sehr um die Freundschaft Neros zu tun als
um die des roemischen Staates. Nicht bloss enthielt er sich waehrend der Krisen
des Vierkaiserjahres jedes Uebergriffes ^41, sondern er bot Vespasian, den
wahrscheinlichen Ausgang des schwebenden Entscheidungskampfes richtig
schaetzend, noch in Alexandreia 40000 berittene Schuetzen zum Kampfe gegen
Vitellius an, was natuerlich dankend abgelehnt ward. Vor allem aber fuegte er
sich ohne weiteres den Anordnungen, welche die neue Regierung fuer den Schutz
der Ostgrenze traf. Vespasian hatte selbst als Statthalter von Judaea die
Unzulaenglichkeit der dort staendig verwendeten Streitkraefte kennengelernt; und
als er diese Statthalterschaft mit der Kaisergewalt vertauschte, wurde nicht nur
Kommagene wieder nach dem Vorgang des Tiberius aus einem Koenigreich eine
Provinz, sondern es ward auch die Zahl der staendigen Legionen im roemischen
Asien von vier auf sieben erhoeht, auf welche Zahl sie voruebergehend fuer den
Parthischen und wieder fuer den Juedischen Krieg gebracht worden waren. Waehrend
ferner es bis dahin in Asien nur ein einziges groesseres Militaerkommando, das
des Statthalters von Syrien, gegeben hatte, wurden jetzt drei derartige
Oberbefehlshaberstellen daselbst eingerichtet. Syrien, zu dem Kommagene
hinzutrat, behielt wie bisher vier Legionen; die beiden bisher nur mit Truppen
zweiter Ordnung besetzten Provinzen Palaestina und Kappadokien wurden die erste
mit einer, die zweite mit zwei Legionen belegt ^42, Armenien blieb roemisches
Lehnsfuerstentum im Besitz der Arsakiden; aber unter Vespasian stand roemische
Besatzung jenseits der armenischen Grenze in dem iberischen Kastell Harmozika
bei Tiflis ^43, und danach muss in dieser Zeit auch Armenien militaerisch in
roemischer Gewalt gewesen sein. Alle diese Massregeln, so wenig sie auch nur
eine Kriegsdrohung enthielten, richteten die Spitze gegen den oestlichen
Nachbarn. Dennoch war Vologasos nach dem Fall Jerusalems der erste, der dem
roemischen Kronprinzen seinen Glueckwunsch zu der Befestigung der roemischen
Herrschaft in Syrien darbrachte, und die Einrichtung der Legionslager in
Kommagene, Kappadokien und Klein-Armenien nahm er ohne Widerrede hin. Ja er
regte sogar bei Vespasian jene transkaukasische Expedition wieder an und erbat
die Sendung einer roemischen Armee gegen die Alanen unter Fuehrung eines der
kaiserlichen Prinzen; obwohl Vespasian auf diesen weitaussehenden Plan nicht
einging, so kann doch jene roemische Truppe in der Gegend von Tiflis kaum zu
anderem Zweck hingeschickt worden sein als zur Sperrung des Kaukasuspasses und
vertrat insofern dort auch die Interessen der Parther. Trotz der Verstaerkung
der militaerischen Stellung Roms am Euphrat oder auch vielleicht infolge
derselben - denn dem Nachbarn Respekt einzufloessen, ist auch ein Mittel, den
Frieden zu erhalten - blieb der Friedensstand waehrend der gesamten Herrschaft
der Flavier wesentlich ungestoert. Wenn, wie das zumal bei dem steten Wechsel
der parthischen Dynasten nicht befremden kann, ab und zu Kollisionen eintraten
und selbst Kriegswolken sich zeigten, so verschwanden sie wieder ebenso rasch
^44. Das Auftreten eines falschen Nero in den letzten Jahren Vespasians - es ist
derjenige, der zu der Offenbarung Johannis den Anstoss gegeben hat - haette fast
zu einer solchen Kollision gefuehrt. Der Praetendent, in Wirklichkeit ein
gewisser Terentius Maximus aus Kleinasien, aber in Antlitz und Stimme und
Kuensten dem Saengerkaiser taeuschend aehnlich, fand nicht bloss Zulauf in dem
roemischen Gebiet am Euphrat, sondern auch Unterstuetzung bei den Parthern. Bei
diesen scheinen damals, wie so oft, mehrere Herrscher miteinander im Kampfe
gelegen und der eine von ihnen, Artabanos, weil Kaiser Titus sich gegen ihn
erklaerte, die Sache des roemischen Praetendenten aufgenommen zu haben. Indes es
hatte dies keine Folgen; vielmehr lieferte bald darauf die parthische Regierung
den Praetendenten an Kaiser Domitianus aus ^45. Der fuer beide Teile
vorteilhafte Handelsverkehr von Syrien nach dem unteren Euphrat, wo eben damals
Koenig Vologasos nicht weit von Ktesiphon das neue Emporium Vologasias oder
Vologasokerta ins Leben rief, wird das seinige dazu beigetragen haben, den
Friedensstand zu foerdern.
