Herodes und Mariamne
by
Friedrich Hebbel

Part 2 out of 3




Alexandra.
Ich wüßte nicht, warum?
Es gab schon einmal eine Alexandra,
Die eine Krone trug in Israel,
Die zugriff, als sie frei geworden war,
Und sie nicht liegen ließ für einen Dieb.
Es soll, bei Gott! nicht an der zweiten fehlen,
Wenn's wirklich (zu Mariamne) Makkabäerinnen gibt,
Die kind'sche Schwüre halten!

Joseph (aushorchend).
Es ist wahr!
Solch eine Alexandra gab's einmal,
Doch, wer ihr Ziel erreichen will, der muß
Ihr Beispiel ganz befolgen, nicht nur halb.
Sie söhnte sich, als sie den Thron bestieg,
Mit allen ihren Feinden aus, nun hatte
Niemand von ihr zu fürchten, nur zu hoffen,
Kein Wunder, daß sie fest saß bis zum Tod!

Mariamne.
Das find ich kläglich! Wozu einen Zepter,
Wenn nicht, um Haß und Liebe zu befried'gen?
Die Fliegen zu verscheuchen g'nügt ein Zweig!

Joseph.
Sehr wahr!
(Zu Alexandra.) Und du?

Alexandra.
Sie sah im Traum wohl nie
Den Ahnherrn ihres Stamms, den großen Judas,
Sonst hätt' sie wahrlich keinen Feind gescheut,
Denn noch vom Grab aus schützt er seine Enkel,
Weil er in keinem Herzen sterben kann.
Wie sollt' er auch! Es kann ja niemand beten,
Der sich nicht sagen muß: ich dank es ihm,
Daß ich noch knieen darf vor meinem Gott
Und nicht vor Holz, vor Erz und Stein!

Joseph (für sich).
Der König
Hat recht gehabt! Ich muß die Tat vollbringen,
Und zwar an beiden, oder sie erleiden.
Ich muß mir auf das Haupt die Krone setzen,
Wenn ich's vorm Beil des Henkers sichern will.
Hier starrt mir eine Welt von Haß entgegen!
Wohlan, sie sprachen sich das Urteil selbst;
Ich hab sie jetzt zum letzten Mal geprüft,
Und wäre nur sein Bote da, ich würde
Es mitleidslos den Augenblick vollziehn!
Jedwede Vorbereitung ist getroffen.




Fünfte Szene

Ein Diener.
Der Hauptmann Titus bittet um Gehör!

Joseph.
Sogleich! (Will gehen.)

Alexandra.
Warum nicht hier?

Der Diener.
Da ist er schon!

Titus (tritt ein; zu Joseph, heimlich).
Was du befürchtetest, geschieht, das Volk
Empört sich!

Joseph.
Tu denn rasch, was ich befahl,
Stell die Kohorte auf und rücke aus!

Titus.
Das tat ich schon. Nun komm ich, dich zu fragen,
Ob du Gefangne oder Tote willst?
Mein Adler packt so gut, als er zerfleischt,
Und du mußt wissen, was dir besser frommt.

Joseph.
Blut darf nicht fließen!

Titus.
Gut! So hau ich ein,
Eh' sie die Steinigung begonnen haben,
Sonst tät' ich's später!

Joseph.
Sahst du Sameas?

Titus.
Den Pharisäer, der sich einst die Stirn
An meinem Schild fast einstieß, weil er stets
Die Augen schließt, sobald er mich erblickt?
Den sah ich allerdings!

Joseph.
Und wie? Sprich laut!

Titus.
Auf offnem Markt, von Tausenden umringt,
Herodes laut verfluchend!

Joseph (zu Alexandra).
Sameas
Ging erst vor einer Stunde fort von dir!

Alexandra.
Sahst du's?

Titus. (zu Joseph).
Erscheinst du selbst?

Joseph.
Sobald ich kann!
Einstweilen--

Titus.
Wohl! Ich geh! (Will gehen.)

Alexandra (ruft ihn um).
Ein Wort noch, Hauptmann
Warum entzogst du uns die Wache?

Mariamne.
Fehlt sie?

Alexandra.
Seit gestern abend. Ja!

Joseph.
Weil ich's gebot!

Titus.
Und weil der König, als er ging, mir sagte:
Dies ist der Mann, der meinen Willen weiß,
Was er gebietet, das gebiet ich selbst! (Ab.)

Alexandra (zu Joseph).
Und du?

Joseph.
Ich dachte, Judas Makkabäus
Wär' Schutz genug für dich und deine Tochter.
Im übrigen, du hörst, wie's draußen steht:
Ich brauche die Soldaten! (Für sich.) Wenn die Römer
So nahe wären, könnt' es mir mißglücken!
Heut schickt' ich Galiläer!

Alexandra (zu Mariamne).
Meinst du noch,
Mein Argwohn habe keinen Grund?

Mariamne.
Ich weiß nicht,
Doch jetzt steckt er mich an. Dies find ich seltsam!
Obgleich--Wenn aus der Wand ein Wurfspieß führe,
Es käme mir nicht unerwarteter!

Alexandra.
Zwei Stöße, und der Weg zum Thron ist frei;
Denn, gibt es keine Makkabäer mehr,
So kommen die Herodianer dran.

Mariamne.
Ich würde dich noch, jetzt verlachen, wäre
Nicht Salome sein Weib!--Bei meinem Bruder,
Ihr Kopf ist mein! Ich spreche zu Herodes:
Wie du mich rächst an ihr, so liebst du mich!
Denn sie, nur sie ist's! Der da nimmermehr!

Alexandra.
Du triumphierst zu früh! Erst gilt's zu handeln,
Und diesen Aufstand, dächt' ich, nutzten wir!

Mariamne.
Mit diesem Aufstand hab ich nichts zu schaffen,
Denn wenn Herodes wiederkehrt, so bleibt
Mir nichts zu fürchten, und wenn nicht, so kommt
Der Tod in jeglicher Gestalt mir recht!

Alexandra.
Ich geh! (Will ab.)

Joseph (vertritt ihr den Weg).
Wohin?

Alexandra.
Fürs erste auf die Zinne
Und dann, wohin es mir gefallen wird!

Joseph.
Zur Zinne steht der Weg dir frei! Die Burg
Ist abgesperrt!

Alexandra.
So wären wir Gefangne?

Joseph.
Solange, bis die Ruhe hergestellt ist,
Muß ich dich bitten--

Alexandra.
Was erkühnst du dich?

Joseph.
Ein Stein ist blind, ein röm'scher Wurfspieß auch,
Sie treffen beide oft, was sie nicht sollen,
Drum muß man ihnen aus dem Wege gehn!

Alexandra (zu Mariamne).
Ich steig hinauf und suche meinen Freunden
Durch Zeichen kundzutun, wie's mit uns steht.

Mariamne.
Durch Zeichen--deinen Freunden--Mutter, Mutter!
So bist du's wirklich selbst und nicht das Volk?
Wenn du dir selbst nur nicht die Grube gräbst!

(Alexandra will gehen.)

Joseph.
Du wirst gestatten, daß dich mein Trabant
Begleitet. Philo!

Alexandra.
Also offner Krieg?

(Philo tritt ein.)

Joseph (redet mit ihm, anfangs leise, dann laut).
Du hast verstanden?

Philo.
Ja!

Joseph.
Im schlimmsten Fall!

Philo.
Den wart ich ab, dann--

Joseph.
Und mir bürgt dein Kopf!
(Für sich.) Mir däucht, Herodes' Geist ist über mir!

Alexandra (für sich).
Ich gehe doch! Vielleicht ist der Soldat,
Obgleich ein Galiläer, zu gewinnen!
Versuchen will ich es! (Ab.)

(Philo folgt ihr.)

Joseph (für sich).
Ich kann nicht anders,
Wie sehr es mich verdächt'gen mag, der Aufruhr
Zwingt mich zu diesem Schritt, ich darf sie jetzt
Nicht aus den Augen lassen, wenn ich mir
Die Tat nicht selbst unmöglich machen will,
Denn jede Stunde kann sein Bote kommen!
Ihn selbst erwarte ich schon längst nicht mehr.

Mariamne.
Wann starb Herodes?

Joseph.
Wann er starb?

Mariamne.
Und wie?
Du mußt es wissen, da du so viel wagst!

Joseph.
Was wag ich denn? Du gibst mir Rätsel auf!

Mariamne.
Nichts, wenn du glaubst, ich finde keinen Schutz,
Sobald die Römer hören, daß mein Leben
Bedroht ist, alles, wenn du darin irrst.

Joseph.
Und wer bedroht dein Leben?