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^41 In welchem Zusammenhang er dem Vespasian den Kaisertitel verweigerte
(Dio 66, 11), erhellt nicht; moeglicherweise unmittelbar nach dessen
Schilderhebung, bevor er erkannt hatte, dass die Flavianer die staerkeren seien.
Seine Verwendung fuer die Fuersten von Kommagene (Ios. bel. Iud. 7, 7, 3) war
von Erfolg, also rein persoenlich, keineswegs ein Protest gegen die Umwandlung
des Koenigreichs in eine Provinz.
^42 Die vier syrischen Legionen sind die 3. Gallica, die 6. ferrata (beide
bisher in Syrien), die 4. Scythica (bisher in Moesien, aber bereits am
Parthischen wie am Juedischen Kriege beteiligt) und die 16. Flavia (neu). Die
eine Legion von Palaestina ist die 10. fretensis (bisher in Syrien). Die zwei
von Kappadokien sind die 12. fulminata (bisher in Syriern von Titus nach
Melitene gelegt. Ios. bel. Iud. 7, 1, 3) und die 15. Apollinaris (bisher in
Pannonien, aber gleich der 4. Scythica am Parthischen wie am Juedischen Kriege
beteiligt). Die Garnisonen wurden also so wenig wie moeglich gewechselt, nur
zwei der schon frueher nach Syrien gerufenen Legionen dort fest stationiert und
eine neu eingerichtete dorthin gelegt.
Nach dem juedischen Kriege unter Hadrian wurde die 6. ferrata von Syrien
nach Palaestina geschickt.
^43 In diese Zeit (vgl. CIL V, 6988) faellt auch wohl die kappadokische
Statthalterschaft des C. Rutilius Gallicus, von der es heisst (Star. silv. 1, 4,
78): hunc . . . timuit . . . Armenia et patiens Latii iam pontis Araxes,
vermutlich mit Beziehung auf einen von dieser roemischen Besatzung ausgefuehrten
Brueckenbau. Dass Gallicus unter Corbulo gedient hat, ist bei dem Stillschweigen
des Tacitus nicht wahrscheinlich.
^44 Dass, waehrend M. Ulpius Traianus, der Vater des Kaisers, Statthalter
von Syrien war, unter Vespasian im Jahre 75 Krieg am Euphrat auszubrechen
drohte, sagt Plinius in seiner Lobrede auf den Sohn c. 14, wahrscheinlich mit
starker Uebertreibung; die Ursache ist unbekannt.
^45 Es gibt datierte und mit den Individualnamen der Koenige versehene
Muenzen von (V)ologasos aus den Jahren 389 und 390 = 77-78; von Pakoros aus den
Jahren 389-394 = 77-82 (und wieder 404-407 = 92-95); von Artabanos aus dem Jahr
392 = 80/81. Die entsprechenden geschichtlichen Daten sind, bis auf die
Artabanos und Titus verknuepfende Notiz bei Zonaras (11, 18; vgl. Suet. Nero 57;
Tac. hist. 1, 2), verschollen, aber die Muenzen deuten auf eine Epoche rascher
Thronwechsel und, wie es scheint, simultaner Praegung streitender Praetendenten.
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Zu einem Konflikt kam es unter Traianus. In den frueheren Jahren seiner
Regierung hatte er in den oestlichen Verhaeltnissen nichts Wesentliches
geaendert, abgesehen von der Verwandlung der an der Grenze der syrischen Wueste
bis dahin bestehenden beiden Klientelstaaten, des nabataeischen von Petra und
des juedischen von Caesarea Paneas, in unmittelbar roemische Verwaltungsbezirke
(106). Die Beziehungen zu dem damaligen Herrscher des Partherreiches, dem Koenig
Pakoros, waren nicht die freundlichsten ^46, aber erst unter dessen Bruder und
Nachfolger Chosroes kam es zum Bruch, und zwar wiederum ueber Armenien. Die
Schuld davon trugen die Parther. Indem Traianus den erledigten armenischen
Koenigsthron dem Sohn des Pakaros, Axidares, verlieh, hielt er sich innerhalb
der Grenzen seines Rechts; aber Koenig Chosroes bezeichnete diese
Persoenlichkeit als unfaehig zu regieren und setzte eigenmaechtig einen anderen
Sohn des Pakoros, den Parthomasiris, an dessen Stelle zum Koenig ein ^47. Die
Antwort darauf war die roemische Kriegserklaerung. Gegen Ausgang des Jahres 114
^48 verliess Traianus die Hauptstadt, um sich an die Spitze der roemischen
Truppen des Ostens zu stellen, die allerdings wieder in dem tiefsten Verfall
sich befanden, aber von dem Kaiser schleunigst reorganisiert und ausserdem durch
bessere, aus Pannonien herbeigezogene Legionen verstaerkt wurden ^49. In Athen
trafen ihn Gesandte des Partherkoenigs; aber sie hatten nichts zu bieten als die
Anzeige, dass Parthomasiris bereit sei, Armenien als roemisches Lehen
entgegenzunehmen, und wurden abgewiesen. Der Krieg begann. In den ersten
Gefechten am Euphrat zogen die Roemer den kuerzeren ^50, aber als der alte
schlagfertige und sieggewohnte Kaiser im Fruehjahr des Jahres 115 selbst sich an
die Spitze der Truppen stellte, unterwarfen sich ihm die Orientalen fast ohne
Gegenwehr. Es kam hinzu, dass bei den Parthern wieder einmal der Buergerkrieg im
Gange und gegen Chosroes ein Praetendent Manisaros aufgetreten war. Von
Antiocheia aus marschierte der Kaiser an den Euphrat und weiter nordwaerts bis
zu dem noerdlichsten Legionslager Satala in Klein-Armenien, von wo aus er in
Armenien einrueckte und die Richtung auf Artaxata nahm. Unterwegs in Elegeia
erschien Parthomasiris und nahm das Diadem vom Haupte, in der Hoffnung, durch
diese Demuetigung, wie einst Tiridates, die Belehnung zu erwirken. Allein
Traianus war entschlossen, auch diesen Lehnsstaat zur Provinz zu machen und
ueberhaupt die oestliche Reichsgrenze zu verlegen. Dies erklaerte er dem
Partherfuersten vor dem versammelten Heer und wies ihn an, mit seinem Gefolge
sofort das Lager und das Reich zu raeumen; es kam darueber zu einem Auflauf, bei
welchem der Praetendent das Leben verlor. Armenien ergab sich in sein Schicksal
und wurde roemische Statthalterschaft. Auch die Fuersten der Kaukasusvoelker,
der Albaner, der Iberer, weiter gegen das Schwarze Meer der Apsiler, der
Kolcher, der Heniocher, der Lazen und anderer mehr, selbst die der
transkaukasischen Sarmaten wurden in dem Lehnsverhaeltnis bestaetigt oder jetzt
demselben unterworfen. Traianus rueckte darauf in das Gebiet der Parther ein und
besetzte Mesopotamien. Auch hier fuegte sich alles ohne Schwertstreich; Batnae,
Nisibis, Singara kamen in die Gewalt der Roemer; in Edessa nahm der Kaiser nicht
bloss die Unterwerfung des Landesherrn Abgaros entgegen, sondern auch die der
uebrigen Dynasten, und gleich Armenien wurde Mesopotamien roemische Provinz. Die
Winterquartiere nahm Traianus abermals in Antiocheia, wo ein gewaltiges Erdbeben
mehr Opfer forderte als der Feldzug des Sommers. Im naechsten Fruehjahr (116)
ging Traian, "der Parthersieger", wie der Senat ihn jetzt begruesste, von
Nisibis aus ueber den Tigris und besetzte, nicht ohne bei dem Uebergang und
nachher Widerstand zu finden, die Landschaft Adiabene; dies wurde die dritte
neue roemische Provinz, Assyria genannt. Weiter ging der Marsch den Tigris
abwaerts nach Babylonien; Seleukeia und Ktesiphon fielen in die Haende der
Roemer und mit ihnen der goldene Thronsitz des Koenigs und dessen Tochter;
Traianus gelangte bis nach der persischen Satrapie Mesene und der grossen
Kaufstadt an der Tigrismuendung Charax Spasinu. Auch dieses Gebiet scheint dem
Reich in der Weise einverleibt worden zu sein, dass die neue Provinz
Mesopotamien das gesamte von den beiden Fluessen umschlossene Gebiet umfasste.