Mariamne.
Fragst du noch?
Du!

Joseph.
Ich?

Mariamne.
Kannst du das Gegenteil mir schwören?
Kannst du's bei deines Kindes Haupt?--Du schweigst!

Joseph.
Du hast mir keine Schwüre abzufodern.

Mariamne.
Wer so verklagt wird, leistet sie von selbst.
Doch weh dir, wenn Herodes wiederkehrt!
Ich sag ihm zweierlei vorm ersten Kuß,
Ich sag ihm, daß du sannst auf meinen Mord,
Ich sag ihm, was ich schwur: ermiß nun selbst,
Welch Schicksal dich erwartet, wenn er kommt!

Joseph.
Und was--was schwurst du? Wenn's mich schrecken soll,
So muß ich's wissen.

Mariamne.
Hör's zu deinem Fluch!
Daß ich mit eigner Hand mich töten will,
Wenn er--Oh, hätt' ich das geahnt! Nicht wahr?--
Dann hätte ich an einen kalten Gruß
Mich nie gekehrt, ich hätte fortgefahren,
Wie ich begann, und alles stünde wohl!
Denn anfangs warst du ein ganz andrer Mann!

Joseph.
Ich habe nichts zu fürchten!

Mariamne.
Weil du meinst,
Es sei unmöglich, daß er wiederkehrt!
Wer weiß! Und wenn! Ich halte meinen Schwur,
Doch eher nicht, bis ich an dir mich rächte,
Bis ich an dir, erzittre, so mich rächte,
Wie er mich rächen würde! Zieh doch jetzt
Sogleich dein Schwert! Du wagst es nicht? Ich glaub's!
Und wie du mich auch hüten magst, ich finde
Zum Hauptmann Titus sicher einen Weg!
Verloren ist dein Spiel, seit ich's durchschaut.

Joseph (für sich).
Wahr, wahr! (Zu Mariamne.) Ich halte dich beim Wort! Du rächst
Dich so, ganz so, wie er dich rächen würde!
Das hast du mir gelobt! Vergiß es nicht!

Mariamne.
So spricht der Wahnwitz! Daß Herodes mich
Mehr liebt, wie ich mich selber lieben kann,
Wird keiner, wird nicht einmal Salome,
Dein tück'sches Weib, bezweifeln, wenn sie mich
Auch eben darum doppelt hassen, wenn sie
Auch eben darum dir den Mordgedanken
Rachsüchtig eingegeben haben mag!
Daß er von ihr kommt, weiß ich, und ich will
Sie treffen, daß sie's fühlt, ihr Schmerz um dich
Soll meine letzte Lust auf Erden sein!

Joseph.
Du irrst dich! Doch gleichviel! Ich hab dein Wort!

Mariamne.
Du wiederholst es noch einmal? Verruchter,
Welch einen Aufruhr nächtlicher Gedanken
Weckst du mir in der Brust und welchen Argwohn!
Du sprichst, als ob Herodes selber mich
Zum Opfertier und dich zum Opferpriester
Erkoren hätte. Ist es so? Beim Abschied
Entfiel ihm, mit Entsetzen denk ich dran,
Ein dunkles Wort. Gib Antwort!

Joseph.
Diese geb ich
Sobald es nötig ist, sobald ich weiß,
Daß er--

Mariamne.
Dich nicht mehr Lügen strafen kann,
Wenn du ihn feig und schlecht des Schrecklichsten,
Des Maßlos-Ungeheuersten verklagtest,
Bloß um dich selbst vor mir zu reinigen?
Ich sage dir, ich höre dich nur jetzt,
Wo er vielleicht, eh' du noch endigtest,
Schon in die Tür tritt und dich niederstößt!
Schweig denn auf ewig, oder sprich sogleich!

Joseph.
Und wenn es wär'? Ich sag nicht, daß es ist!
Doch wenn es wär'? Was würd' es anders sein,
Als die Bestät'gung dessen, was du fühlst,
Als ein Beweis, daß er dich liebt, wie nie
Ein Mann sein Weib noch liebte?

Mariamne.
Was ist das?
Mir deucht, schon einmal hab ich das gehört!

Joseph.
Ich dächte doch, es könnte dir nur schmeicheln,
Wenn ihm der Tod nicht halb so bitter wär',
Als der Gedanke, dich--

Mariamne.
Was gilt die Wette,
Ich selber bring es jetzt für dich zu Ende!
Als der Gedanke, mich zurückzulassen
In einer Welt, wo ein Antonius lebt!

Joseph.
Nun ja! Ich sag nicht, daß er das gesagt--

Mariamne.
Er hat's gesagt! Er hat--Was hat er nicht!
Oh, daß er endlich käme!

Joseph.
Mariamne!--(Für sich.)
Wie hab ich mich verstrickt! Zwar tat ich nichts,
Als was ich mußte! Doch mich packt ein Grauen,
Daß er--ich seh den Aristobolus.
Verflucht die Tat, die einen Schatten wirft,
Eh' sie ins Leben tritt!

Mariamne.
So war das mehr,
Als eine tolle Blase des Gehirns,
Wie sie zuweilen aufsteigt und zerplatzt,
So war's--Von jetzt erst fängt mein Leben an,
Bis heute träumt' ich!




Sechste Szene

Ein Diener tritt ein; ihm folgt Salome.

Salome (zum Diener).
Ward's dir untersagt,
Hier ungemeldet jemand einzulassen?
Ich nehm's auf mich!

Joseph.
Du, Salome?

Salome.
Wer sonst?
Kein böser Geist! Dein Weib! Dein armes Weib,
Um das du warbst, wie Jakob warb um Rahel,
Und das du nun--(Zu Mariamne.) Verfluchte, war es dir
Noch nicht genug, daß du das Herz des Bruders
Mir abgewendet hast? Mußt du mir jetzt
Auch den Gemahl noch rauben? Tag und Nacht
Denkt er an dich, als wärest du schon Witwe,
Und ich noch weniger, als das! Bei Tage
Folgt er auf Schritt und Tritt dir nach! Bei Nacht
Träumt er von dir, nennt ängstlich deinen Namen,
Fährt aus dem Schlummer auf--(Zu Joseph.) Hielt ich's dir nicht
Noch diesen Morgen vor? Und heut sogar,
Wo ganz Jerusalem in Aufruhr ist,
Heut ist er nicht bei mir, nicht auf dem Markt,
Wo ich, weil er nicht kam, ihn suchen ließ,
Er ist bei dir, und ihr--ihr seid allein!

Mariamne.
Die ist es sicher nicht! So ist er's selbst!
Wenn noch ein Zweifel übrigblieb, so hat
Die blöde Eifersucht ihn jetzt erstickt!--
Ich war ihm nur ein Ding und weiter nichts!

Joseph (zu Salome).
Ich schwör dir--

Salome.
Daß ich blind bin?
Nein! Ich sehe!

Mariamne.
Der Sterbende, der seinen Feigenbaum
Abhauen ließe, weil er seine Früchte
Nach seinem Tode keinem andern gönnte,
Der Sterbende wär' ruchlos, und er hätte
Den Baum vielleicht doch selbst gepflanzt und wüßte,
Daß er den Dieb, daß er sogar den Mörder
Erquicken müßte, der ihn schüttelte.
Bei mir fällt beides weg! Und doch! Und doch!
Das ist ein Frevel, wie's noch keinen gab.

Salome (zu Joseph).
Du sprichst umsonst! Ein Auftrag! Welch ein Auftrag?

Mariamne.
Ein Auftrag! Dies das Siegel!--Wär' es möglich,
Jetzt müßt' es doch am ersten möglich sein!
Allein es ist nicht möglich! Keine Regung
Unedler Art befleckt mein Innerstes,
Wie es auch stürmt in meiner Brust! Ich würde
Antonius in diesem Augenblick
Dieselbe Antwort geben, die ich ihm
An unsrem Hochzeitstag gegeben hätte,
Das fühl ich, darum trifft's mich, wie's mich trifft,
Sonst müßte ich's ertragen, ja verzeihn!

Salome (zu Mariamne).
Ich bin für dich nicht da, wie's scheint?

Mariamne.

Doch! Doch!
Du hast sogar die größte Wohltat mir
Erzeigt, ich, die ich blind war, sehe jetzt,
Ich sehe hell und das allein durch dich!

Salome.
Verhöhnst du mich? Auch das sollst du mir büßen,
Wenn nur mein Bruder wiederkehrt! Ich werde
Ihm alles sagen--

Mariamne.
Was? Ja so! Das tu!
Und hört er drauf--Warum denn nicht? Was lach ich?
Ist das denn noch unmöglich?--Hört er drauf,
So nimm mein Wort: ich widersprech dir nicht!
Ich liebe mich nicht mehr genug dazu!