Mit sehnsuechtigen Gedanken soll Traianus hier sich die Jugend Alexanders
gewuenscht haben, um von dem Ufersaum des Persischen Meeres aus seine Waffen in
das indische Wunderland zu tragen. Indes, er erfuhr bald, dass er sie fuer
naehere Gegner brauchte. Das grosse Partherreich hatte bisher dem Angriff kaum
ernstlich die Stirn geboten und oftmals vergeblich um Frieden gebeten. Jetzt
aber, auf dem Rueckweg in Babylon, trafen den Kaiser die Botschaften von dem
Abfall Babyloniens und Mesopotamiens; waehrend er an der Tigrismuendung
verweilte, hatte gegen ihn die gesamte Bevoelkerung dieser neuen Provinzen sich
erhoben ^51; die Buerger von Seleukeia am Tigris, von Nisibis, ja von Edessa
selbst machten die roemischen Besatzungen nieder oder verjagten sie und
schlossen ihre Tore. Der Kaiser sah sich genoetigt, seine Truppen zu teilen und
gegen die verschiedenen Herde des Aufstandes einzelne Korps zu schicken; eine
dieser Legionen unter Maximus wurde mit ihrem Feldherrn in Mesopotamien
umzingelt und niedergehauen. Doch ward der Kaiser der Insurgenten Herr,
namentlich durch den schon im Dakischen Kriege erprobten Feldherrn Lusius
Quietus, einen geborenen Maurenscheich. Seleukeia und Edessa wurden belagert und
niedergebrannt. Traianus ging so weit, Parthien zum roemischen Vasallenstaat zu
erklaeren und belehnte damit in Ktesiphon einen Parteigaenger Roms, den Parther
Parthamaspates, obwohl die roemischen Soldaten nicht mehr als den westlichen
Saum des grossen Reiches betreten hatten. Alsdann schlug er den Rueckweg nach
Syrien ein auf dem Wege, den er gekommen war, unterwegs aufgehalten durch einen
vergeblichen Angriff auf die Araber in Hatra, der Residenz des Koenigs der
tapferen Staemme der mesopotamischen Wueste, deren gewaltige Festungswerke und
prachtvolle Bauten noch heute in ihren Ruinen imponieren. Er beabsichtigte, den
Krieg im naechsten Jahre fortzusetzen, also die Unterwerfung der Parther zur
Wahrheit zu machen. Aber das Gefecht in der Wueste von Hatra, in welchem der
sechzigjaehrige Kaiser tapfer mit den arabischen Reitern sich herumgeschlagen
hatte, sollte sein letztes sein. Er erkrankte und starb auf der Heimreise (8.
August 117), ohne seinen Sieg vollenden und die Siegesfeier in Rom abhalten zu
koennen; es war in seinem Sinn, dass ihm noch nach dem Tode die Ehre des
Triumphes zuteil ward und er daher der einzige der vergoetterten roemischen
Kaiser ist, welcher auch als Gott noch den Siegestitel fuehrt.
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^46 Das beweist die abgerissene Notiz aus Arrian bei Suid. (u. d. W.
epikl/e/ma): o de Pakoros o Parthyai/o/n basile?s kai alla tina epikl/e/mata
p?phere Traian/o/ t/o/ basilei und die Aufmerksamkeit, welche in Plinius um das
Jahr 112 geschriebenem Bericht an den Kaiser (epist. ad Trai. 74) den
Beziehungen zwischen Pakoros und dem Dakerkoenig Decebalus gewidmet wird. Die
Regierungszeit dieses parthischen Koenigs laesst sich nicht genuegend fixieren.
Parthische Muenzen mit Koenigsnamen gibt es aus der ganzen Zeit Traians nicht;
die Silberpraegung scheint waehrend derselben geruht zu haben.
^47 Dass Axidares (oder Exedares) ein Sohn des Pakoros und vor
Parthomasiris Koenig von Armenien gewesen, aber durch Chosroes abgesetzt worden
war, zeigen die Truemmer des Dionischen Berichts 68, 17; und darauf fuehren auch
die beiden Arrianischen Fragmente (16 Mueller), das erste, wahrscheinlich aus
einer Ansprache eines Vertreters der Interessen des Axidares an Traian:
Axidar/e/n de oti archein chr/e/ Armenias, o? moi dokei einai se amphilogon,
worauf wohl die gegen Parthomasiris vorliegenden Beschwerden folgten, und die
Antwort, offenbar des Kaisers, dass es nicht des Axidares Sache sei, sondern
seine, ueber Parthomasiris zu richten, weil er wie es scheint Axidares - zuerst
den Vertrag gebrochen und dafuer gebuesst habe. Welche Verschuldung der Kaiser
dem Axidares zur Last legt, erhellt nicht; aber auch bei Dio sagt Chosroes, dass
er weder den Roemern noch den Parthern genuegt habe.
^48 Die Truemmer des Dionischen Berichts bei Xiphilinus und Zonaras zeigen
deutlich, dass der parthische Feldzug in zwei Kampagnen zerfaellt, die erste
(Dio 56, 17, 1 ; 18, 2; 23-25), welche durch das Konsulat des Pedo auf 115
fixiert wird (auch das Datum des Malalas p. 275 fuer das Erdbeben von Antiocheia
13. Dezember 164 der antiochenischen Aera = 115 n. Chr. stimmt ueberein), und
die zweite (Dio 26-32, 3), welche durch die zwischen April und August dieses
Jahres erfolgte (s. meine Notiz bei J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus.
Bd. 3, 2. Aufl., Gotha 1877, S. 361) Erteilung des Titels Parthicus (28, 2) auf
116 fixiert wird. Dass c. 23 die Titel Optimus (erteilt im Laufe des Jahres 114)
und Parthicus ausser der Zeitfolge erwaehnt werden, lehrt sowohl ihre
Zusammenstellung wie die spaetere Wiederkehr der zweiten Ehre. Von den
Fragmenten gehoeren die meisten in den ersten Feldzug, c. 22, 3 und wohl auch
22, 1, 2 in den zweiten.
Die imperatorischen Akklamationen stehen nicht im Wege. Traianus war
erweislich im Jahre 113 imp. VI (CIL VI, 960); im Jahre 114 imp. VII (CIL IX,
1558 und sonst); im Jahre 115 imp. IX (CIL IX, 5894 und sonst) und imp. XI
(Fabretti 398, 289 und sonst); im Jahre 116 imp. XII (CIL VIII, 621; X, 1634)
und XIII (CIL III D; XXVII). Dio bezeugt eine Akklamation aus dem Jahre 115 (68,
19) und eine aus dem Jahre 116 (68, 28); fuer beide ist reichlich Raum und kein
Grund vorhanden, gerade imp. VII auf die Unterwerfung Armeniens zu beziehen, wie
das versucht worden ist.
^49 Die drastische Schilderung der syrischen Armee Traians bei Fronto (p.
206 f. Naber) stimmt fast woertlich mit der der Armee des Corbulo bei Tac. ann.
13, 35. "Durch die lange Entwoehnung vom Kriegsdienst waren die roemischen
Truppen ueberhaupt arg heruntergekommen (ad ignaviam redactus); aber die
elendesten unter den Soldaten waren die syrischen, unbotmaessig, stoerrig, beim
Appell unpuenktlich, nicht auf dem Posten zu finden, von Mittag an betrunken;
selbst die Ruestung zu tragen ungewohnt und der Strapazen unfaehig und des einen
Waffenstueckes nach dem andern sich entledigend, halb nackt wie die Leichten und
Schuetzen. Ausserdem waren sie durch die erlittenen Schlappen so demoralisiert,
dass sie beim ersten Anblick der Parther den Ruecken wandten und die Hoerner
ihnen gleichsam galten als das Signal gebend zum Davonlaufen." In der
gegensaetzlichen Schilderung Traians heisst es unter anderm: "er ging nicht
durch die Zelte, ohne sich um den Soldaten genau zu bekuemmern, sondern zeigte
seine Verachtung gegen den syrischen Luxus und sah sich die rohe Wirtschaft der
Pannonier an (sed contemnere - so ist zu lesen - Syrorum munditias, introspicere
Pannoniorum inscitias); so beurteilte er nach der Haltung (cultus) des Mannes
seine Brauchbarkeit (ingenium)." Auch in dem orientalischen Heer des Severus
werden die "europaeischen" und die syrischen Soldaten unterschieden (Dio 75,
12).