Siebente Szene

Alexandra (stürzt herein).
Der König!

Joseph.
In der Stadt?

Alexandra.
Schon in der Burg!





Dritter Akt

Burg Zion. Alexandras Gemächer.




Erste Szene

Alexandra. Joseph. Salome. Herodes tritt ein. Sein Gefolge. Soemus.

Herodes.
Da wär' ich wieder! (Zu Soemus.) Blutet's noch? Der Stein
Hat mir gegolten, und er traf dich nur,
Weil du gerade kamst, mir was zu sagen,
Dein Kopf war diesmal deines Königs Schild!
Wärst du geblieben, wo du warst--

Soemus.
So hätt' ich
Die Wunde nicht, doch auch nicht das Verdienst,
Wenn es ein solches ist. In Galiläa
Wird höchstens der gesteinigt, der es wagt,
Sich dir und mir, der ich dein Schatten bin,
Dein Sprachrohr, oder, was du immer willst,
Zu widersetzen.

Herodes.
Ja, da sind sie
treu!
Dem eignen Vorteil nämlich, und weil dieser
Mit meinem Hand in Hand geht, meinem auch.

Soemus.
Wie sehr, das siehst du daran, daß du mich
In deiner Hauptstadt findest.

Herodes.
In der Tat,
Dich hier zu treffen, hätt' ich nicht erwartet;
Denn, wenn der König fern ist, tun die Wächter
Den störrigen Provinzen doppelt not!
Was trieb dich denn von deinem Posten fort?
Doch ganz gewiß was andres, als der Wunsch,
Mir zu beweisen, daß er ungefährdet
Verlassen werden könne, und die Ahnung,
Daß hier ein Steinwurf aufzufangen sei!

Soemus.
Ich kam herüber, um dem Vizekönig
Entdeckungen von wunderbarer Art
In schuld'ger Eile mündlich mitzuteilen.
Ich wollt' ihm melden, daß die Pharisäer
Sogar den starren Boden Galiläas,
Wenn auch umsonst, zu unterhöhlen suchen,
Doch meine Warnung kam zu spät, ich fand
Jerusalem in Flammen vor und konnte
Nur löschen helfen!

Herodes (reicht ihm die Hand).
Und das tatest du
Mit deinem Blut!--Sieh, Joseph, guten Tag!
Dich hätt' ich anderswo gesucht!--Schon gut!
Jetzt aber geh und schaff den Sameas,
Den Pharisäer, den der Hauptmann Titus
Auf Skythenart gefangenhält, hieher.
Der starre Römer schleppt ihn, an den Schweif
Des Rosses, das er reitet, festgebunden,
Mit sich herum, weil er im heil'gen Eifer
Auf offnem Markt nach ihm gespieen hat.
Nun muß er rennen, wie er niemals noch
Gerannt sein mag, wenn er nicht fallen und
Geschleift sein will. Ich hätte ihn sogleich,
Wie ich vorüberkam, erlösen sollen!
Verdanke ich's doch sicher ihm allein,
Daß ich jetzt alle Schlangen, die bisher
Sich still vor mir verkrochen, kennenlernte!
Nun kann ich sie zertreten, wann ich will!
(Joseph ab,--Herodes zu Alexandra.)
Ich grüße dich! Und vom Antonius
Soll ich dir melden, daß man einen Fluß
Nicht vor Gericht ziehn kann, und einen König
In dessen Land er fließt, noch weniger,
Weil er ihn nicht verschütten ließ! (Zu Soemus.) Ich wär'
Längst wieder hier gewesen, doch wenn Freunde
Zusammenkommen, die sich selten sehn,
So halten sie sich fest! Das wird auch dir,
Ich sag es dir voraus, bei mir geschehn,
Nun ich dich endlich einmal wieder habe.
Du wirst mit mir die Feigen schütteln müssen,
So wie ich dem Antonius die Muränen,
Pfui, Schlemmerei! in Strömen von Falerner
Ersticken helfen und für manchen Schwank
Aus unsrer frühern Zeit ihm das Gedächtnis
Auffrischen mußte! Mach dich nur gefaßt,
Mir gleichen Dienst zu leisten. Hab ich auch
Vom Triumphator nicht genug in mir,
Daß ich dich so zu mir entboten hätte,
Wie er mich selbst zu sich entbot, zum Schein
Auf eine abgeschmackte Klage hörend,
Die Stirn, wie Cäsar, runzelnd und den Arm
Mit Blitz und Donnerkeil zugleich bewaffnend,
Bloß um gewiß zu sein--dies war der Grund,
Warum er's tat--daß ich auch wirklich käme,
So mach ich mir den Zufall, der dich heute
Mir in die Hände liefert, doch zunutz,
Und sprech, wie er, wenn du von deinem Amt
Zu reden anfängst: Führst du's, wie du sollst,
So braucht es dich nicht jeden Augenblick!
Du kommst so selten, daß es scheint, als wärst
Du hier nicht gern,

Soemus.
Du tust mir unrecht, Herr,
Doch hab ich Ursach', nicht zu oft zu kommen!

Herodes (zu Salome).
Auch du bist hier?--So lerntest du es endlich
Dir einzubilden, wenn du Mariamnen
Begegnest, daß du in den Spiegel siehst
Und deinen eignen Widerschein erblickst?
Oft riet ich's dir, wenn du ihr grolltest, niemals
Gefiel der Rat dir! Nimm den Scherz nicht krumm!
Man kann nichts übles in der Stunde tun,
Wo man sich wiedersieht! Doch, wo ist sie?
Man sagte mir, sie sei bei ihrer Mutter,
Drum kam ich her!

Salome.
Sie ging, als sie vernahm,
Daß du dich nähertest!

Herodes.
Sie ging? Unmöglich!
Doch wohl! Sie tat es, weil die Einsamkeit
Dem Wiedersehen ziemt!--(Für sich.) Willst du ihr zürnen
Statt abzubitten, Herz?--Ich folge ihr,
Denn ihr Gefühl hat recht!

Salome.
Belüg dich nur,
Und leg den Schreck, dich auferstehn zu sehn,
Die Scham, an deinen Tod geglaubt zu haben,
Die größere, kaum Witwe mehr zu sein,
Leg ihr das alles aus, als wär's die Scheu
Des Mägdleins, das noch keinen Mann erkannt,
Nicht die Verwirrung einer Sünderin!
Sie ging aus Furcht!

Herodes.
Aus Furcht?--Sieh um dich her,
Wir sind hier nicht allein!

Salome.
Das ist mir recht,
Bring ich vor Zeugen meine Klage an,
So wird sie um so sicherer gehört,
Und um so schwerer unterdrückt!

Herodes.
Du stellst
Dich zwischen mich und sie? Nimm dich in acht,
Du kannst zertreten werden!

Salome.
Diesmal nicht,
Obgleich ich weiß, was dir die Schwester gilt,
Wenn's um die Makkabäerin sich handelt,
Diesmal--

Herodes.
Ich sag dir eins! Wär' an dem Tag,
An dem ich sie zum ersten Mal erblickte,
Ein Kläger aufgestanden wider sie,
Er hätt' nicht leicht Gehör bei mir gefunden,
Doch leichter noch, wie heut! Das warne dich!
Ich bin ihr so viel schuldig, daß sie mir
Nichts schuldig werden kann, und fühl es tief!

Salome.
So hat sie einen Freibrief?

Herodes.
Jede Larve
Zu tragen, die ihr gut scheint, dich zu täuschen,
Wenn sie sich Kurzweil mit dir machen will!

Salome.
Dann--ja, dann muß ich schweigen! Wozu spräch' ich!
Denn, was ich dir auch sagen möchte, immer
Wär' deine Antwort fertig: Mummerei!
Nun diese Mummerei ist gut geglückt,
Sie hat nicht mich allein, sie hat die Welt
Mit mir berückt und kostet dir die Ehre,
Wie mir die Ruh', ob du auch schwören magst,
Daß Joseph nur getan, was er gesollt,
Wenn er--Sieh zu, ob es ein Mensch dir glaubt!

Herodes.
Wenn er--Was unterdrückst du? Endige!
Doch nein--Noch nicht! (Zu einem Diener.) Ich laß die Königin
Ersuchen zu erscheinen!--Ist es nicht,
Als wär' die ganze Welt von Spinnen rein,
Und alle nisteten in meinem Hause,
Um, wenn einmal für mich der blaue Himmel
Zu sehen ist, ihn gleich mir zu verhängen
Und Wolkendienst zu tun? Zwar--seltsam ist's,
Daß sie nicht kommt! Sie hätt' mich küssen müssen,
Der Allgewalt des Augenblicks erliegend,
Und dann die Lippen sich zerbeißen mögen,
Wenn das Gespenst denn noch nicht von ihr wich!
(Zu Salome.) Weißt du, was du gewagt hast? Weißt du's, Weib?
Ich freute mich! Verstehst du das? Und nun--
Die Erde hat mir einmal einen Becher
Mit Wein verschüttet, als ich durstig war,
Weil sie zu zucken anfing, eh' ich ihn
Noch leerte, ihr verzieh ich, weil ich mußte,
An dir könnt' ich mich rächen!




Zweite Szene

Mariamne tritt auf.

Herodes.
Wirf dich nieder
Vor ihr, die du vor so viel Zeugen kränktest,
Dann tu' ich's nicht!

Salome.
Ha!

Alexandra.
Was bedeutet das?

Herodes.
Nun, Mariamne?

Mariamne.
Was befiehlt der König?
Ich bin entboten worden und erschien!

Alexandra.
Ist dies das Weib, das schwur, sich selbst zu töten,
Wenn er nicht wiederkehrte?

Herodes.
Dies dein Gruß?

Mariamne.
Der König ließ mich rufen, ihn zu grüßen?
Ich grüße ihn! Da ist das Werk vollbracht!

Alexandra.
Du irrst dich sehr! Du stehst hier vor Gericht!

Herodes.
Man wollte dich verklagen! Eh' ich noch
Die Klage angehört, ließ ich dich bitten,
Hieherzukommen, aber wahrlich nicht,
Daß du dich gegen sie verteidigtest,
Nur, weil ich glaube, daß sie in sich selbst
Ersticken wird vor deiner Gegenwart!

Mariamne.
Um das zu hindern, sollt' ich wieder gehn!

Herodes.
Wie, Mariamne? Nie gehörtest du
Zu jenen Seelen jammervoller Art,
Die, wie sie eben Antlitz oder Rücken
Des Feindes sehn, verzeihn und wieder grollen,
Weil sie zu schwach für einen echten Haß
Und auch zu klein für volle Großmut sind.
Was hat dich denn im Tiefsten so verwandelt,
Daß du dich ihnen jetzt noch zugesellst?
Du hast doch, als ich schied, ein Lebewohl
Für mich gehabt; dies deucht mir, gab mir Anspruch
Auf dein Willkommen und du weigerst das?
Du stehst so da, als lägen Berg und Tal
Noch zwischen uns, die uns so lange trennten?
Du trittst zurück, wenn ich mich nähern will?
So ist dir meine Wiederkunft verhaßt?

Mariamne.
Wie sollte sie? Sie gibt mir ja das Leben
Zurück!

Herodes.
Das Leben? Welch ein Wort ist dies!

Mariamne.
Du wirst nicht leugnen, daß du mich verstehst!

Herodes (für sich).
Kann sie's denn wissen?
(Zu Mariamne.) Komm!
(Da Mariamne nicht folgt.) Laßt uns allein!
(Zu Alexandra.)
Du wirst verzeihn!

Alexandra.
Gewiß!

(Ab. Alle andern folgen ihr.)

Mariamne.
So feig!

Herodes.
So feig?

Mariamne.
Und auch--Wie nenn ich's nur?

Herodes.
Und auch?--(Für sich.)
Das wär'
Entsetzlich! Nimmer löscht' ich's in ihr aus!

Mariamne.
Ob ihm sein Weib ins Grab freiwillig folgt,
Ob sie des Henkers Hand hinunterstößt--
Ihm gleich, wenn sie nur wirklich stirbt! Er läßt
Zum Opfertod ihr nicht einmal die Zeit!

Herodes.
Sie weiß es!

Mariamne.
Ist Antonius denn ein Mensch,
Wie ich bisher geglaubt, ein Mensch, wie du,
Oder ein Dämon, wie du glauben mußt,
Da du verzweifelst, ob in meinem Busen
Noch ein Gefühl von Pflicht, ein Rest von Stolz
Ihm widerstehen würde, wenn er triefend
Von deinem Blut als Freier vor mich träte
Und mich bestürmte, ihm die Zeit zu kürzen,
Die die ägypterin ihm übrigläßt?

Herodes.
Doch wie? Doch wie?

Mariamne.
Er müßte dich ja doch
Getötet haben, eh' er werben könnte,
Und wenn du selbst dich denn--ich hätt' es nie
Gedacht, allein ich seh's!--so nichtig fühlst,
Daß du verzagst, in deines Weibes Herzen
Durch deines Männerwertes Vollgehalt
Ihn aufzuwägen, was berechtigt dich,
Mich so gering zu achten, daß du fürchtest,
Ich wiese selbst den Mörder nicht zurück?
O Doppelschmach!

Herodes (ausbrechend).
Um welchen Preis erfuhrst
Du dies Geheimnis? Wohlfeil war es nicht!
Mir stand ein Kopf zum Pfand!

Mariamne.
O Salome,
Du kanntest deinen Bruder!--Frage den,
Der mir's verriet, was er empfangen hat,
Von mir erwarte keine Antwort mehr! (Wendet sich.)

Herodes.
Ich zeig dir gleich, wie ich ihn fragen will!
Soemus!




Dritte Szene

Soemus tritt ein.

Herodes.
Ist mein Schwäher Joseph draußen?

Soemus.
Er harrt mit Sameas.

Herodes.
Führ ihn hinweg!
Ich gab ihm einen Brief! Er soll den Brief
Alsbald bestellen! Du begleitest ihn
Und sorgst, daß alles treu vollzogen wird,
Was dieser Brief befiehlt!

Soemus.
Es soll geschehn! (Ab.)

Herodes.
Was du auch ahnen, denken, wissen magst,
Du hast mich doch mißkannt!

Mariamne.
Dem Brudermord
Hast du das Siegel der Notwendigkeit,
Dem man sich beugen muß, wie man auch schaudert,
Zwar aufgedrückt, doch es gelingt dir nie,
Mit diesem Siegel auch den Mord an mir
Zu stempeln, der wird bleiben, was er ist,
Ein Frevel, den man höchstens wiederholen,
Doch nun und nimmer überbieten kann!

Herodes. Ich würde nicht den Mut zur Antwort haben,
Wenn ich, was ich auch immer wagen mochte,
Des Ausgangs nicht gewiß gewesen wäre,
Das war ich aber, und ich war es nur,
Weil ich mein alles auf das Spiel gesetzt!
Ich tat, was auf dem Schlachtfeld der Soldat
Wohl tut, wenn es ein Allerletztes gilt,
Er schleudert die Standarte, die ihn führt,
An der sein Glück und seine Ehre hängt,
Entschlossen von sich ins Gewühl der Feinde,
Doch nicht, weil er sie preiszugeben denkt:
Er stürzt sich nach, er holt sie sich zurück,
Und bringt den Kranz, der schon nicht mehr dem Mut
Nur der Verzweiflung noch erreichbar war,
Den Kranz des Siegs, wenn auch zerrissen, mit.
Du hast mich feig genannt. Wenn der es ist,
Der einen Dämon in sich selber fürchtet,
So bin ich es zuweilen, aber nur,
Wenn ich mein Ziel auf krummem Weg erreichen,
Wenn ich mich ducken und mich stellen soll,
Als ob ich der nicht wäre, der ich bin.
Dann ängstigt's mich, ich möchte mich zu früh
Aufrichten, und um meinen Stolz zu zähmen,
Der, leicht empört, mich dazu spornen könnte,
Knüpf ich an mich, was mehr ist, als ich selbst,
Und mit mir stehen oder fallen muß.
Weißt du, was meiner harrte, als ich ging?
Kein Zweikampf und noch minder ein Gericht,
Ein launischer Tyrann, vor dem ich mich
Verleugnen sollte, aber sicher nicht
Verleugnet hätte, wenn--Ich dachte dein,
Nun knirscht' ich nicht einmal--und was er auch
Dem Mann und König in mir bieten mochte,
Von Schmaus zu Schmaus mich schleppend und den Freispruch
Mir doch, unheimlich schweigend, vorenthaltend,
Geduldig, wie ein Sklave, nahm ich's hin!