^50 Das zeigen die mala proelia in der angefuehrten Stelle Frontos und Dios
Angabe (68, 19), dass Traianus Samosata ohne Kampf einnahm; also hatte die dort
stationierte 16. Legion es verloren.
^51 Es mag sein, dass gleichzeitig auch Armenien abgefallen ist. Aber wenn
Gutschmid (bei Dierauer in M. Buedingers Untersuchungen zur roemischen
Kaisergeschichte. Bd. 1. Leipzig 1868, S. 179) den Meherdotes und Sanatrukios,
welche Malalas als Koenige Persiens in dem Traianischen Kriege auffuehrt, zu
Koenigen des wieder abfallenden Armenien macht, so wird dies erreicht durch eine
Kette verwegener Korrekturen, die die Personen- und die Voelkernamen ebenso
verschieben wie den pragmatischen Zusammenhang umgestalten. Es finden sich
allerdings in dem verwirrten Legendenknaeuel des Malalas wohl einige historische
Tatsachen, zum Beispiel die Einsetzung des Parthamaspates (der hier Sohn des
Koenigs Chosroes von Armenien ist) zum Koenig von Parthien durch Traian; und so
moegen auch die Daten von Traians Abfahrt aus Rom im Oktober (114), seiner
Landung in Seleukeia im Dezember und seinem Einzug in Antiocheia am 7. Januar
(115) korrekt sein. Aber wie dieser Bericht vorliegt, kann der
Geschichtschreiber ihn nur ablehnen, nicht rektifizieren.
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Traianus hatte den Krieg mit den Parthern nicht gesucht, sondern er war ihm
aufgenoetigt worden; nicht er, sondern Chosroes hatte das Abkommen ueber
Armenien gebrochen, welches die letzten vierzig Jahre hindurch die Grundlage des
Friedensstandes im Euphratgebiet gewesen war. Wenn es begreiflich ist, dass die
Parther sich dabei nicht beruhigten, da die fortdauernde Lehnsherrschaft der
Roemer ueber Armenien den Stachel zur Auflehnung in sich trug, so muss man auch
andererseits anerkennen, dass auf dem bisherigen Wege nicht weitergegangen
werden konnte, als Corbulo gegangen war; der unbedingte Verzicht auf Armenien
und, was davon die notwendige Folge war, die Anerkennung des Partherstaats in
voller Gleichberechtigung liegen nun einmal ausser dem Horizont der roemischen
Politik, so gut wie die Aufhebung der Sklaverei und aehnliche zu jener Zeit
undenkbare Gedanken. Wenn aber mit dieser Alternative nicht zu dauerhaftem
Frieden gelangt werden konnte, so blieb in dem grossen Dilemma der roemischen
Orientpolitik nur die andere uebrig, die Erstreckung der unmittelbaren
roemischen Herrschaft auf das linke Ufer des Euphrat. Darum ward Armenien jetzt
roemische Provinz und nicht minder Mesopotamien. Es war das nur sachgemaess. Die
Verwandlung Armeniens aus einem roemischen Lehnsstaat mit roemischer Besatzung
in eine roemische Statthalterschaft aenderte nach aussen hin nicht viel; die
Parther konnten aus Armenien wirksam nur ausgewiesen werden, indem sie den
Besitz der benachbarten Landschaft verloren; und vor allem fand die roemische
Herrschaft wie die roemische Provinzialverfassung in dem halb griechischen
Mesopotamien einen weit guenstigeren Boden als in dem durchaus orientalischen
Armenien. Andere Erwaegungen kamen hinzu. Die roemische Zollgrenze in Syrien war
uebel beschaffen, und den internationalen Verkehr von den grossen
Handelsplaetzen Syriens nach dem Euphrat und dem Tigris ganz in die Gewalt zu
bekommen, fuer den roemischen Staat ein wesentlicher Gewinn, wie denn auch
Traianus sofort daran ging, die neuen Euphrat- und Tigriszoelle einzurichten
^52. Auch militaerisch war die Tigrisgrenze leichter zu verteidigen als die
bisherige an der syrischen Wueste und weiter am Euphrat hinlaufende Grenzlinie.
Die Umwandlung der Landschaft Adiabene jenseits des Tigris in eine roemische
Provinz, wodurch Armenien Binnenprovinz ward, und die Umgestaltung des


 


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