Mariamne.
Du sprichst umsonst! Du hast in mir die Menschheit
Geschändet, meinen Schmerz muß jeder teilen,
Der Mensch ist, wie ich selbst, er braucht mir nicht
Verwandt, er braucht nicht Weib zu sein, wie ich.
Als du durch heimlich-stillen Mord den Bruder
Mir raubtest, konnten die nur mit mir weinen,
Die Brüder haben, alle andern mochten
Noch trocknen Auges auf die Seite treten
Und mir ihr Mitleid weigern. Doch ein Leben
Hat jedermann und keiner will das Leben
Sich nehmen lassen, als von Gott allein,
Der es gegeben hat! Solch einen Frevel
Verdammt das ganze menschliche Geschlecht,
Verdammt das Schicksal, das ihn zwar beginnen
Doch nicht gelingen ließ, verdammst du selbst!
Und wenn der Mensch in mir so tief durch dich
Gekränkt ist, sprich, was soll das Weib empfinden,
Wie steh ich jetzt zu dir und du zu mir?




Vierte Szene

Salome (stürzt herein).
Entsetzlicher, was sinnst du? Meinen Gatten
Seh ich von hinnen führen--er beschwört mich,
Dich um Erbarmung anzuflehn--ich zaudre,
Weil ich ihm grolle und ihn nicht verstehe--
Und nun--nun hör ich grause Dinge flüstern--
Man spricht--Man lügt, nicht wahr?

Herodes.
Dein Gatte
stirbt!

Salome.
Eh' er gerichtet wurde? Nimmermehr!

Herodes.
Er ist gerichtet durch sich selbst! Er hatte
Den Brief, der ihn zum Tod verdammt, in Händen,
Eh' er sich gegen mich verging, er wußte,
Welch eine Strafe ihn erwartete,
Wenn er es tat; er unterwarf sich ihr
Und tat es doch!

Salome.
Herodes, höre mich!
Weißt du das denn gewiß? Ich habe ihn
Verklagt, ich glaubte es mit Recht zu tun,
Ich hatte Grund dazu--Daß er sie liebte,
War offenbar, er hatte ja für mich
Nicht einen Blick mehr, keinen Händedruck--
Er war bei Tage um sie, wann er konnte,
Und nachts verrieten seine Träume mir,
Wie sehr sie ihn beschäftigte--Das alles
Ist wahr, und mehr--Doch folgt aus diesem allen
Noch nicht, daß sie ihn wieder lieben mußte,
Noch weniger, daß sie--O nein! o nein!
Mich riß die Eifersucht dahin--vergib!
Vergib auch du. (Zu Mariamne.) Ich habe dich gehaßt!
O Gott, die Zeit vergeht! Man sprach--Soll ich
Dich lieben, wie ich dich gehaßt? Dann sei
Nicht länger stumm, sprich, daß er schuldlos ist
Und bitt für ihn um Gnade, wie ich selbst!

Mariamne.
Er ist's!

Herodes.
In ihrem Sinn--in meinem nicht!

Mariamne.
In deinem auch!

Herodes.
Dann müßtest du nichts wissen!
Jetzt kann ihn nichts entschuldigen! Und wenn ich
Den Tod ihm geben lasse, ohne ihn
Vorher zu hören, so geschieht's zwar mit,
Weil ich dir zeigen will, daß ich von dir
Nicht niedrig denke und das rasche Wort,
Das mir im ersten Zorn entfiel, bereue,
Doch mehr noch, weil ich weiß, daß er mir nichts
Zu sagen haben kann!




Fünfte Szene

Soemus.
Das blut'ge Werk
Ist abgetan! Doch ganz Jerusalem
Steht starr und fragt, warum der Mann, den du
Zu deinem Stellvertreter machtest, als du
Von hinnen zogst, bei deiner Wiederkehr
Den Kopf verlieren mußte!

Salome (taumelt).
Wehe mir!
(Mariamne will sie auffangen.)
Fort! Fort!
(Zu Herodes.)
Und die?

Herodes.
Gib dich zufrieden, Schwester!
Dein Gatte hat mich fürchterlich betrogen--

Salome.
Und die?

Herodes.
Nicht so, wie du es meinst--

Salome.

Nicht so?
Wie denn? Sie willst du retten? Wenn mein Gatte
Dich fürchterlich betrog, so tat sie's auch,
Denn wahr ist, was ich sagte, und ein jeder
Soll's wissen, der es noch nicht weiß! Du sollst
In ihrem Blut dich waschen, wie in seinem,
Sonst wirst du niemals wieder rein! Nicht so!

Herodes.
Bei allem, was mir heilig ist--

Salome.
So nenne
Mir sein Verbrechen, wenn es das nicht war!

Herodes.
Wollt' ich es nennen, würde ich's vergrößern!
Ich hatt' ihm ein Geheimnis anvertraut,
An dem mein alles hing, und dies Geheimnis
Hat er verraten, soll auch ich das tun?

Salome.
Elende Ausflucht, die mich schrecken wird!
Meinst du, daß du mich täuschen kannst? Du glaubst
An alles, was ich sagte, doch du bist
Zu schwach, um deine Liebe zu ersticken,
Und ziehst es vor, die Schande zu verhüllen,
Die du nicht tilgen magst. Doch wenn du mich,
Die Schwester, nicht, wie meinen Gatten tötest,
So wird dir das mißlingen! (Zu Mariamne.) Er ist tot,
Nun kannst du schwören, was du willst, er wird
Nicht widersprechen! (Ab.)

Herodes.
Folg ihr nach, Soemus,
Und such sie zu begütigen! Du kennst sie,
Und eh'mals hat sie gern auf dich gehört!

Soemus.
Die Zeiten sind vorüber! Doch, ich geh! (Ab.)

Mariamne (für sich).
Für den, der mich ermorden wollte hätt' ich
Wohl nicht gebeten! Dennoch schaudre ich,
Daß mir nicht einmal Zeit blieb, es zu tun!

Herodes (für sich).
Er mußte doch daran! Im nächsten Krieg
Hätt' er den Platz des Urias bekommen!
Und dennoch reut mich diese Eile jetzt!




Sechste Szene

Ein Bote (tritt auf).
Mich schickt Antonius!

Herodes.
So weiß ich auch,
Was du mir bringst. Ich soll mich fertigmachen,
Der große Kampf, von dem er sprach, beginnt!

Bote.
Octavianus hat nach Afrika
Sich eingeschifft, ihm eilt Antonius
Entgegen, mit Cleopatra vereint,
Um gleich bei Aktium ihn zu empfangen--

Herodes.
Und ich, Herodes, soll der Dritte sein!
Schon gut! Ich zieh noch heut! Soemus kann,
So schlecht es hier auch stehn mag, mich ersetzen.
Gut, daß er kam!

Mariamne.
Er zieht noch einmal
fort!
Dank, Ew'ger, Dank!

Herodes (sie beobachtend).
Ha!

Bote.
Großer König, nein!
Er braucht dich nicht bei Aktium, er will,
Daß du die Araber, die sich empörten,
Verhindern sollst, dem Feind sich anzuschließen!
Das ist der Dienst, den er von dir verlangt.

Herodes.
Er hat den Platz, wo ich ihm nützen kann,
Mir anzuweisen!

Mariamne.
Noch einmal! Das
löst
Ja alles wieder!

Herodes (wie vorher).
Wie mein Weib sich freut!
(Zum Boten.)
Sag ihm--du weißt's ja schon!--
(Für sich.)
Die Stirn entrunzelt,
Die Hände, wie zum Dankgebet, gefaltet--
Das ist ihr Herz!

Bote.
Sonst hast du nichts für mich?

Mariamne.
Jetzt werd' ich's sehn, ob's bloß ein Fieber war,
Das Fieber der gereizten Leidenschaft,
Das ihn verwirrte, oder ob sich mir
In klarer Tat sein Innerstes verriet!
Jetzt werd' ich's sehn!

Herodes (zum Boten).
Nichts! Nichts!
(Bote ab.--Herodes zu Mariamne.) Dein Angesicht
Hat sich erheitert! Aber hoffe nicht
Zu viel! Man stirbt nicht stets in einem Krieg,
Aus manchem kehrt' ich schon zurück!

Mariamne (will reden, unterbricht sich aber).
Nein! Nein

Herodes.
Zwar gilt es diesmal einen hitz'gern Kampf,
Wie jemals, alle andern Kämpfe wurden
Um etwas in der Welt geführt, doch dieser
Wird um die Welt geführt, er soll entscheiden,
Wer Herr der Welt ist, ob Antonius,
Der Wüst--und Lüstling, oder ob Octav,
Der sein Verdienst erschöpft, sobald er schwört,
Daß er noch nie im Leben trunken war,
Da wird es Streiche setzen, aber dennoch
Ist's möglich, daß dein Wunsch sich nicht erfüllt,
Und daß der Tod an mir vorübergeht!

Mariamne.
Mein Wunsch! Doch wohl! Mein Wunsch! So ist es gut
Halt an dich, Herz! Verrat dich nicht! Die Probe
Ist keine, wenn er ahnt, was dich bewegt!
Besteht er sie, wie wirst du selbst belohnt,
Wie kannst du ihn belohnen! Laß dich denn
Von ihm verkennen! Prüf ihn! Denk ans Ende
Und an den Kranz, den du ihm reichen darfst,
Wenn er den Dämon überwunden hat!

Herodes.
Ich danke dir! Du hast mir jetzt das Herz
Erleichtert! Mag ich auch an deiner Menschheit
Gefrevelt haben, das erkenn ich klar,
An deiner Liebe frevelte ich nicht!
Drum bettle ich denn auch bei deiner Liebe
Nicht um ein letztes Opfer mehr, doch hoff ich,
Daß du mir eine letzte Pflicht erfüllst.
Ich hoffe das nicht meinetwegen bloß,
Ich hoff es deinetwegen noch viel mehr,
Du wirst nicht wollen, daß ich dich nur noch
Im Nebel sehen soll, du wirst dafür,
Daß ich den Mund des Toten selbst verschloß,
Den deinen öffnen und es mir erklären,
Wie's kam, daß er den Kopf an dich verschenkte,
Du wirst es deiner Menschheit wegen tun,
Du wirst es tun, weil du dich selber ehrst!

Mariamne.
Weil ich mich selber ehre, tu ich's nicht!

Herodes.
So weigerst du mir selbst, was billig ist?

Mariamne.
Was billig ist! So wär' es also billig,
Daß ich, auf Knieen vor dir niederstürzend,
Dir schwüre: Herr, dein Knecht kam mir nicht nah!
Und daß du's glauben kannst--denn auf Vertraun
Hab ich kein Recht, wenn ich dein Weib auch bin--
So hör noch dies und das! O pfui! pfui!
Herodes, nein! Fragt deine Neugier einst,
So antwort ich vielleicht! Jetzt bin ich stumm!

Herodes.
Wär' deine Liebe groß genug gewesen,
Mir alles zu verzeihn, was ich aus Liebe
Getan, ich hätt' dich niemals so gefragt!
Jetzt, da ich weiß, wie klein sie ist, jetzt muß ich
Die Frage wiederholen, denn die Bürgschaft,
Die deine Liebe mir gewährt, kann doch
Nicht größer sein, wie deine Liebe selbst,
Und eine Liebe, die das Leben höher
Als den Geliebten schätzt, ist mir ein Nichts!

Mariamne.
Und dennoch schweig ich!

Herodes.
So verdamm ich mich,
Den Mund, der mir, zu stolz, nicht schwören will,
Daß ihn kein andrer küßte, selbst nicht mehr
Zu küssen, bis er es in Demut tut;
Ja, wenn's ein Mittel gäbe, die Erinnrung
An dich in meinem Herzen auszulöschen,
Wenn ich, indem ich beide Augen mir
Durchstäche und die Spiegel deiner Schönheit
Vertilgte, auch dein Bild vertilgen könnte,
In dieser Stunde noch durchstäch' ich sie.

Mariamne.
Herodes, mäß'ge dich! Du hast vielleicht
Gerade jetzt dein Schicksal in den Händen
Und kannst es wenden, wie es dir gefällt!
Für jeden Menschen kommt der Augenblick,
In dem der Lenker seines Sterns ihm selbst
Die Zügel übergibt. Nur das ist schlimm,
Daß er den Augenblick nicht kennt, daß jeder
Es sein kann, der vorüberrollt! Mir ahnt,
Für dich ist's dieser! Darum halte ein!
Wie du dir heut die Bahn des Lebens zeichnest,
Mußt du vielleicht sie bis ans Ende wandeln:
Willst du das tun im wilden Rausch des Zorns?

Herodes.
Ich fürchte sehr, du ahnst nur halb das Rechte,
Der Wendepunkt ist da, allein für dich!
Denn ich, was will ich denn? Doch nur ein Mittel,
Womit ich böse Träume scheuchen kann!

Mariamne.
Ich will dich nicht verstehn! Ich hab dir Kinder
Geboren! Denk an die!

Herodes.
Wer schweigt, wie du,
Weckt den Verdacht, daß er die Wahrheit nicht
Zu sagen wagt und doch nicht lügen will.

Mariamne.
Nicht weiter!

Herodes.
Nein, nicht weiter! Lebe
wohl!
Und wenn ich wiederkehre, zürne drob
Nicht allzusehr!

Mariamne.
Herodes!

Herodes.
Sei gewiß,
Ich werde dir nicht wieder so, wie heute,
Den Gruß entpressen!

Mariamne.
Nein, es wird nicht wieder
Vonnöten sein! (Gen Himmel.) Lenk, Ewiger, sein Herz!
Ich hatt' ihm ja den Brudermord verziehn,
Ich war bereit, ihm in den Tod zu folgen,
Ich bin es noch, vermag ein Mensch denn mehr?
Du tatest, was du nie noch tatst, du wälztest
Das Rad der Zeit zurück, es steht noch einmal,
Wie es vorher stand; laß ihn anders denn
Jetzt handeln, so vergeß ich, was geschehn;
Vergeß es so, als hätte er im Fieber
Mit seinem Schwert mir einen Todesstreich
Versetzt und mich genesend selbst verbunden.
(Zu Herodes.)
Seh ich dich noch?

Herodes.
Wenn du mich kommen siehst,
So ruf nach Ketten! Das sei dir Beweis,
Daß ich verrückt geworden bin!

Mariamne.
Du wirst
Dies Wort bereun!--Halt an dich, Herz!--Du wirst! (Ab.)

Herodes.
Wahr ist's, ich ging zu weit. Das sagte ich
Mir unterwegs schon selbst. Doch wahr nicht minder,
Wenn sie mich liebte, würde sie's verzeihn!
Wenn sie mich liebte! Hat sie mich geliebt?
Ich glaub es. Aber jetzt--Wie sich der Tote
Im Grabe noch zu rächen weiß! Ich schaffte
Ihn fort, um meine Krone mir zu sichern,
Er nahm, was mehr wog, mit hinweg: ihr Herz!
Denn seltsam hat sie, seit ihr Bruder starb,
Sich gegen mich verändert, niemals fand
Ich zwischen ihr und ihrer Mutter noch
Die kleinste Spur von ähnlichkeit heraus,
Heut glich sie ihr in mehr als einem Zug,
Drum kann ich ihr nicht mehr vertraun, wie sonst!
Das ist gewiß! Doch, muß es darum auch
Sogleich gewiß sein, daß sie mich betrog?
Die Bürgschaft, die in ihrer Liebe lag,
Ist weggefallen, aber eine zweite
Liegt noch in ihrem Stolz, und wird ein Stolz,
Der es verschmäht, sich zu verteidigen,
Es nicht noch mehr verschmähn, sich zu beflecken?
Zwar weiß sie's! Joseph! Warum kann der Mensch
Nur töten, nicht die Toten wieder wecken,
Er sollte beides können, oder keins!
Der rächt sich auch! Er kommt nicht! Dennoch seh ich
Ihn vor mir! "Du befiehlst?"--Es ist unmöglich!
Ich will's nicht glauben! Schweig mir, Salome!
Wie es auch kam, so kam es nicht! Vielleicht
Fraß das Geheimnis, wie verschlucktes Feuer,
Von selbst sich bei ihm durch. Vielleicht verriet er's,
Weil er mich für verloren hielt und nun
Mit Alexandra sich versöhnen wollte,
Bevor die Kunde kam. Wir werden sehn!
Denn prüfen muß ich sie! Hätt' ich geahnt,
Daß sie's erfahren könnte, nimmer wär' ich
So weit gegangen. Jetzt, da sie es weiß,
Jetzt muß ich weiter gehn! Denn, nun sie's weiß,
Nun muß ich das von ihrer Rache fürchten,
Was ich von ihrer Wankelmütigkeit
Vielleicht mit Unrecht fürchtete, muß fürchten,
Daß sie auf meinem Grabe Hochzeit hält!
Soemus kam zur rechten Zeit. Er ist
Ein Mann, der, wär' ich selbst nicht auf der Welt,
Da stünde, wo ich steh. Wie treu er denkt,
Wie eifrig er mir dient, beweist sein Kommen.
Ihm geb ich jetzt den Auftrag! Daß sie nichts
Aus ihm herauslockt, weiß ich, wenn sie ihn
Auf Menschenart versucht!--Verrät er mich,
So zahlt sie einen Preis, der--Salome,
Dann hast du recht gehabt!--Es gilt die Probe! (Ab.)





Vierter Akt

Burg Zion. Mariamnens Gemächer.




Erste Szene

Mariamne. Alexandra.

Alexandra.
Du gibst mir Rätsel auf. Zuerst der Schwur:
Ich töte mich, wenn er nicht wiederkehrt!
Dann bittre Kälte, als er kam, ein Trotz,
Der ihn empören mußte, wie er mich
Erfreute! Nun die tiefste Trauer wieder!
Den möcht ich sehn, der dich begreifen kann.

Mariamne.
Wenn das so schwer ist, warum plagst du dich?

Alexandra.
Und dann die widerwillig-herbe Art,
Mit der du den Soemus ferne hältst!
Man sieht's ihm an, er hat was auf dem Herzen--

Mariamne.
Meinst du?

Alexandra.
Gewiß! Auch möcht' er's uns vertraun,
Allein er wagt es nicht, er würde sich,
Wenn er dich in den Jordan stürzen sähe,
Vielleicht bedenken, ob er dich vom Tod
Auch retten dürfe, und er hätte recht,
Denn maßlos schnöde bist du gegen ihn!

Mariamne.
Nicht wahr, Herodes wird nicht sagen können,
Ich hätte seinen Freund versucht, ich hätte
Ihm sein Geheimnis, wenn er eines hat,
Mit Schmeicheln abgelistet. Nein, ich stell's
Dem Himmel heim, ob ich's erfahren soll!
Mir sagt's mein Herz, ich wage nichts dabei!




Zweite Szene

Sameas (tritt ein; er trägt Ketten an den Händen).
Der Herr ist groß!

Mariamne.
Er ist's!

Alexandra.
Du frei und doch
In Ketten? Noch ein Rätsel!

Sameas.
Diese Ketten
Leg ich nicht wieder ab! Jerusalem
Soll Tag für Tag daran erinnert werden,
Daß Jonas' Enkel im Gefängnis saß!

Alexandra.
Wie kamst du denn heraus? Hast du die Hüter
Bestochen?

Sameas.
Ich? Die Hüter?

Alexandra.
Zwar, womit!
Dein härenes Gewand hast du noch an,
Und daß sie für ein Nest voll wilder Bienen,
Wie du's, mit jedem hohlen Baum vertraut,
An sie verraten konntest, dich entließen,
Bezweifle ich, denn Honig gibt's genug!

Sameas.
Wie fragst du nur? Soemus selbst hat mir
Die Pforten aufgemacht!

Mariamne.
Er hätt's gewagt?

Sameas.
Was denn? Hast du es ihm denn nicht geboten?

Mariamne.
Ich?

Sameas.
Nein? Mir deucht doch, daß er so gesagt!
Ich kann mich irren, denn ich sagte just
Rückwärts den letzten Psalm her, als er eintrat,
Und hörte nur mit halbem Ohr auf ihn!
Nun wohl! So hat's der Herr getan, und ich
Muß in den Tempel gehen, um zu danken,
Und habe nichts in Davids Burg zu tun!

Mariamne.
Der Herr!

Sameas.
Der Herr! Saß ich mit Recht im Kerker?

Mariamne.
Die Zeiten sind vorbei, worin der Herr
Unmittelbar zu seinem Volke sprach.
Wir haben das Gesetz. Das spricht für ihn!
Die Dampf--und Feuersäule ist erloschen,
Durch die er unsern Vätern in der Wüste
Die Pfade zeichnete, und die Propheten
Sind stumm, wie er!

Alexandra.
Das sind sie doch nicht ganz!
Es hat erst kürzlich einer einen Brand
Vorhergesagt, und dieser traf auch ein!

Mariamne.
Jawohl, doch hatt' er selbst um Mitternacht
Das Feuer angelegt.

Sameas.
Weib! Lästre nicht!

Mariamne.
Ich lästre nicht, ich sag nur, was geschehn!
Der Mensch ist Pharisäer, wie du selbst,
Er spricht, wie du, er rast, wie du, der Brand
Hat uns beweisen sollen, daß er wirklich
Prophet sei und das Künftige durchschaue,
Doch ein Soldat ertappt' ihn auf der Tat.

Sameas.
Ein röm'scher?

Mariamne.
Ja!

Sameas.
Der log! Er war vielleicht
Gedungen! War gedungen vom Herodes,
Gedungen von dir selbst!

Mariamne.
Vergiß dich nicht!

Sameas.
Du bist sein Weib, du bist das Weib des Frevlers,
Der sich für den Messias hält, du kannst
Ihn in die Arme schließen und ihn küssen,
Drum kannst du auch was andres für ihn tun!

Alexandra.
Er hielte jetzt für den Messias sich?

Sameas.
Er tut's, er sagt' es mir ins Angesicht,
Als er mich in den Kerker führen ließ.
Ich schrie zum Herrn, ich rief: Sieh auf dein Volk
Und schicke den Messias, den du uns
Verheißen für die Zeit der höchsten Not,
Die höchste Not brach ein! Darauf versetzt' er
Mit stolzem Hohn: Der ist schon lange da,
Ihr aber wißt es nicht! Ich bin es selbst!

Alexandra.
Nun, Mariamne?

Sameas.
Mit verruchtem Witz
Bewies er dann, wir sei'n ein Volk von Irren
Und er der einzige Verständige,
Wir wohnten nicht umsonst am Toten Meer,
Dem die Bewegung fehle, Ebb' und Flut,
Und das nur darum alle Welt verpeste,
Es sei ein treuer Spiegel unsrer selbst!
Er aber wolle uns lebendig machen,
Und müss' er uns auch Mosis dummes Buch--
So ruchlos sprach er--mit Gewalt entreißen;
Denn das allein sei schuld, wenn wir dem Jordan
Nicht glichen, unserm klaren Fluß, der lustig
Das Land durchhüpfe, sondern einem Sumpf!

Alexandra.
So ganz warf er die Larve weg?

Sameas.
Jawohl!
Doch galt ich ihm, als er es tat, vielleicht
Für einen Toten schon; denn meinen Tod
Befahl er gleich nachher.

Mariamne.
Er war gereizt!
Er fand den Aufruhr vor!

Sameas.
Dich mahn ich nun
An deine Pflicht! Sag du dich los von ihm,
Wie er sich losgesagt von Gott! Du kannst
Ihn dadurch strafen, denn er liebt dich sehr!
Als mich Soemus freiließ, mußt' ich glauben,
Du hättst es schon getan. Tust du es nicht,
So schilt den Blitz, der aus den Wolken fährt,
Nicht ungerecht, wenn er dich trifft, wie ihn!
Ich geh jetzt, um zu opfern!

Alexandra.
Nimm das Opfer
Aus meinem Stall!

Sameas.
Ich nehm's, wo man's entbehrt!
Das Lamm der Witwe und das Schaf des Armen!
Was soll dein Rind dem Herrn! (Ab.)




Dritte Szene

Soemus (kommt).
Verzeiht!

Mariamne.

Ich wollte
Dich eben rufen lassen! Tritt heran!

Soemus.
Das wär' zum ersten Mal geschehn!

Mariamne.
Jawohl!

Soemus.
Du wichst mir aus bisher!

Mariamne.
Hast du mich denn
Gesucht, und hast du was an mich zu suchen?
Ich mag's nicht denken!

Soemus.
Wenigstens das eine:
Sieh mich als deinen treusten Diener an!

Mariamne.
Das tat ich, doch ich tu's nicht mehr!

Soemus.

Nicht mehr?

Mariamne.
Wie kannst du dem Empörer, den Herodes
Gefangensetzen ließ, den Kerker öffnen?
Ist er noch König, oder ist er's nicht?

Soemus.
Die Antwort ist so leicht nicht, wie du glaubst!

Mariamne.
Fällt sie dir schwer, so wirst du's büßen müssen!

Soemus.
Du weißt noch nichts von der verlornen Schlacht!

Mariamne.
Die Schlacht bei Aktium, sie wär' verloren?

Soemus.
Antonius fiel von seiner eignen Hand!
Cleopatra desgleichen!

Alexandra.
Hätte die
Den Mut gehabt? Sie konnte sonst ein Schwert
Nicht einmal sehn und schauderte vor seinem
Zurück, da er es ihr als Spiegel vorhielt!

Soemus.
Dem Hauptmann Titus ward es so gemeldet!
Octavianus flucht, daß man es nicht
Verhindert hat! Ich selber las den Brief!

Mariamne.
Dann hat der Tod auf lange Zeit sein Teil
Und jedes Haupt steht fester, als es stand,
Eh' das geschah!

Soemus.
Meinst du?

Mariamne.
Du lächelst seltsam!

Soemus.
Du kennst, wie's scheint, Octavianus nicht!
Der wird den Tod nicht fragen, ob ihn ekle,
Er wird ihm aus den Freunden des Antonius
Noch eine Mahlzeit richten, und auch die
Wird nicht ganz arm an leckern Bissen sein!

Mariamne.
Gilt das Herodes?

Soemus.
Nun, wenn er das hält,
Was er sich vornahm--

Mariamne.
Was war das?

Soemus.

Er sprach:
Ich liebe den Antonius nicht mehr,
Ich hasse ihn weit eher, doch ich werde
Ihm beistehn bis zum letzten Augenblick,
Obgleich ich fürchte, daß er fallen muß.
Ich bin's mir selber schuldig, wenn nicht ihm!

Mariamne.
Echt königlich!

Soemus.
Gewiß! Echt königlich!
Nur ist Octav der Mann nicht, der's bewundert,
Und tut Herodes das--

Mariamne.
Wer wagt, zu zweifeln?

Soemus.
So ist er auch verloren, oder arg
Hat man Octavian beleidigt, als man
Die große Schlächterei nach Cäsars Tod
Auf seine Rechnung setzte!

Mariamne.
Daß du fest
An diesen Ausgang glaubst, daß du Herodes
Schon zu den Toten zählst, ist klar genug,
Sonst hättst du nicht gewagt, was du gewagt.
Auch schaudert's mir, ich will es dir gestehn,
Vor deiner Zuversicht, du bist kein Tor,
Und wagst gewiß nicht ohne Grund so viel.
Doch, wie's auch stehen möge, immer bin
Ich selbst noch da, und ich, ich will dir zeigen,
Daß ich ihm auch im Tode noch Gehorsam
Zu schaffen weiß, es soll nicht ein Befehl,
Den er gegeben, unvollzogen bleiben,
Das soll sein Totenopfer sein!

Soemus.
Nicht einer?
Ich zweifle, Königin!--(Für sich.) Jetzt falle, Schlag!

Mariamne.
So wahr ich Makkabäerin, du schickst
Den Sameas zurück in seinen Kerker!

Soemus.
Wie du es willst, so wird's geschehn, und wenn
Du mehr willst, wenn er sterben soll, wie's ihm
Der König drohte, sprich, und er ist tot!
Doch nun gestatte eine Frage mir:
Soll ich auch dich, damit das Totenopfer,
Das du zu bringen denkst, vollkommen sei,
Soll ich auch dich mit meinem Schwert durchstoßen?
Ich hab auch dazu den Befehl von ihm!

Mariamne.
Weh!

Alexandra.
Nimmermehr!

Mariamne.
So ist das Ende da!
Und welch ein Ende! Eins, das auch den Anfang
Verschlingt und alles! Die Vergangenheit
Löst, wie die Zukunft, sich in nichts mir auf!
Ich hatte nichts, ich habe nichts, ich werde
Nichts haben! War denn je ein Mensch so arm!

Alexandra.
Welch eine Missetat du vom Herodes
Mir auch berichten möchtest, jede glaubt' ich,
Doch diese--

Mariamne.
Zweifle nicht! Es ist gewiß!

Alexandra.
So sprichst du selbst?

Mariamne.
O Gott, ich weiß, warum!

Alexandra.
Dann wirst du wissen, was du tun mußt!

Mariamne.
Ja!
(Sie zuckt den Dolch gegen sich.)

Alexandra (sie verhindernd).
Wahnsinnige, verdient er das? Verdient er's,
Daß du den Henker an dir selber machst?

Mariamne.
Das war verkehrt! Ich danke dir! Dies Amt
Ersah er für sich selbst!
(Sie schleudert den Dolch weg.)

Versucher, fort!

Alexandra.
Du wirst dich in der Römer Schutz begeben!

Mariamne.
Ich werde keinen, dem an sich was liegt,
Verhindern, das zu tun!--Ich selbst, ich gebe
Zur Nacht ein Fest!

Alexandra.
Ein Fest?

Mariamne.
Und tanze dort!--
Ja, ja, das ist der Weg!

Alexandra.
Zu welchem Ziel?

Mariamne.
He, Diener!
(Diener kommen.)
Schließt die Prunkgemächer auf
Und ladet alles ein, was jubeln mag!
Steckt alle Kerzen an, die brennen wollen,
Pflückt alle Blumen ab, die noch nicht welkten,
Es ist nicht nötig, daß was übrigbleibt!
(Zu Moses.) Du hast uns einst die Hochzeit ausgerichtet,
Heut gilt's ein Fest, das die noch übertrifft,
Drum spare nichts! (Sie tritt vor.) Herodes, zittre jetzt!
Und wenn du niemals noch gezittert hast!

Soemus (tritt zu ihr heran).
Ich fühle deinen Schmerz, wie du!

Mariamne.
Dein Mitleid
Erlaß ich dir! Du bist kein Henkersknecht,
Ich darf nicht zweifeln, denn du hast's gezeigt;
Doch dafür ein Verräter, und Verrätern
Kann ich nicht danken, noch sie um mich dulden,
Wie nützlich sie auch sind auf dieser Welt.
Denn das verkenn ich nicht! Wärst du der Mann
Gewesen, der du schienst, so hätte Gott
Ein Wunder tun, so hätte er der Luft
Die Zunge, die ihr mangelt, leihen müssen,
Das sah er gleich voraus, als er dich schuf,
Drum macht' er zu der Heuchler erstem dich!

Soemus.
Der bin ich nicht! Ich war Herodes' Freund,
Ich war sein Waffenbruder und Gefährte,
Eh' er den Thron bestieg, ich war sein Diener,
Sein treuster Diener, seit er König ist.
Doch war ich's nur, solange er in mir
Den Mann zu ehren wußte und den Menschen,
Wie ich in ihm den Helden und den Herrn.
Das tat er, bis er, heuchlerisch die Augen
Zum ersten Mal unwürdig niederschlagend,
Den Blutbefehl mir gab, durch den er mich
Herzlos, wie dich, dem sichern Tode weihte,
Durch den er mich der Rache deines Volks,
Dem Zorn der Römer und der eignen Tücke
Preisgab, wie dich der Spitze meines Schwerts.
Da hatt' ich den Beweis, was ich ihm galt!

Mariamne.
Und drücktest du ihm deinen Abscheu aus?

Soemus.
Das tat ich nicht, weil ich dich schützen wollte!
Ich übernahm's zum Schein, ich heuchelte,
Wenn dir's gefällt, damit er keinem andern
Den Auftrag gäbe und mich niederstäche;
Ein Galiläer hätt' die Tat vollbracht!

Mariamne.
Ich bitt dir ab. Du stehst zu ihm, wie ich,
Du bist, wie ich, in deinem Heiligsten
Gekränkt, wie ich, zum Ding herabgesetzt!
Er ist ein Freund, wie er ein Gatte ist.
Komm auf mein Fest! (Ab.)

Alexandra.
So wartetest du auch auf deine Zeit,
Wie ich!

Soemus.
Auf meine Zeit? Wie meinst du das?

Alexandra.
Ich sah es immer mit Verwundrung an,
Wie du vor diesem König, der der Laune
Des Römers seine Hoheit dankt, dem Rausch
Des Schwelgers, nicht dem Stamm und der Geburt,
Den Rücken bogst, als hättest du's, wie er,
Vergessen, daß du seinesgleichen bist;
Doch jetzt durchschau ich dich, du wolltest ihn
Nur sicher machen!

Soemus.
Darin irrst du dich!
Ich sprach in allem wahr. Für seinesgleichen
Halt ich mich nicht und werd' es niemals tun!
Ich weiß, wie manchen Wicht es gibt, der ihm
Bloß darum, weil er nicht sein Enkel ist,
Mit Murren dient; ich weiß, daß andre ihm
Die Treu' nur Mariamnens wegen halten:
Doch ich gehöre nicht zu dieser Schar,
Die lieber einem Kinderschwert gehorcht,
Wenn's nur ererbt ward, als dem Heldenschwert,
Das aus dem Feuer erst geschmiedet wird.
Ich sah den Höhern immer schon in ihm
Und hob dem Waffenbruder seinen Schild,
Wenn er ihn fallen ließ, so willig auf,
Wie je dem König seinen Herrscherstab!
Die Krone, wie das erste Weib: ich gönnte
Ihm beides, denn ich fühlte seinen Wert!

Alexandra.
Du bist doch auch ein Mann!

Soemus.
Daß ich das nicht
Vergessen habe, das beweis ich jetzt!
So groß ist keiner, daß er mich als Werkzeug
Gebrauchen darf! Wer Dienste von mir fodert,
Die mich, vollbracht und nicht vollbracht, wie's kommt,
Schmachvoll dem sichern Untergange weihn,


 


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